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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Goethe als Kriegsminister

in mich zurückgezogen. Es ist ein wunderbar Ding ums Regiment dieser
Welt, so einen politisch-moralischen Grindkopf nur halbe Wege zu säubern und
in Ordnung zu halten," und wenn er schon früher als Summe seiner Eindrücke
vom hergebrachten Jammer an Herder Weimar, 10. Juli 1776) gemeldet hatte:
"Da hat der Gotteskasten kein Geld, da sollen die alten Fenster bleiben, da
ist der ein Schlingel und jener ein Maz. Und so gehts durch," so waren
das Zeugnisse einer Grundstimmung, in der er, unentmutigt und niemals
wankend, sich schon nach drei Jahren eingestehen mußte: "Das Elend wird
mir nach und nach so prosaisch wie ein Kaminfeuer. Aber ich lasse doch nicht
ab von meinen Gedanken und ringe mit dem unerkannten Engel, sollt ich mir
die Hüfte ausrenken. Es weiß kein Mensch, was ich thue und mit wieviel
Feinden ich kämpfe, um das wenige hervorzubringen. Bei meinem Streben
und Streiten und Bemühen bitt ich euch nicht zu lachen, zuschauende Götter.
Allenfalls lächeln mögt ihr und mir beistehen."

Goethes Kriegsministerschaft ist ein Beispiel von den vorstehend angedeuteten
Erfahrungen und Stimmungen, wie von dem Ernst und der Treue, womit
der Dichter sich allen seinen politischen Geschäften hingab und sich selbst ver¬
leugnete. Es entzieht sich genauerer Kenntnis, in welchem Zusammenhange
und unter welchen Einflüssen Herzog Karl August zu dem Entschluß kam, dem
Mann seines Vertrauens, der Goethe nun einmal und mit vollem Rechte war,
neben andern wichtigen Aufträgen auch die Oberleitung der militärischen An¬
gelegenheiten seines kleinen Staates zu übertragen. Es ist leicht möglich, daß
dieser Entschluß mit der vorübergehenden kriegerischen Stimmung zusammen¬
hing, die den Herzog im Frühjahr 1778 beim Ausbruch des bayrischen Erb¬
folgekriegs ergriff und ihn in Begleitung Goethes nach Berlin führte. Der
Herzog hatte offenbar gehofft, ein willkommner Bundesgenosse zu sein und
in dem bevorstehenden Kampfe alte Ansprüche seines Hauses geltend machen
zu können. In Berlin aber, wo man fand, daß die Zwecke, die man
vor Augen hatte, "zu einem Kampfe auf Leben und Tod ohnehin nicht an¬
gethan waren" (Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund), hütete
man sich wohl, Verpflichtungen gegen kleine Mithelfer einzugehen, die die
schon überlegne preußische Macht nicht wesentlich verstärken konnten.

Damals war es, wo Goethe im Mitgefühl für die Enttäuschung seines
fürstlichen Freundes gegen Charlotte von Stein (Berlin, 18. Mai 1778) in
den Zornesruf ausbrach: "Soviel kann ich sagen, je größer die Welt, desto
garstiger wird die Farce, und ich schwöre, keine Zote und Eselei der Hans-
wnrstiaden ist so ekelhaft als das Wesen der Großen, Mittlern und Kleinen
durch einander. -- Den Wert, den wieder dieses Abenteuer für mich, für uns
alle hat, nenne ich nicht mit Namen. -- Ich bete die Götter an und fühle in
mir doch Mut genug, ihnen ewigen Haß zu schwören, wenn sie sich gegen uns
betragen wollen wie ihr Bild, die Menschen." Für Goethe lag in dem Ber¬
liner Abenteuer lediglich eine Bestärkung des frühgehegten Wunsches, daß sein


Goethe als Kriegsminister

in mich zurückgezogen. Es ist ein wunderbar Ding ums Regiment dieser
Welt, so einen politisch-moralischen Grindkopf nur halbe Wege zu säubern und
in Ordnung zu halten," und wenn er schon früher als Summe seiner Eindrücke
vom hergebrachten Jammer an Herder Weimar, 10. Juli 1776) gemeldet hatte:
„Da hat der Gotteskasten kein Geld, da sollen die alten Fenster bleiben, da
ist der ein Schlingel und jener ein Maz. Und so gehts durch," so waren
das Zeugnisse einer Grundstimmung, in der er, unentmutigt und niemals
wankend, sich schon nach drei Jahren eingestehen mußte: „Das Elend wird
mir nach und nach so prosaisch wie ein Kaminfeuer. Aber ich lasse doch nicht
ab von meinen Gedanken und ringe mit dem unerkannten Engel, sollt ich mir
die Hüfte ausrenken. Es weiß kein Mensch, was ich thue und mit wieviel
Feinden ich kämpfe, um das wenige hervorzubringen. Bei meinem Streben
und Streiten und Bemühen bitt ich euch nicht zu lachen, zuschauende Götter.
Allenfalls lächeln mögt ihr und mir beistehen."

Goethes Kriegsministerschaft ist ein Beispiel von den vorstehend angedeuteten
Erfahrungen und Stimmungen, wie von dem Ernst und der Treue, womit
der Dichter sich allen seinen politischen Geschäften hingab und sich selbst ver¬
leugnete. Es entzieht sich genauerer Kenntnis, in welchem Zusammenhange
und unter welchen Einflüssen Herzog Karl August zu dem Entschluß kam, dem
Mann seines Vertrauens, der Goethe nun einmal und mit vollem Rechte war,
neben andern wichtigen Aufträgen auch die Oberleitung der militärischen An¬
gelegenheiten seines kleinen Staates zu übertragen. Es ist leicht möglich, daß
dieser Entschluß mit der vorübergehenden kriegerischen Stimmung zusammen¬
hing, die den Herzog im Frühjahr 1778 beim Ausbruch des bayrischen Erb¬
folgekriegs ergriff und ihn in Begleitung Goethes nach Berlin führte. Der
Herzog hatte offenbar gehofft, ein willkommner Bundesgenosse zu sein und
in dem bevorstehenden Kampfe alte Ansprüche seines Hauses geltend machen
zu können. In Berlin aber, wo man fand, daß die Zwecke, die man
vor Augen hatte, „zu einem Kampfe auf Leben und Tod ohnehin nicht an¬
gethan waren" (Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund), hütete
man sich wohl, Verpflichtungen gegen kleine Mithelfer einzugehen, die die
schon überlegne preußische Macht nicht wesentlich verstärken konnten.

Damals war es, wo Goethe im Mitgefühl für die Enttäuschung seines
fürstlichen Freundes gegen Charlotte von Stein (Berlin, 18. Mai 1778) in
den Zornesruf ausbrach: „Soviel kann ich sagen, je größer die Welt, desto
garstiger wird die Farce, und ich schwöre, keine Zote und Eselei der Hans-
wnrstiaden ist so ekelhaft als das Wesen der Großen, Mittlern und Kleinen
durch einander. — Den Wert, den wieder dieses Abenteuer für mich, für uns
alle hat, nenne ich nicht mit Namen. — Ich bete die Götter an und fühle in
mir doch Mut genug, ihnen ewigen Haß zu schwören, wenn sie sich gegen uns
betragen wollen wie ihr Bild, die Menschen." Für Goethe lag in dem Ber¬
liner Abenteuer lediglich eine Bestärkung des frühgehegten Wunsches, daß sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/344>, abgerufen am 26.08.2024.