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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Goethe als Kriegsminister

Mit entschiedner Einsicht und Arbeitskraft, mit glücklicher Hand hatte Goethe
als Chef der Kriegsverwaltung die Militärverhültnissc der Herzogtümer Weimar
und Eisenach geordnet; er hatte die Erscheinung mit dem Zweck, den Aufwand
mit den Kräften des kleinen Landes in besten Einklang gebracht. Die Lächer¬
lichkeit kleinfürstlicher prunkvoller Gardetruppen, eines im Verhältnis zur
Mannschaft zu großen Offizierkorps, schimmernder Uniformen, die Not und
den Druck, den übermäßige Aushebungen über viele kleine Länder brachten
-- Herder konnte dem Freunde von der Energie erzählen, mit der seine Bücke¬
burgische "Hoheit," der Soldatengraf Wilhelm, das winzige Schauenburger
Land wehrhaft machte --, das Mißverhältnis zwischen dem Willen und den
Mitteln, die kläglichen Gehalts- und Soldrückstände, die anderwärts an der Tages¬
ordnung waren, das alles kannte man in weimarischen Landen nicht. Andrer¬
seits genoß die wohlgeordnete kleine Truppe die gebührende Achtung, von den
Zurücksetzungen der Soldaten, die preußischen Offizieren an den Pfaffenhöfen
und in den Pfaffenstaaten des zerfallenden Reichs übel auffiel, wußte man an
der Ilm nichts.

Goethe Hütte mit voller Befriedigung auf seine Verwaltung des Kriegs-
dcpartements sehen können. Alles war wohl bedacht, zweckdienlich, der Be¬
scheidenheit der Zustände angepaßt. Nur eines war bei all dieser Ordnung
vergessen worden -- die soldatische Natur, der im Blut seines ruhmreichen
Geschlechts liegende Thatendrang des obersten Kriegsherrn. Herzog Karl
August hatte den gewissenhaften Ratschlägen seines dichterischen Freundes und
derzeitigen Kriegsministers überall zugestimmt, hatte Goethe die Bahn sür sein
ersprießliches Wirken frei gemacht. War dem Herzog anfänglich nicht zum Bewußt¬
sein gekommen, welche Selbstverleugnung er dabei zu üben hatte, oder hatte sich
der Dichter, der doch sonst recht wohl wußte, daß "der Frosch fürs Wasser
gemacht ist, wenn er auch eine Zeit auf dem Lande leben kann," darüber ge¬
täuscht, wie weit die landesväterliche Pflicht die innersten Wünsche seines
Fürsten besiegen könnte? Wenn auch ein tüchtiges Jnfanteriebataillon und
eine kleine Husarenschwadron dem Bedürfnis der Herzogtümer Weimar und
Eisenach vollauf genügten, so genügte der Befehl über die kleine Schar dem
soldatischen Wesen des jungen und thatkräftigen Herzogs nicht. Der be¬
sonnene Landesfürst mochte es in der Ordnung finden, daß sein Artillerie¬
hauptmann de Castrop hauptsächlich als Ingenieur bei der Wegbaukommission
thätig war, daß seine Husaren mit Briefen und Verordnungen der Zivil-
behörden ritten oder nach Vagabunden und Wegelagerern streiften -- aber
genügen konnte ihm das nicht. Seine Phantasie flog über dies Zweckmüßige
und Notwendige hinweg zu einem wirklichen Heere, zur Macht und Pracht
großer kriegsfähiger Truppenkörper.

Es war umsonst, daß Goethe, der mit diesem Zug im Wesen des fürst¬
lichen Freundes nicht einverstanden war, ihn zu hemmen und abzulenken suchte.


Goethe als Kriegsminister

Mit entschiedner Einsicht und Arbeitskraft, mit glücklicher Hand hatte Goethe
als Chef der Kriegsverwaltung die Militärverhültnissc der Herzogtümer Weimar
und Eisenach geordnet; er hatte die Erscheinung mit dem Zweck, den Aufwand
mit den Kräften des kleinen Landes in besten Einklang gebracht. Die Lächer¬
lichkeit kleinfürstlicher prunkvoller Gardetruppen, eines im Verhältnis zur
Mannschaft zu großen Offizierkorps, schimmernder Uniformen, die Not und
den Druck, den übermäßige Aushebungen über viele kleine Länder brachten
— Herder konnte dem Freunde von der Energie erzählen, mit der seine Bücke¬
burgische „Hoheit," der Soldatengraf Wilhelm, das winzige Schauenburger
Land wehrhaft machte —, das Mißverhältnis zwischen dem Willen und den
Mitteln, die kläglichen Gehalts- und Soldrückstände, die anderwärts an der Tages¬
ordnung waren, das alles kannte man in weimarischen Landen nicht. Andrer¬
seits genoß die wohlgeordnete kleine Truppe die gebührende Achtung, von den
Zurücksetzungen der Soldaten, die preußischen Offizieren an den Pfaffenhöfen
und in den Pfaffenstaaten des zerfallenden Reichs übel auffiel, wußte man an
der Ilm nichts.

