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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

einen Band für sich, den zweiten die nachantike Skulptur und Architektur (in
dieser Reihenfolge aus technischen Gründen), den dritten die Malerei. Kleine
und große Zusätze zum Teil mit Rücksicht auf neue Entdeckungen finden sich
in kaum übersehbarer Menge, der Umfang ist bei knappster Fassung und sorg¬
fältiger Ausnutzung des Raums nicht unbedeutend gewachsen, und das Ganze
ist ein wirkliches kleines Denkmal deutschen Fleißes und deutscher Gründlich¬
keit. Es ist schon oft von Seiten der Freunde Burckhardts der Wunsch laut
geworden, man hätte, da der ursprüngliche Burckhardt aus diesen neuen Auf¬
lagen immer mehr verschwände, einfach zu einem Neudruck der ersten Auflage
zurückkehren sollen. Aber dafür würde kein Verleger zu haben gewesen sein,
da der Cicerone nun einmal als Hand- und Reisebuch gedacht und nur durch
fortwährende Erneuerung lebensfähig zu erhalten war. Auch die Klammern,
die früher die Zusätze kenntlich machten, konnten bei der zunehmenden Umge¬
staltung nicht beibehalten werden. Aber der alte Burckhardt ist in dieser neuen
Auflage vielfach wieder hergestellt worden, und für die wenigen, die noch
weiter auf ihn zurückgehen möchten, wird es ja nicht schwer sein, sich noch
ein Exemplar der ersten oder der zweiten Auflage zu verschaffen.

Kein Buch ist fehlerlos, und auch zu diesem ließe sich noch mancherlei
kleine Nachlese halten. So z. V. erkennt man Seite 586 nicht, wem die
Herausgeber das Leben der Einsiedler der Thebais im Camposcinto zugeschrieben
wissen wollen, wenn sie Pietro Lorenzetti verwerfen, und es war ganz über¬
flüssig, zu den Weltgerichtsbildern Seite 594 als Urheber den obskuren Fran¬
cesco Traini zu nennen nach einer neuesten italienischen Arbeit über den
Camposcinto. Es ist ferner gelegentlich der Schule von Athen von Nasfael
Seite 780 nicht richtig gesagt, daß Papst Julius II. nach einem Briefe vom
16. August 1511 den jungen Prinzen Federigo von Mantua "in diesem Ge¬
mach," d. h. in der Stanza della segnatura porträtirt zu sehen gewünscht
hätte. Vielmehr heißt es in dem Briefe, es solle geschehen "in dem Gemach,
wo der Papst selbst in natürlicher Größe gemalt sei," was uns also auch die
Wahl der zweiten Stanze (Heliodor) frei läßt. Aber solche und ähnliche Aus¬
stellungen bedeuten nichts gegenüber der gar nicht in Worten auszudrückenden
Arbeit nicht nur der Herausgeber, sondern auch des Verlags, die in diesen in
seiner Art einzigen kleinen Bänden niedergelegt ist. Hoffentlich werden das
auch unsre Schweizer Freunde erkennen und mit uns den gelehrten Heraus¬
gebern und dem verständnisvollen Verleger dafür dankbar sein.




Italienische Kunst in deutscher Bearbeitung

einen Band für sich, den zweiten die nachantike Skulptur und Architektur (in
dieser Reihenfolge aus technischen Gründen), den dritten die Malerei. Kleine
und große Zusätze zum Teil mit Rücksicht auf neue Entdeckungen finden sich
in kaum übersehbarer Menge, der Umfang ist bei knappster Fassung und sorg¬
fältiger Ausnutzung des Raums nicht unbedeutend gewachsen, und das Ganze
ist ein wirkliches kleines Denkmal deutschen Fleißes und deutscher Gründlich¬
keit. Es ist schon oft von Seiten der Freunde Burckhardts der Wunsch laut
geworden, man hätte, da der ursprüngliche Burckhardt aus diesen neuen Auf¬
lagen immer mehr verschwände, einfach zu einem Neudruck der ersten Auflage
zurückkehren sollen. Aber dafür würde kein Verleger zu haben gewesen sein,
da der Cicerone nun einmal als Hand- und Reisebuch gedacht und nur durch
fortwährende Erneuerung lebensfähig zu erhalten war. Auch die Klammern,
die früher die Zusätze kenntlich machten, konnten bei der zunehmenden Umge¬
staltung nicht beibehalten werden. Aber der alte Burckhardt ist in dieser neuen
Auflage vielfach wieder hergestellt worden, und für die wenigen, die noch
weiter auf ihn zurückgehen möchten, wird es ja nicht schwer sein, sich noch
ein Exemplar der ersten oder der zweiten Auflage zu verschaffen.

Kein Buch ist fehlerlos, und auch zu diesem ließe sich noch mancherlei
kleine Nachlese halten. So z. V. erkennt man Seite 586 nicht, wem die
Herausgeber das Leben der Einsiedler der Thebais im Camposcinto zugeschrieben
wissen wollen, wenn sie Pietro Lorenzetti verwerfen, und es war ganz über¬
flüssig, zu den Weltgerichtsbildern Seite 594 als Urheber den obskuren Fran¬
cesco Traini zu nennen nach einer neuesten italienischen Arbeit über den
Camposcinto. Es ist ferner gelegentlich der Schule von Athen von Nasfael
Seite 780 nicht richtig gesagt, daß Papst Julius II. nach einem Briefe vom
16. August 1511 den jungen Prinzen Federigo von Mantua „in diesem Ge¬
mach," d. h. in der Stanza della segnatura porträtirt zu sehen gewünscht
hätte. Vielmehr heißt es in dem Briefe, es solle geschehen „in dem Gemach,
wo der Papst selbst in natürlicher Größe gemalt sei," was uns also auch die
Wahl der zweiten Stanze (Heliodor) frei läßt. Aber solche und ähnliche Aus¬
stellungen bedeuten nichts gegenüber der gar nicht in Worten auszudrückenden
Arbeit nicht nur der Herausgeber, sondern auch des Verlags, die in diesen in
seiner Art einzigen kleinen Bänden niedergelegt ist. Hoffentlich werden das
auch unsre Schweizer Freunde erkennen und mit uns den gelehrten Heraus¬
gebern und dem verständnisvollen Verleger dafür dankbar sein.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/48>, abgerufen am 23.07.2024.