Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zu machen, den bisherigen Statthalter von Böhmen, Graf Richard Belcrcdi, Für dieses "Grafenministerium" fielen die Interessen des Staats und der Für einen friedlichen Ausgleich mit Preußen über Schleswig-Holstein Grenzbaten II 1898 71
Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zu machen, den bisherigen Statthalter von Böhmen, Graf Richard Belcrcdi, Für dieses „Grafenministerium" fielen die Interessen des Staats und der Für einen friedlichen Ausgleich mit Preußen über Schleswig-Holstein Grenzbaten II 1898 71
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Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland
zu machen, den bisherigen Statthalter von Böhmen, Graf Richard Belcrcdi,
einen aristokratischen Föderalisten und Gegner der Deutschen; doch der eigentliche
Leiter der österreichischen Politik blieb auch jetzt, obwohl nur Minister ohne
Portefeuille, Graf Esterhazy.
Für dieses „Grafenministerium" fielen die Interessen des Staats und der
regierenden Aristokratie in eins zusammen. Es „sistirte" daher schon am
20. September 1865 die junge zentralistische Verfassung, verhandelte mit den
Ungarn und Böhmen über einen „Ausgleich" auf föderalistisch-aristokratischer
Grundlage und begünstigte bei seiner Finanzgesetzgebung und seinen Finanz¬
maßregeln in einer geradezu anstößigen Weise die Interessen des Großgrund¬
besitzes auf Kosten der übrigen Steuerzahler und zum Schaden der notleidenden
Staatskasse. Einen Ausgleich mit Ungarn brachte es nicht zu stände, und
für die Neuordnung der deutschen Dinge hatte es weder Verständnis, noch
ein Programm, noch den Beruf. Denn ein Staat, , der zum Vorteil der
feudalen, klerikalen und föderativem, also slawisch-magyarischen Interessen ge¬
leitet wurde, konnte und durfte Deutschland so wenig reorganisiren, wie
Ferdinand II. mit seinen Jesuiten und seinen heimatlosen Söldnerheeren, und
es war das entscheidende Verhängnis für Österreichs deutsche Politik, daß der
Verfechter des großdeutschen liberalen Standpunktes, Schmerling, in dem
Augenblicke zurücktreten mußte, wo sich der Kampf um die Vorherrschaft in
Deutschland mit raschen Schritten näherte. Dies hebt Friedjung doch zu
wenig hervor. Er betont, Österreich habe sich Preußen gegenüber im Stande
der Verteidigung befunden, denn Preußen sei im Angriff auf die alte deutsche
Stellung Österreichs gewesen. Gewiß war es das seit Bismcircks Berufung,
wie jeder als „Angreifer" erscheinen wird, der es unternimmt, eine lästige Fessel
AU sprengen. Aber im tiefern Sinn ist doch der schließlich der Angreifer, der
diese Fessel geschmiedet hat oder sie, wenn sie drückend wird, nicht löst, und
so ganz auf die bloße Behauptung der „historischen Stellung" ging doch auch
das Ministerium Belcredi keineswegs aus.
Für einen friedlichen Ausgleich mit Preußen über Schleswig-Holstein
etwa nach dem Gedanken Nechbergs war nur der Graf Mensdorff, der Öster¬
reich die Kraft nicht zutraute, einen Doppelkrieg im Norden und im Süden zu
führen, aber er hatte wenig Einfluß. Graf Esterhazy verabscheute den Krieg
Zwischen zwei alten konservativen Mächten und wäre vorher oder nachher zu
einer Art von Teilung Deutschlands bereit gewesen, aber er ließ sich in der
ganzen Frage mehr treiben, als daß er die Richtung gegeben hätte. Graf
Veleredi und Biegeleben dagegen drängten zum Kriege, der im Bunde mit
den deutschen Mittelstaaten zu führen sei, um, wie sich Biegeleben ausdrückte,
»Preußen in seine Teile zu zerschlagen." Wie man teilweise auch in den Mittel¬
staaten dachte, das zeigt unter anderm eine Äußerung Beusts: nun sei der
Augenblick gekommen, wo die Improvisation Friedrichs II. wieder verschwinden
Grenzbaten II 1898 71
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