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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die hannoverschen Nationalliberalen

daß es, wie andre Staaten auch, die Kraft Chinas überschätzt hat, die es für
hinreichend hielt, Japan und dem russischen Druck widerstehen zu können.
China hat sich als so schwach erwiesen, daß es auch mit englischer Stütze
nicht fest auf den Beinen zu stehen vermag, und da hat England das Stützen
denn aufgegeben. So jetzt in Peking, wie vorher in Konstantinopel. Denn
trotz aller Versicherungen des Herrn Chamberlain liegt die Unterstützung des
Pekinger Hofes mehr in der Sorge Rußlands als Englands. Wiederum wie
in Konstantinopel, und zwar in beiden Fällen deshalb, weil beide Höfe mehr
dem Druck russischer Truppen als englischer Schiffe ausgesetzt sind. So bleibt
England auf Japan als Sturmbock angewiesen. Verwickelter würde die Sache
werden, falls sich etwa die Vereinigten Staaten von Nordamerika nach einem
sieghaften Kriege gegen Spanien in diese ostasiatischen Händel mischten. Doch
ist das eben noch eine bloße Möglichkeit, mit der wir vor der Hand nicht zu
rechnen brauchen. Es ist ungewiß, wie schnell Nußland die großen Schwierig¬
keiten wird überwinden können, die sich seinem Vahnbau jenseits des Baikalsees
entgegenstellen; vielleicht braucht es dazu vier, vielleicht auch mehr Jahre.
Innerhalb dieser Frist wird sich entscheiden müssen, ob Japan sich stark genug
sühlt, zum Angriff überzugehen, und ob England sich stark genug fühlt, sich
dem neuen Dschingiskhan Europas auf seinem Eroberungszuge gegen ganz
Asien entgegen zu werfen. Für uns Deutsche ist die Zeit hoffentlich fern, wo
uns vielleicht diese Händel zur Einmischung nötigen werden. Wenn aber
einmal Asien in Einflußsphären geteilt werden soll, so werden wir zusehen
müssen, daß wir nicht von schwächern Staaten überholt werden.


L, von der B rüg gen


Die hannoverschen Nationalliberalen
(Schluß)
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le in ganz Deutschland, so sind auch in Hannover die Reichs¬
tagswahlen im großen und ganzen das Spiegelbild für die
augenblickliche politische Volksstimmung. Sie sind eine Art
Barometer, an dem die politischen Parteien erkennen können,
wie ihre Haltung und ihre Bestrebungen in den breiten Volks¬
schichten beurteilt werden, und inwieweit sie auf diese eingewirkt haben. DasMlM


zutreiben, wie es vor hundert Jahren und seit hundert Jahren geschehen ist. Diese hochmütige
Politik haben nicht nur wir in allen unsern kolonialen Unternehmungen empfunden, sondern
andre auch. England wird es schwer finden, einen Bundesgenossen von Bedeutung aufzutreiben,
solange es wie bisher eine Weltmacht für sich im Gegensatz gegen Europa sein will. Und so
lange es allein steht, ist der russisch-englische Krieg nicht wahrscheinlich, trotz der allerdings sehr
weit um sich greifenden Machtansprüche Rußlands in Asien.
Die hannoverschen Nationalliberalen

daß es, wie andre Staaten auch, die Kraft Chinas überschätzt hat, die es für
hinreichend hielt, Japan und dem russischen Druck widerstehen zu können.
China hat sich als so schwach erwiesen, daß es auch mit englischer Stütze
nicht fest auf den Beinen zu stehen vermag, und da hat England das Stützen
denn aufgegeben. So jetzt in Peking, wie vorher in Konstantinopel. Denn
trotz aller Versicherungen des Herrn Chamberlain liegt die Unterstützung des
Pekinger Hofes mehr in der Sorge Rußlands als Englands. Wiederum wie
in Konstantinopel, und zwar in beiden Fällen deshalb, weil beide Höfe mehr
dem Druck russischer Truppen als englischer Schiffe ausgesetzt sind. So bleibt
England auf Japan als Sturmbock angewiesen. Verwickelter würde die Sache
werden, falls sich etwa die Vereinigten Staaten von Nordamerika nach einem
sieghaften Kriege gegen Spanien in diese ostasiatischen Händel mischten. Doch
ist das eben noch eine bloße Möglichkeit, mit der wir vor der Hand nicht zu
rechnen brauchen. Es ist ungewiß, wie schnell Nußland die großen Schwierig¬
keiten wird überwinden können, die sich seinem Vahnbau jenseits des Baikalsees
entgegenstellen; vielleicht braucht es dazu vier, vielleicht auch mehr Jahre.
Innerhalb dieser Frist wird sich entscheiden müssen, ob Japan sich stark genug
sühlt, zum Angriff überzugehen, und ob England sich stark genug fühlt, sich
dem neuen Dschingiskhan Europas auf seinem Eroberungszuge gegen ganz
Asien entgegen zu werfen. Für uns Deutsche ist die Zeit hoffentlich fern, wo
uns vielleicht diese Händel zur Einmischung nötigen werden. Wenn aber
einmal Asien in Einflußsphären geteilt werden soll, so werden wir zusehen
müssen, daß wir nicht von schwächern Staaten überholt werden.