Goethe Hütte mit voller Befriedigung auf seine Verwaltung des Kriegs-
dcpartements sehen können. Alles war wohl bedacht, zweckdienlich, der Be¬
scheidenheit der Zustände angepaßt. Nur eines war bei all dieser Ordnung
vergessen worden — die soldatische Natur, der im Blut seines ruhmreichen
Geschlechts liegende Thatendrang des obersten Kriegsherrn. Herzog Karl
August hatte den gewissenhaften Ratschlägen seines dichterischen Freundes und
derzeitigen Kriegsministers überall zugestimmt, hatte Goethe die Bahn sür sein
ersprießliches Wirken frei gemacht. War dem Herzog anfänglich nicht zum Bewußt¬
sein gekommen, welche Selbstverleugnung er dabei zu üben hatte, oder hatte sich
der Dichter, der doch sonst recht wohl wußte, daß „der Frosch fürs Wasser
gemacht ist, wenn er auch eine Zeit auf dem Lande leben kann," darüber ge¬
täuscht, wie weit die landesväterliche Pflicht die innersten Wünsche seines
Fürsten besiegen könnte? Wenn auch ein tüchtiges Jnfanteriebataillon und
eine kleine Husarenschwadron dem Bedürfnis der Herzogtümer Weimar und
Eisenach vollauf genügten, so genügte der Befehl über die kleine Schar dem
soldatischen Wesen des jungen und thatkräftigen Herzogs nicht. Der be¬
sonnene Landesfürst mochte es in der Ordnung finden, daß sein Artillerie¬
hauptmann de Castrop hauptsächlich als Ingenieur bei der Wegbaukommission
thätig war, daß seine Husaren mit Briefen und Verordnungen der Zivil-
behörden ritten oder nach Vagabunden und Wegelagerern streiften — aber
genügen konnte ihm das nicht. Seine Phantasie flog über dies Zweckmüßige
und Notwendige hinweg zu einem wirklichen Heere, zur Macht und Pracht
großer kriegsfähiger Truppenkörper.

Es war umsonst, daß Goethe, der mit diesem Zug im Wesen des fürst¬
lichen Freundes nicht einverstanden war, ihn zu hemmen und abzulenken suchte.


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[0394] Goethe als Kriegsminister Mit entschiedner Einsicht und Arbeitskraft, mit glücklicher Hand hatte Goethe als Chef der Kriegsverwaltung die Militärverhültnissc der Herzogtümer Weimar und Eisenach geordnet; er hatte die Erscheinung mit dem Zweck, den Aufwand mit den Kräften des kleinen Landes in besten Einklang gebracht. Die Lächer¬ lichkeit kleinfürstlicher prunkvoller Gardetruppen, eines im Verhältnis zur Mannschaft zu großen Offizierkorps, schimmernder Uniformen, die Not und den Druck, den übermäßige Aushebungen über viele kleine Länder brachten — Herder konnte dem Freunde von der Energie erzählen, mit der seine Bücke¬ burgische „Hoheit," der Soldatengraf Wilhelm, das winzige Schauenburger Land wehrhaft machte —, das Mißverhältnis zwischen dem Willen und den Mitteln, die kläglichen Gehalts- und Soldrückstände, die anderwärts an der Tages¬ ordnung waren, das alles kannte man in weimarischen Landen nicht. Andrer¬ seits genoß die wohlgeordnete kleine Truppe die gebührende Achtung, von den Zurücksetzungen der Soldaten, die preußischen Offizieren an den Pfaffenhöfen und in den Pfaffenstaaten des zerfallenden Reichs übel auffiel, wußte man an der Ilm nichts. Goethe Hütte mit voller Befriedigung auf seine Verwaltung des Kriegs- dcpartements sehen können. Alles war wohl bedacht, zweckdienlich, der Be¬ scheidenheit der Zustände angepaßt. Nur eines war bei all dieser Ordnung vergessen worden — die soldatische Natur, der im Blut seines ruhmreichen Geschlechts liegende Thatendrang des obersten Kriegsherrn. Herzog Karl August hatte den gewissenhaften Ratschlägen seines dichterischen Freundes und derzeitigen Kriegsministers überall zugestimmt, hatte Goethe die Bahn sür sein ersprießliches Wirken frei gemacht. War dem Herzog anfänglich nicht zum Bewußt¬ sein gekommen, welche Selbstverleugnung er dabei zu üben hatte, oder hatte sich der Dichter, der doch sonst recht wohl wußte, daß „der Frosch fürs Wasser gemacht ist, wenn er auch eine Zeit auf dem Lande leben kann," darüber ge¬ täuscht, wie weit die landesväterliche Pflicht die innersten Wünsche seines Fürsten besiegen könnte? Wenn auch ein tüchtiges Jnfanteriebataillon und eine kleine Husarenschwadron dem Bedürfnis der Herzogtümer Weimar und Eisenach vollauf genügten, so genügte der Befehl über die kleine Schar dem soldatischen Wesen des jungen und thatkräftigen Herzogs nicht. Der be¬ sonnene Landesfürst mochte es in der Ordnung finden, daß sein Artillerie¬ hauptmann de Castrop hauptsächlich als Ingenieur bei der Wegbaukommission thätig war, daß seine Husaren mit Briefen und Verordnungen der Zivil- behörden ritten oder nach Vagabunden und Wegelagerern streiften — aber genügen konnte ihm das nicht. Seine Phantasie flog über dies Zweckmüßige und Notwendige hinweg zu einem wirklichen Heere, zur Macht und Pracht großer kriegsfähiger Truppenkörper. Es war umsonst, daß Goethe, der mit diesem Zug im Wesen des fürst¬ lichen Freundes nicht einverstanden war, ihn zu hemmen und abzulenken suchte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/394>, abgerufen am 23.07.2024.