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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland

doch der Einfluß Biegelebens wieder zu überwiegen. Da Nechberg endlich bei den
Verhandlungen über die Erneuerung des Zollvereins für Österreich nicht einmal
die Aussicht auf einen künftigen Beitritt erringen konnte, obwohl Bismarck zu
einem solchen Zugeständnis riet, um Nechberg im Amte zu erhalten, so nahm
dieser am 27. Oktober 1864 seinen Abschied. Damit gewann die zum Kriege
drängende Richtung Viegelebens mehr und mehr die Oberhand.

Allerdings wurde nun nicht etwa dieser Rechbergs Nachfolger, sondern
wieder ein vornehmer Herr, Graf Alexander Mensdorff-Pouilly, ein echt öster¬
reichischer Kavalier und ein tapfrer Soldat, eine vornehme, ehrliche, ritterliche,
feinfühlige Natur, aber ohne alle diplomatische Erfahrung, dabei weich und
unselbständig, also leicht bestimmbar. Auch er wollte keinen Krieg mit Preußen;
er hat vielmehr bis zuletzt davor gewarnt, allein er wußte nicht zu verhindern,
daß die österreichische Politik sich nunmehr immer offner auf die Seite
Friedrichs (VIII.) von Augustenburg stellte, also den Plänen Bismarcks immer
schärfer gegenübertrat und es diesem erleichterte, die anfängliche Abneigung
König Wilhelms gegen eine Annexion und die starke eine solche bekämpfende
Partei am preußischen Hofe zu überwinden. Noch einmal verhinderte die
Konvention von Gastein am 14. August 1865 den schon drohenden Bruch,
aber man empfand sie in Wien als eine diplomatische Niederlage, in der
großdcutschen Partei als einen Verrat Österreichs an der gemeinsamen Sache.

Schon war der eigentliche Träger dieser Politik, Schmerling, damals aus
dem Amte geschieden (30. Juli 1865). Die Unzufriedenheit der deutschen
Liberalen mit dem geringen Maße der von ihm gewährten politischen Rechte,
die Vergeblichkeit der Bemühungen, Ordnung in die Finanzen zu bringen, die
Feindseligkeit des hohen Adels gegen den bürgerlich-liberalen Minister und die
unüberwindliche Opposition der Magyaren gegen den parlamentarischen Einheits¬
staat untergruben Schritt für Schritt Schmerlings Stellung. Der Sieger in
diesem Kampfe gegen den deutsch-liberalen Zentralismus war Graf Moritz
Esterhazy, schon unter Schmerling Minister ohne Portefeuille, ein ungarischer
Magnat der alten Art, im diplomatischen Dienst aufgekommen, ein Fremder in
seiner Heimat, sodaß er weder ungarisch noch deutsch geläufig sprach, sondern
am liebsten das Französische brauchte, ein Anhänger Metternichs, also Gegner
jeder wirklich parlamentarischen Verfassung und jedes liberalen Zentralismus, an
dessen Stelle er vielmehr wieder möglichst altständisch geordnete Landtage für
die einzelnen Kronlünder, für Ungarn die aristokratische Verfassung der Zeit
vor 1848 setzen wollte. Nach außen wollte er die überlieferte Machtstellung
der Monarchie aufrecht erhalten; ein Verständnis für die nationalen Bestrebungen
und Bediirfnisfe Deutschlands lag diesem Magyaren natürlich ganz fern. Überaus
scharfsinnig, erkannte er jede Schwierigkeit voraus, schreckte aber vor einem
kräftigen Entschlüsse, sie zu überwältigen, regelmüßig zurück. Aber gerade diese
kritische Fähigkeit sicherte ihm beim Kaiser den entscheidenden Einfluß. Daher
gelang es ihm auch, eiuen Mann seiner Richtung zum Nachfolger Schmerlings


Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland

doch der Einfluß Biegelebens wieder zu überwiegen. Da Nechberg endlich bei den
Verhandlungen über die Erneuerung des Zollvereins für Österreich nicht einmal
die Aussicht auf einen künftigen Beitritt erringen konnte, obwohl Bismarck zu
einem solchen Zugeständnis riet, um Nechberg im Amte zu erhalten, so nahm
dieser am 27. Oktober 1864 seinen Abschied. Damit gewann die zum Kriege
drängende Richtung Viegelebens mehr und mehr die Oberhand.

Allerdings wurde nun nicht etwa dieser Rechbergs Nachfolger, sondern
wieder ein vornehmer Herr, Graf Alexander Mensdorff-Pouilly, ein echt öster¬
reichischer Kavalier und ein tapfrer Soldat, eine vornehme, ehrliche, ritterliche,
feinfühlige Natur, aber ohne alle diplomatische Erfahrung, dabei weich und
unselbständig, also leicht bestimmbar. Auch er wollte keinen Krieg mit Preußen;
er hat vielmehr bis zuletzt davor gewarnt, allein er wußte nicht zu verhindern,
daß die österreichische Politik sich nunmehr immer offner auf die Seite
Friedrichs (VIII.) von Augustenburg stellte, also den Plänen Bismarcks immer
schärfer gegenübertrat und es diesem erleichterte, die anfängliche Abneigung
König Wilhelms gegen eine Annexion und die starke eine solche bekämpfende
Partei am preußischen Hofe zu überwinden. Noch einmal verhinderte die
Konvention von Gastein am 14. August 1865 den schon drohenden Bruch,
aber man empfand sie in Wien als eine diplomatische Niederlage, in der
großdcutschen Partei als einen Verrat Österreichs an der gemeinsamen Sache.

Schon war der eigentliche Träger dieser Politik, Schmerling, damals aus
dem Amte geschieden (30. Juli 1865). Die Unzufriedenheit der deutschen
Liberalen mit dem geringen Maße der von ihm gewährten politischen Rechte,
die Vergeblichkeit der Bemühungen, Ordnung in die Finanzen zu bringen, die
Feindseligkeit des hohen Adels gegen den bürgerlich-liberalen Minister und die
unüberwindliche Opposition der Magyaren gegen den parlamentarischen Einheits¬
staat untergruben Schritt für Schritt Schmerlings Stellung. Der Sieger in
diesem Kampfe gegen den deutsch-liberalen Zentralismus war Graf Moritz
Esterhazy, schon unter Schmerling Minister ohne Portefeuille, ein ungarischer
Magnat der alten Art, im diplomatischen Dienst aufgekommen, ein Fremder in
seiner Heimat, sodaß er weder ungarisch noch deutsch geläufig sprach, sondern
am liebsten das Französische brauchte, ein Anhänger Metternichs, also Gegner
jeder wirklich parlamentarischen Verfassung und jedes liberalen Zentralismus, an
dessen Stelle er vielmehr wieder möglichst altständisch geordnete Landtage für
die einzelnen Kronlünder, für Ungarn die aristokratische Verfassung der Zeit
vor 1848 setzen wollte. Nach außen wollte er die überlieferte Machtstellung
der Monarchie aufrecht erhalten; ein Verständnis für die nationalen Bestrebungen
und Bediirfnisfe Deutschlands lag diesem Magyaren natürlich ganz fern. Überaus
scharfsinnig, erkannte er jede Schwierigkeit voraus, schreckte aber vor einem
kräftigen Entschlüsse, sie zu überwältigen, regelmüßig zurück. Aber gerade diese
kritische Fähigkeit sicherte ihm beim Kaiser den entscheidenden Einfluß. Daher
gelang es ihm auch, eiuen Mann seiner Richtung zum Nachfolger Schmerlings


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/568>, abgerufen am 23.07.2024.