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Die hannoverschen Nationalliberalen
(Schluß)
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le in ganz Deutschland, so sind auch in Hannover die Reichs¬
tagswahlen im großen und ganzen das Spiegelbild für die
augenblickliche politische Volksstimmung. Sie sind eine Art
Barometer, an dem die politischen Parteien erkennen können,
wie ihre Haltung und ihre Bestrebungen in den breiten Volks¬
schichten beurteilt werden, und inwieweit sie auf diese eingewirkt haben. DasMlM


zutreiben, wie es vor hundert Jahren und seit hundert Jahren geschehen ist. Diese hochmütige
Politik haben nicht nur wir in allen unsern kolonialen Unternehmungen empfunden, sondern
andre auch. England wird es schwer finden, einen Bundesgenossen von Bedeutung aufzutreiben,
solange es wie bisher eine Weltmacht für sich im Gegensatz gegen Europa sein will. Und so
lange es allein steht, ist der russisch-englische Krieg nicht wahrscheinlich, trotz der allerdings sehr
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[0373] Die hannoverschen Nationalliberalen daß es, wie andre Staaten auch, die Kraft Chinas überschätzt hat, die es für hinreichend hielt, Japan und dem russischen Druck widerstehen zu können. China hat sich als so schwach erwiesen, daß es auch mit englischer Stütze nicht fest auf den Beinen zu stehen vermag, und da hat England das Stützen denn aufgegeben. So jetzt in Peking, wie vorher in Konstantinopel. Denn trotz aller Versicherungen des Herrn Chamberlain liegt die Unterstützung des Pekinger Hofes mehr in der Sorge Rußlands als Englands. Wiederum wie in Konstantinopel, und zwar in beiden Fällen deshalb, weil beide Höfe mehr dem Druck russischer Truppen als englischer Schiffe ausgesetzt sind. So bleibt England auf Japan als Sturmbock angewiesen. Verwickelter würde die Sache werden, falls sich etwa die Vereinigten Staaten von Nordamerika nach einem sieghaften Kriege gegen Spanien in diese ostasiatischen Händel mischten. Doch ist das eben noch eine bloße Möglichkeit, mit der wir vor der Hand nicht zu rechnen brauchen. Es ist ungewiß, wie schnell Nußland die großen Schwierig¬ keiten wird überwinden können, die sich seinem Vahnbau jenseits des Baikalsees entgegenstellen; vielleicht braucht es dazu vier, vielleicht auch mehr Jahre. Innerhalb dieser Frist wird sich entscheiden müssen, ob Japan sich stark genug sühlt, zum Angriff überzugehen, und ob England sich stark genug fühlt, sich dem neuen Dschingiskhan Europas auf seinem Eroberungszuge gegen ganz Asien entgegen zu werfen. Für uns Deutsche ist die Zeit hoffentlich fern, wo uns vielleicht diese Händel zur Einmischung nötigen werden. Wenn aber einmal Asien in Einflußsphären geteilt werden soll, so werden wir zusehen müssen, daß wir nicht von schwächern Staaten überholt werden. L, von der B rüg gen Die hannoverschen Nationalliberalen (Schluß) 2 le in ganz Deutschland, so sind auch in Hannover die Reichs¬ tagswahlen im großen und ganzen das Spiegelbild für die augenblickliche politische Volksstimmung. Sie sind eine Art Barometer, an dem die politischen Parteien erkennen können, wie ihre Haltung und ihre Bestrebungen in den breiten Volks¬ schichten beurteilt werden, und inwieweit sie auf diese eingewirkt haben. DasMlM zutreiben, wie es vor hundert Jahren und seit hundert Jahren geschehen ist. Diese hochmütige Politik haben nicht nur wir in allen unsern kolonialen Unternehmungen empfunden, sondern andre auch. England wird es schwer finden, einen Bundesgenossen von Bedeutung aufzutreiben, solange es wie bisher eine Weltmacht für sich im Gegensatz gegen Europa sein will. Und so lange es allein steht, ist der russisch-englische Krieg nicht wahrscheinlich, trotz der allerdings sehr weit um sich greifenden Machtansprüche Rußlands in Asien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/373>, abgerufen am 23.07.2024.