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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

Mit denen sich bis jetzt die Forschung am gründlichsten beschäftigt hat. ent¬
halten am meisten eigenhändige Arbeiten Raffaels; von den andern, denen man
erst neuerdings mit eindringlicher Sorgfalt nachgegangen ist, werden die meisten
als Arbeiten seiner Schüler angesehen und viele sogar als nachträgliche Kopien
der ausgeführten Werke ausgeschieden (Dollmayr). Diese Fragen sind von
großer Bedeutung für das Werk Raffaels, und bei der Unsicherheit, die da¬
durch einstweilen an einer Stelle, wo man früher die sichersten Fundamente
sub. Platzgegriffen hat, ist die verständnisvolle Arbeit Koopmanns ein will-
kommnes Hilfsmittel zu jeder ernstern Beschäftigung, vor allem für die Forscher.

Koopmann hat eine hohe Vorstellung von der selbständigen Kraft Raffaels.
Er kann sich ebenso wenig wie Morelli davon überzeugen, daß das oben er¬
wähnte Venezianische Skizzenbuch auf ihn zurückgehen soll. er spricht sich auch
gegen manche in neuerer Zeit angenommnen, rein äußerlichen Entlehnungen
Raffaels aus Werken des Quattrocento aus und meint, gerade das ernstliche
Studium seiner Handzeichnungen müsse den Blick sicher machen gegen solche
unzulässigen Vorurteile und vermeintlichen Entdeckungen. Auch den Kunstsinn
des weitern gebildeten Publikums und den reinen Geschmack in der Kunst selbst
müsse solches Studium befördern. Wir fürchten in dieser Hinsicht, daß unser
schnell lebendes Geschlecht sich kaum die Zeit lassen wird, den etwas müh¬
samen Umweg über die Handzeichnungen Raffaels "in der Auffassung von
W. Koopmann" einzuschlagen, und hätten in Anbetracht dessen eine viel
knappere Fassung der Bemerkungen zu den einzelnen Nummern wünschen
mögen. Dies ist aber die einzige Ausstellung, die wir machen, und die wir
auch mit Rücksicht auf die das Werk benutzenden Fachmänner nicht für über-
flüssig halten. Sonst halten wir das Buch in seiner Anordnung sowohl wie
w der Sorgfalt der Ausarbeitung für durchaus lobenswert.

Bruckmanns Klassischer Skulpturenschatz, dessen erste Hefte schon in
den Grenzboten besprochen worden sind, soll, nachdem der erste Jahrgang nun
vollendet vorliegt, noch einmal nachdrücklich mit dem Hinweis darauf empfohlen
werden, wieviel dieser eine Jahrgang allein für die italienische Renaissancekunst
schon gebracht hat. Die drei Pisaner (Niccolo, Giovanni. Andrea), Brunellesco,
Ghiberti. Donatello und Verrocchio sind schon durch ihre Hauptwerke auf
vielen Tafeln vertreten, und mit A. Pollnjuolo. Luca della Nvbbia und
Michelangelo (warum schreiben die Herausgeber beständig Buonarotti?) ist
der Anfang gemacht worden. Sämtliche Abbildungen sind gleich vorzüglich.
Der deutsche Kunstverlag hat ein Anschauungswerk geschaffen, dem keine andre
Nation etwas an Güte und Wohlfeilheit gleich empfehlenswertes an die Seite
SU stellen hat.

Auch von Burckhardts Cicerone ist nun endlich die siebente Auflage
^schienen, "unter Mitwirkung von C. von Fabriczy und andern Fachgenossen
bearbeitet von Wilhelm Vota" (Leipzig. Seemann). Das Altertum bildet


Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

Mit denen sich bis jetzt die Forschung am gründlichsten beschäftigt hat. ent¬
halten am meisten eigenhändige Arbeiten Raffaels; von den andern, denen man
erst neuerdings mit eindringlicher Sorgfalt nachgegangen ist, werden die meisten
als Arbeiten seiner Schüler angesehen und viele sogar als nachträgliche Kopien
der ausgeführten Werke ausgeschieden (Dollmayr). Diese Fragen sind von
großer Bedeutung für das Werk Raffaels, und bei der Unsicherheit, die da¬
durch einstweilen an einer Stelle, wo man früher die sichersten Fundamente
sub. Platzgegriffen hat, ist die verständnisvolle Arbeit Koopmanns ein will-
kommnes Hilfsmittel zu jeder ernstern Beschäftigung, vor allem für die Forscher.

Koopmann hat eine hohe Vorstellung von der selbständigen Kraft Raffaels.
Er kann sich ebenso wenig wie Morelli davon überzeugen, daß das oben er¬
wähnte Venezianische Skizzenbuch auf ihn zurückgehen soll. er spricht sich auch
gegen manche in neuerer Zeit angenommnen, rein äußerlichen Entlehnungen
Raffaels aus Werken des Quattrocento aus und meint, gerade das ernstliche
Studium seiner Handzeichnungen müsse den Blick sicher machen gegen solche
unzulässigen Vorurteile und vermeintlichen Entdeckungen. Auch den Kunstsinn
des weitern gebildeten Publikums und den reinen Geschmack in der Kunst selbst
müsse solches Studium befördern. Wir fürchten in dieser Hinsicht, daß unser
schnell lebendes Geschlecht sich kaum die Zeit lassen wird, den etwas müh¬
samen Umweg über die Handzeichnungen Raffaels „in der Auffassung von
W. Koopmann" einzuschlagen, und hätten in Anbetracht dessen eine viel
knappere Fassung der Bemerkungen zu den einzelnen Nummern wünschen
mögen. Dies ist aber die einzige Ausstellung, die wir machen, und die wir
auch mit Rücksicht auf die das Werk benutzenden Fachmänner nicht für über-
flüssig halten. Sonst halten wir das Buch in seiner Anordnung sowohl wie
w der Sorgfalt der Ausarbeitung für durchaus lobenswert.

