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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Groß-Germanien

Arme getriebne Frankreich, das glücklicherweise einer weitern Steigerung seiner
Leistungsfähigkeit nicht mehr fähig ist, zu gebotner Stunde in die Schranken
zu fordern.

In der That giebt das eine Gruppirung der Mächte, die eines Tags bei
der dauernd bleibenden slawischen Gefahr selbstverständlich sein wird. Wann
aber dieser Tag erscheinen wird, ist noch nicht abzusehen. Die Expansion
Rußlands auf der einen Seite, die jedenfalls wirtschaftlich eintretende Einigung
des amerikanischen Kontinents auf der andern Seite muß die europäischen
Kontinentalstaaten zusammenschließen. Und zwar nicht nur wirtschaftlich,
sondern auch politisch; die Art und Weise ihres Zusammenschlusses ist politisch
im Dreibund vorgebildet. Den festen Kitt dieser Vereinigung wird die Not
der Weltlage liefern. Denn darüber kann kein Streit sein: die slawische Rasse
als die jüngere ist durch die in ihr wirkende Jugendkraft eine gefährliche
Gegnerin für die germanische und die noch altere romanische Nasse. Das
bisher beobachtete Gesetz, daß sich die Sonne der jungen Völker mit dem
Tagesgestirn im Osten erhebt, und daß die müde gewordnen im Westen ver¬
sinken, gilt auch heute noch. Nur fester Zusammenschluß kann deshalb die
Glieder der ältern Rasse gegen die jüngere Schwester schützen. Das Herz dieser
Vereinigung kann natürlich nur Deutschland sein, wo die übrigen germanischen
Staaten Europas ihren natürlichen Mittelpunkt finden, und an das sich alle
Kvntinentalstaaten anschließen müssen, die nicht von dem slawischen Niesen-
staate aufgesogen werden wollen, sondern in ihrer nationalen Eigenheit unter
festem Schirm und Schutz weiter leben wollen.

Denn auch das ist festzuhalten: das Germanentum ist im Gegensatz zum
Slawentum für die weitere Zukunft Hauptträger und Hauptstütze der euro¬
päischen Kultur. Von der müde gewordnen romanischen Rasse ist diese Auf¬
gabe zum Teil schon auf uns übergegangen und wird in Zukunft noch mehr
auf uns übergehen. Wir sind zwar durchaus nicht der Meinung, daß Ru߬
land der Kultur absolut feindlich wäre; wir erkennen selbstverständlich an, daß
im westlichen Rußland die westeuropäische Kultur längst ihre bleibende Stätte
gefunden hat, daß Kunst, Litteratur und Wissenschaft in ihm Vertreter auf¬
weisen können, die sich mit den stolzesten Namen des westeuropäischen Geistes¬
lebens messen dürfen. Aber was sind diese westlichen zivilisirten Teile im
Verhältnis zu der ungeheuern uuzivilisirten Mehrheit des Reichs, das noch
stetig dnrch Anschluß barbarischer Asiaten wächst? Wie es vor der Hand
unmöglich ist, dem so zusammengesetzten Staate eine Verfassung zu geben, so
ist es auch unmöglich, ihm auf einmal die europäische Kultur zu übermitteln.
Noch Jahrhunderte werden vergehen, bis man das russische Volk in seiner
Gesamtheit als Kulturvolk bezeichnen kann, noch jahrhundertelang wird den
westeuropäischen Völkern das Sinnbild der Knute über dem Nussenreiche zu
schweben scheinen.


Groß-Germanien

Arme getriebne Frankreich, das glücklicherweise einer weitern Steigerung seiner
Leistungsfähigkeit nicht mehr fähig ist, zu gebotner Stunde in die Schranken
zu fordern.

In der That giebt das eine Gruppirung der Mächte, die eines Tags bei
der dauernd bleibenden slawischen Gefahr selbstverständlich sein wird. Wann
aber dieser Tag erscheinen wird, ist noch nicht abzusehen. Die Expansion
Rußlands auf der einen Seite, die jedenfalls wirtschaftlich eintretende Einigung
des amerikanischen Kontinents auf der andern Seite muß die europäischen
Kontinentalstaaten zusammenschließen. Und zwar nicht nur wirtschaftlich,
sondern auch politisch; die Art und Weise ihres Zusammenschlusses ist politisch
im Dreibund vorgebildet. Den festen Kitt dieser Vereinigung wird die Not
der Weltlage liefern. Denn darüber kann kein Streit sein: die slawische Rasse
als die jüngere ist durch die in ihr wirkende Jugendkraft eine gefährliche
Gegnerin für die germanische und die noch altere romanische Nasse. Das
bisher beobachtete Gesetz, daß sich die Sonne der jungen Völker mit dem
Tagesgestirn im Osten erhebt, und daß die müde gewordnen im Westen ver¬
sinken, gilt auch heute noch. Nur fester Zusammenschluß kann deshalb die
Glieder der ältern Rasse gegen die jüngere Schwester schützen. Das Herz dieser
Vereinigung kann natürlich nur Deutschland sein, wo die übrigen germanischen
Staaten Europas ihren natürlichen Mittelpunkt finden, und an das sich alle
Kvntinentalstaaten anschließen müssen, die nicht von dem slawischen Niesen-
staate aufgesogen werden wollen, sondern in ihrer nationalen Eigenheit unter
festem Schirm und Schutz weiter leben wollen.

Denn auch das ist festzuhalten: das Germanentum ist im Gegensatz zum
Slawentum für die weitere Zukunft Hauptträger und Hauptstütze der euro¬
päischen Kultur. Von der müde gewordnen romanischen Rasse ist diese Auf¬
gabe zum Teil schon auf uns übergegangen und wird in Zukunft noch mehr
auf uns übergehen. Wir sind zwar durchaus nicht der Meinung, daß Ru߬
land der Kultur absolut feindlich wäre; wir erkennen selbstverständlich an, daß
im westlichen Rußland die westeuropäische Kultur längst ihre bleibende Stätte
gefunden hat, daß Kunst, Litteratur und Wissenschaft in ihm Vertreter auf¬
weisen können, die sich mit den stolzesten Namen des westeuropäischen Geistes¬
lebens messen dürfen. Aber was sind diese westlichen zivilisirten Teile im
Verhältnis zu der ungeheuern uuzivilisirten Mehrheit des Reichs, das noch
stetig dnrch Anschluß barbarischer Asiaten wächst? Wie es vor der Hand
unmöglich ist, dem so zusammengesetzten Staate eine Verfassung zu geben, so
ist es auch unmöglich, ihm auf einmal die europäische Kultur zu übermitteln.
Noch Jahrhunderte werden vergehen, bis man das russische Volk in seiner
Gesamtheit als Kulturvolk bezeichnen kann, noch jahrhundertelang wird den
westeuropäischen Völkern das Sinnbild der Knute über dem Nussenreiche zu
schweben scheinen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/508>, abgerufen am 28.12.2024.