Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.nach der Nummer "Das Mädchen und der Schmetterling" thaten, war nicht Eine andre Größe aus der Virtuosenklasse: Felix Weingärtner muß mau Auch Richard Strauß scheut nicht vor unmusikalischen Gedichten und wird nach der Nummer „Das Mädchen und der Schmetterling" thaten, war nicht Eine andre Größe aus der Virtuosenklasse: Felix Weingärtner muß mau Auch Richard Strauß scheut nicht vor unmusikalischen Gedichten und wird <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228183"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1492" prev="#ID_1491"> nach der Nummer „Das Mädchen und der Schmetterling" thaten, war nicht<lb/> sehr glücklich. Es gehört ebenso wenig wie „Zur Drossel sprach der Fink"<lb/> zu den bedeutendem Gesangskompositionen und verdankt seine Wirkung in<lb/> erster Linie dem Texte, den aber Hans Hermann viel muntrer und origineller<lb/> komponirt hat. d'Alberts Talent verlangt breite Formen und dramatische<lb/> Situationen. Wo diese sehlen, gerät er auch leicht in Abhängigkeit von<lb/> Brahms.</p><lb/> <p xml:id="ID_1493"> Eine andre Größe aus der Virtuosenklasse: Felix Weingärtner muß mau<lb/> unter die bedeutendsten Liedertalente der Gegenwart rechnen, jedenfalls liegt<lb/> die stärkste und echteste Seite seiner musikalischen Begabung auf diesem Ge¬<lb/> biete. Insbesondre ist er für die Ballade begabt; wie wenige versteht er kühn<lb/> und doch natürlich instrumentale Sitnationsmotive zu erfinden. Die „Post<lb/> im Walde," die „Frühlingsgespenster" und noch andre Stücke seines Op. 19<lb/> belegen das ebenso überzeugend wie die schon weiter bekannte „Wallfahrt<lb/> nach Kevlaar." Als Komponisten eigentlicher Lieder zeichnet ihn seine be¬<lb/> deutende Fertigkeit in der Durchführung schwieriger musikalischer Motive und<lb/> in Cyklen wie „Harold" die geistvolle poetische Belebung und Verknüpfung<lb/> der Formen aus. Bedenken erweckt er durch das Vorkehren von Tristan-<lb/> stimmungen, infolgedessen einzelne Hefte wie Op. 16, auch Op. 15 ungebührlich<lb/> mit Herzeleid und Monotonie beschwert werden. Felix Weingärtner gehört zu<lb/> den Komponisten, die vor keinem Text zurückschrecken. Ein solcher ist z. B.<lb/> das „Verspätete Hochzeitslied" Uhlands, dessen Ton außerdem durch die von<lb/> Weingärtner gewühlte Bvlervmusik sehr herabgezogen wird. Sehr hoch wird<lb/> man ihm die Komposition von Uhlands Lied „Das ist der Tag des Herrn"<lb/> anrechnen müssen. Die Schönheit dieses Stückes verbindet sich mit größter<lb/> Einfachheit und giebt ein Muster für die Behandlung religiöser Texte, die<lb/> leider zum Schaden unsrer Hausmusik — der Grundlage für das Gedeihen<lb/> deutscher Tonkunst — vou den neuern Musikern ungebührlich vernachlässigt<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1494" next="#ID_1495"> Auch Richard Strauß scheut nicht vor unmusikalischen Gedichten und wird<lb/> durch sie wie in dem Lied „Die Zeitlose" (H. von Gilm) zu Künstelei verleitet.<lb/> Im allgemeinen verdient er die Bevorzugung, die er von den Sängern erfährt,<lb/> durch die Lebendigkeit und Wärme seiner Natur, durch die Fülle und Natür¬<lb/> lichkeit seiner musikalischen Erfindung. Sie verfügt für neue Situationen nicht<lb/> selten über ganz eigentümliche, neue Töne, z. B. in Liliencrons: „Ich ging den<lb/> Weg" sin Op. 32), sucht aber zuweilen zu verstandesmäßig nach besondern<lb/> Wendungen. So läßt er in dem (zur Komposition ungeeigneten) Schlußstück<lb/> seines Op. 21 „Die Frauen sind oft fromm und still" die Harmonie auf dem<lb/> Sextakkord des I?-Äur-Dreiklangs enden, während die Haupttouart M-clur ist.<lb/> Also ein ähnlich befremdender Ausgang wie in seiner sinfonischen Dichtung:<lb/> ..Also sprach Zarathustra." Warum? Weil die letzten Worte heißen: sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
nach der Nummer „Das Mädchen und der Schmetterling" thaten, war nicht
sehr glücklich. Es gehört ebenso wenig wie „Zur Drossel sprach der Fink"
zu den bedeutendem Gesangskompositionen und verdankt seine Wirkung in
erster Linie dem Texte, den aber Hans Hermann viel muntrer und origineller
komponirt hat. d'Alberts Talent verlangt breite Formen und dramatische
Situationen. Wo diese sehlen, gerät er auch leicht in Abhängigkeit von
Brahms.
