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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Goethe als Ariegsmmister

Fürst, aller Wirkung nach außen soviel wie möglich entsagend, sein Land mit
all der Sorgfalt und der unermüdlichen Treue im kleinen verwalte, die der
Dichter, trotz des besten Willens des Herzogs, in dem öffentlichen Wesen der
Herzogtümer vielfach noch vermißte. Karl August aber sah, seiner Natur und
seinen innersten Wünschen nach, in dem Erlebten einen Stachel, sein Augenmerk
schärfer als bisher auf die militärischen Verhältnisse seines Landes zu richten
und Reformen, die auf andern Gebieten längst in Angriff genommen waren,
nun auch auf das kleine Truppenkorps zu übertragen, das, als Attribut der
vollen Souveränität unentbehrlich, in den Jahren zwischen 1775 und 1778
der Hauptsache nach in dem Zustande geblieben war, worin es die Herzogin
Anna Amalia ihrem Sohne übergeben hatte.

Wie sich dieselben Zustände und Mißstände, die Widersprüche zwischen
dem gesteigerten und übertriebnen fürstlichen Selbst- und Machtgefühl des
achtzehnten Jahrhunderts und den Kräften der kleinen Gebiete überall gezeigt
hatten, so waren sie in der ersten Hülste des achtzehnten Jahrhunderts auch
im Herzogtum Weimar sichtbar und fühlbar geworden. Neben der prunkhaften
Hofhaltung sollte eine stattliche Soldateska den Unterschied zwischen großen
und kleinen Herrschern vergessen machen. Da selbst der rücksichtsloseste Druck
auf die Unterthanen nicht die Aushebung und den Unterhalt zahlreicher
Truppen ermöglichte, so half man sich mit Werbung und Vermietung in fremde
Kriegsdienste. Lange bevor "die Husarenhändler von Hessen und Ansbach,"
wie sie Macaulay nennt, an den Pranger der empörten öffentlichen Meinung
gestellt wurden, war das Truppenvermieten durch die Kleiustaatfürsten Mode ge¬
worden und namentlich durch den spanischen Erbfolgekrieg gefördert worden. Auch
das Fürstentum Weimar hatte 1702, mit Gotha und Eisenach zusammen, zwei
Regimenter gestellt, die unter Prinz Eugen in Italien fochten. Den höchsten,
unsäglich unnatürlichen Aufschwung nahm das weimarische Soldatenwesen erst
unter dem trotzig-eigenwilligen und durch eine lange, machtlose Mitregentschaft
verbitterten Herzog Ernst August, dessen Alleinregierung (von 1728 bis 1748)
das wunderbarste Bild kleinfürstlichen Machtdünkels bei thatsächlicher Ohnmacht
zeigt, ein Bild unruhiger Geschäftigkeit bei thatsächlicher Vernachlässigung der
Landesverwaltung, leidenschaftlicher Vergnügungssucht nud Glanzentfaltung bei
thatsächlich trübseligen und verdrießlichen Hans- und Hofverhältnissen.

Der militärische Ehrgeiz veranlaßte den Herzog, im Jahre 1732 gegen
den Titel eines kaiserlichen Generals der Kavallerie und eine Beihilfe von
jährlich 50000 Thalern die Verpflichtung einzugehen, für Kaiser Karl VI. ein
Regiment zu Fuß und ein Regiment Kürassiere zu unterhalten, die in der
Kriegsstärke von 3000 Mann zu Fuß und 1000 Reitern in den Jahren 1733
bis 1735 im sogenannten polnischen Erbfolgekrieg am Rhein und in Italien
fochten. Derweil verstärkte der Herzog daheim seine Garden, errichtete mehrere
Kompagnien Artillerie, ließ Schanzen aufwerfen (die sogenannte Falkenschanze


Grenzboten II 1898 4I
Goethe als Ariegsmmister

Fürst, aller Wirkung nach außen soviel wie möglich entsagend, sein Land mit
all der Sorgfalt und der unermüdlichen Treue im kleinen verwalte, die der
Dichter, trotz des besten Willens des Herzogs, in dem öffentlichen Wesen der
Herzogtümer vielfach noch vermißte. Karl August aber sah, seiner Natur und
seinen innersten Wünschen nach, in dem Erlebten einen Stachel, sein Augenmerk
schärfer als bisher auf die militärischen Verhältnisse seines Landes zu richten
und Reformen, die auf andern Gebieten längst in Angriff genommen waren,
nun auch auf das kleine Truppenkorps zu übertragen, das, als Attribut der
vollen Souveränität unentbehrlich, in den Jahren zwischen 1775 und 1778
der Hauptsache nach in dem Zustande geblieben war, worin es die Herzogin
Anna Amalia ihrem Sohne übergeben hatte.