Bruckmanns Klassischer Skulpturenschatz, dessen erste Hefte schon in
den Grenzboten besprochen worden sind, soll, nachdem der erste Jahrgang nun
vollendet vorliegt, noch einmal nachdrücklich mit dem Hinweis darauf empfohlen
werden, wieviel dieser eine Jahrgang allein für die italienische Renaissancekunst
schon gebracht hat. Die drei Pisaner (Niccolo, Giovanni. Andrea), Brunellesco,
Ghiberti. Donatello und Verrocchio sind schon durch ihre Hauptwerke auf
vielen Tafeln vertreten, und mit A. Pollnjuolo. Luca della Nvbbia und
Michelangelo (warum schreiben die Herausgeber beständig Buonarotti?) ist
der Anfang gemacht worden. Sämtliche Abbildungen sind gleich vorzüglich.
Der deutsche Kunstverlag hat ein Anschauungswerk geschaffen, dem keine andre
Nation etwas an Güte und Wohlfeilheit gleich empfehlenswertes an die Seite
SU stellen hat.

Auch von Burckhardts Cicerone ist nun endlich die siebente Auflage
^schienen, „unter Mitwirkung von C. von Fabriczy und andern Fachgenossen
bearbeitet von Wilhelm Vota" (Leipzig. Seemann). Das Altertum bildet


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[0047] Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung Mit denen sich bis jetzt die Forschung am gründlichsten beschäftigt hat. ent¬ halten am meisten eigenhändige Arbeiten Raffaels; von den andern, denen man erst neuerdings mit eindringlicher Sorgfalt nachgegangen ist, werden die meisten als Arbeiten seiner Schüler angesehen und viele sogar als nachträgliche Kopien der ausgeführten Werke ausgeschieden (Dollmayr). Diese Fragen sind von großer Bedeutung für das Werk Raffaels, und bei der Unsicherheit, die da¬ durch einstweilen an einer Stelle, wo man früher die sichersten Fundamente sub. Platzgegriffen hat, ist die verständnisvolle Arbeit Koopmanns ein will- kommnes Hilfsmittel zu jeder ernstern Beschäftigung, vor allem für die Forscher. Koopmann hat eine hohe Vorstellung von der selbständigen Kraft Raffaels. Er kann sich ebenso wenig wie Morelli davon überzeugen, daß das oben er¬ wähnte Venezianische Skizzenbuch auf ihn zurückgehen soll. er spricht sich auch gegen manche in neuerer Zeit angenommnen, rein äußerlichen Entlehnungen Raffaels aus Werken des Quattrocento aus und meint, gerade das ernstliche Studium seiner Handzeichnungen müsse den Blick sicher machen gegen solche unzulässigen Vorurteile und vermeintlichen Entdeckungen. Auch den Kunstsinn des weitern gebildeten Publikums und den reinen Geschmack in der Kunst selbst müsse solches Studium befördern. Wir fürchten in dieser Hinsicht, daß unser schnell lebendes Geschlecht sich kaum die Zeit lassen wird, den etwas müh¬ samen Umweg über die Handzeichnungen Raffaels „in der Auffassung von W. Koopmann" einzuschlagen, und hätten in Anbetracht dessen eine viel knappere Fassung der Bemerkungen zu den einzelnen Nummern wünschen mögen. Dies ist aber die einzige Ausstellung, die wir machen, und die wir auch mit Rücksicht auf die das Werk benutzenden Fachmänner nicht für über- flüssig halten. Sonst halten wir das Buch in seiner Anordnung sowohl wie w der Sorgfalt der Ausarbeitung für durchaus lobenswert. Bruckmanns Klassischer Skulpturenschatz, dessen erste Hefte schon in den Grenzboten besprochen worden sind, soll, nachdem der erste Jahrgang nun vollendet vorliegt, noch einmal nachdrücklich mit dem Hinweis darauf empfohlen werden, wieviel dieser eine Jahrgang allein für die italienische Renaissancekunst schon gebracht hat. Die drei Pisaner (Niccolo, Giovanni. Andrea), Brunellesco, Ghiberti. Donatello und Verrocchio sind schon durch ihre Hauptwerke auf vielen Tafeln vertreten, und mit A. Pollnjuolo. Luca della Nvbbia und Michelangelo (warum schreiben die Herausgeber beständig Buonarotti?) ist der Anfang gemacht worden. Sämtliche Abbildungen sind gleich vorzüglich. Der deutsche Kunstverlag hat ein Anschauungswerk geschaffen, dem keine andre Nation etwas an Güte und Wohlfeilheit gleich empfehlenswertes an die Seite SU stellen hat. Auch von Burckhardts Cicerone ist nun endlich die siebente Auflage ^schienen, „unter Mitwirkung von C. von Fabriczy und andern Fachgenossen bearbeitet von Wilhelm Vota" (Leipzig. Seemann). Das Altertum bildet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/47>, abgerufen am 23.07.2024.