Eine andre Größe aus der Virtuosenklasse: Felix Weingärtner muß mau
unter die bedeutendsten Liedertalente der Gegenwart rechnen, jedenfalls liegt
die stärkste und echteste Seite seiner musikalischen Begabung auf diesem Ge¬
biete. Insbesondre ist er für die Ballade begabt; wie wenige versteht er kühn
und doch natürlich instrumentale Sitnationsmotive zu erfinden. Die „Post
im Walde," die „Frühlingsgespenster" und noch andre Stücke seines Op. 19
belegen das ebenso überzeugend wie die schon weiter bekannte „Wallfahrt
nach Kevlaar." Als Komponisten eigentlicher Lieder zeichnet ihn seine be¬
deutende Fertigkeit in der Durchführung schwieriger musikalischer Motive und
in Cyklen wie „Harold" die geistvolle poetische Belebung und Verknüpfung
der Formen aus. Bedenken erweckt er durch das Vorkehren von Tristan-
stimmungen, infolgedessen einzelne Hefte wie Op. 16, auch Op. 15 ungebührlich
mit Herzeleid und Monotonie beschwert werden. Felix Weingärtner gehört zu
den Komponisten, die vor keinem Text zurückschrecken. Ein solcher ist z. B.
das „Verspätete Hochzeitslied" Uhlands, dessen Ton außerdem durch die von
Weingärtner gewühlte Bvlervmusik sehr herabgezogen wird. Sehr hoch wird
man ihm die Komposition von Uhlands Lied „Das ist der Tag des Herrn"
anrechnen müssen. Die Schönheit dieses Stückes verbindet sich mit größter
Einfachheit und giebt ein Muster für die Behandlung religiöser Texte, die
leider zum Schaden unsrer Hausmusik — der Grundlage für das Gedeihen
deutscher Tonkunst — vou den neuern Musikern ungebührlich vernachlässigt
werden.
Auch Richard Strauß scheut nicht vor unmusikalischen Gedichten und wird
durch sie wie in dem Lied „Die Zeitlose" (H. von Gilm) zu Künstelei verleitet.
Im allgemeinen verdient er die Bevorzugung, die er von den Sängern erfährt,
durch die Lebendigkeit und Wärme seiner Natur, durch die Fülle und Natür¬
lichkeit seiner musikalischen Erfindung. Sie verfügt für neue Situationen nicht
selten über ganz eigentümliche, neue Töne, z. B. in Liliencrons: „Ich ging den
Weg" sin Op. 32), sucht aber zuweilen zu verstandesmäßig nach besondern
Wendungen. So läßt er in dem (zur Komposition ungeeigneten) Schlußstück
seines Op. 21 „Die Frauen sind oft fromm und still" die Harmonie auf dem
Sextakkord des I?-Äur-Dreiklangs enden, während die Haupttouart M-clur ist.
Also ein ähnlich befremdender Ausgang wie in seiner sinfonischen Dichtung:
..Also sprach Zarathustra." Warum? Weil die letzten Worte heißen: sie
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