Wie sich dieselben Zustände und Mißstände, die Widersprüche zwischen
dem gesteigerten und übertriebnen fürstlichen Selbst- und Machtgefühl des
achtzehnten Jahrhunderts und den Kräften der kleinen Gebiete überall gezeigt
hatten, so waren sie in der ersten Hülste des achtzehnten Jahrhunderts auch
im Herzogtum Weimar sichtbar und fühlbar geworden. Neben der prunkhaften
Hofhaltung sollte eine stattliche Soldateska den Unterschied zwischen großen
und kleinen Herrschern vergessen machen. Da selbst der rücksichtsloseste Druck
auf die Unterthanen nicht die Aushebung und den Unterhalt zahlreicher
Truppen ermöglichte, so half man sich mit Werbung und Vermietung in fremde
Kriegsdienste. Lange bevor „die Husarenhändler von Hessen und Ansbach,"
wie sie Macaulay nennt, an den Pranger der empörten öffentlichen Meinung
gestellt wurden, war das Truppenvermieten durch die Kleiustaatfürsten Mode ge¬
worden und namentlich durch den spanischen Erbfolgekrieg gefördert worden. Auch
das Fürstentum Weimar hatte 1702, mit Gotha und Eisenach zusammen, zwei
Regimenter gestellt, die unter Prinz Eugen in Italien fochten. Den höchsten,
unsäglich unnatürlichen Aufschwung nahm das weimarische Soldatenwesen erst
unter dem trotzig-eigenwilligen und durch eine lange, machtlose Mitregentschaft
verbitterten Herzog Ernst August, dessen Alleinregierung (von 1728 bis 1748)
das wunderbarste Bild kleinfürstlichen Machtdünkels bei thatsächlicher Ohnmacht
zeigt, ein Bild unruhiger Geschäftigkeit bei thatsächlicher Vernachlässigung der
Landesverwaltung, leidenschaftlicher Vergnügungssucht nud Glanzentfaltung bei
thatsächlich trübseligen und verdrießlichen Hans- und Hofverhältnissen.

Der militärische Ehrgeiz veranlaßte den Herzog, im Jahre 1732 gegen
den Titel eines kaiserlichen Generals der Kavallerie und eine Beihilfe von
jährlich 50000 Thalern die Verpflichtung einzugehen, für Kaiser Karl VI. ein
Regiment zu Fuß und ein Regiment Kürassiere zu unterhalten, die in der
Kriegsstärke von 3000 Mann zu Fuß und 1000 Reitern in den Jahren 1733
bis 1735 im sogenannten polnischen Erbfolgekrieg am Rhein und in Italien
fochten. Derweil verstärkte der Herzog daheim seine Garden, errichtete mehrere
Kompagnien Artillerie, ließ Schanzen aufwerfen (die sogenannte Falkenschanze


Grenzboten II 1898 4I
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[0345] Goethe als Ariegsmmister Fürst, aller Wirkung nach außen soviel wie möglich entsagend, sein Land mit all der Sorgfalt und der unermüdlichen Treue im kleinen verwalte, die der Dichter, trotz des besten Willens des Herzogs, in dem öffentlichen Wesen der Herzogtümer vielfach noch vermißte. Karl August aber sah, seiner Natur und seinen innersten Wünschen nach, in dem Erlebten einen Stachel, sein Augenmerk schärfer als bisher auf die militärischen Verhältnisse seines Landes zu richten und Reformen, die auf andern Gebieten längst in Angriff genommen waren, nun auch auf das kleine Truppenkorps zu übertragen, das, als Attribut der vollen Souveränität unentbehrlich, in den Jahren zwischen 1775 und 1778 der Hauptsache nach in dem Zustande geblieben war, worin es die Herzogin Anna Amalia ihrem Sohne übergeben hatte. Wie sich dieselben Zustände und Mißstände, die Widersprüche zwischen dem gesteigerten und übertriebnen fürstlichen Selbst- und Machtgefühl des achtzehnten Jahrhunderts und den Kräften der kleinen Gebiete überall gezeigt hatten, so waren sie in der ersten Hülste des achtzehnten Jahrhunderts auch im Herzogtum Weimar sichtbar und fühlbar geworden. Neben der prunkhaften Hofhaltung sollte eine stattliche Soldateska den Unterschied zwischen großen und kleinen Herrschern vergessen machen. Da selbst der rücksichtsloseste Druck auf die Unterthanen nicht die Aushebung und den Unterhalt zahlreicher Truppen ermöglichte, so half man sich mit Werbung und Vermietung in fremde Kriegsdienste. Lange bevor „die Husarenhändler von Hessen und Ansbach," wie sie Macaulay nennt, an den Pranger der empörten öffentlichen Meinung gestellt wurden, war das Truppenvermieten durch die Kleiustaatfürsten Mode ge¬ worden und namentlich durch den spanischen Erbfolgekrieg gefördert worden. Auch das Fürstentum Weimar hatte 1702, mit Gotha und Eisenach zusammen, zwei Regimenter gestellt, die unter Prinz Eugen in Italien fochten. Den höchsten, unsäglich unnatürlichen Aufschwung nahm das weimarische Soldatenwesen erst unter dem trotzig-eigenwilligen und durch eine lange, machtlose Mitregentschaft verbitterten Herzog Ernst August, dessen Alleinregierung (von 1728 bis 1748) das wunderbarste Bild kleinfürstlichen Machtdünkels bei thatsächlicher Ohnmacht zeigt, ein Bild unruhiger Geschäftigkeit bei thatsächlicher Vernachlässigung der Landesverwaltung, leidenschaftlicher Vergnügungssucht nud Glanzentfaltung bei thatsächlich trübseligen und verdrießlichen Hans- und Hofverhältnissen. Der militärische Ehrgeiz veranlaßte den Herzog, im Jahre 1732 gegen den Titel eines kaiserlichen Generals der Kavallerie und eine Beihilfe von jährlich 50000 Thalern die Verpflichtung einzugehen, für Kaiser Karl VI. ein Regiment zu Fuß und ein Regiment Kürassiere zu unterhalten, die in der Kriegsstärke von 3000 Mann zu Fuß und 1000 Reitern in den Jahren 1733 bis 1735 im sogenannten polnischen Erbfolgekrieg am Rhein und in Italien fochten. Derweil verstärkte der Herzog daheim seine Garden, errichtete mehrere Kompagnien Artillerie, ließ Schanzen aufwerfen (die sogenannte Falkenschanze Grenzboten II 1898 4I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/345>, abgerufen am 23.07.2024.