Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
General Friedrich von Gagern

Wir Sachsen gehen einer neuen Periode schwerer Bedrückungen und An¬
griffe entgegen, wie in den siebziger und achtziger Jahren. Wir haben die
Kämpfe durchgeführt, mit mancher Einbuße, aber wir haben uns doch erhalten,
erfüllt vom Bewußtsein unsers guten Rechts. Dieses Bewußtsein erfüllt und
hält uns auch jetzt.




General Friedrich von Gagern
(Schluß)

as die nationale Bewegung hauptsächlich hervorrief, war die
Furcht vor Frankreich in Südwestdeutschland, die dort, wie
auch die Ereignisse von 1867, 1870 und 1887 dargethan haben,
allein imstande ist, die landesüblichen partikularistischeu, demo¬
kratischen und ultramontanen Strömungen zu überwinden. Man
befürchtete die militärische Einmischung der Februarrepublik in die süddeutschen
Verhältnisse, in denen sich starke republikanische Neigungen geltend machten.
Die eigne Gefahr ließ selbst zeitweilig die altgewohnte Scheu vor Preußen
vergessen, und der nationale Gedanke fand offne Herzen. Zum Gegengewicht
gegen den lärmend auftretenden Republikanismus beriefen die Fürsten die
Führer der nationalen Liberalen zu Ministern, in der ersten Woche des Mürz
kam Max von Gagern im Auftrage des Herzogs von Nassau nach Darmstadt,
wo Heinrich Staatsminister geworden war, um Verhandlungen zur An¬
regung einer Bundesreform und Schaffung einer deutschen Volksvertretung
unter einem gemeinsamen Oberhaupte zu beginnen. Diese Verhandlungen sollten
in Karlsruhe. Stuttgart, München, Dresden und Berlin fortgesetzt werden.
Im Anfang ging alles vortrefflich, Baden und Württemberg schlössen sich an,
in München ging es schon langsamer, und erst die Wiener Revolution bewirkte
da den Anschluß. Die schwankende Haltung in Berlin erschütterte zwar bald
die in Süddeutschland aufgeflammten Sympathien für Preußen, doch war die
nationale, auf eine Zentralgewalt unter Preußen und auf ein deutsches Par¬
lament gerichtete Strömung noch mächtig. Die führende "Deutsche Zeitung"
in Heidelberg schwankte freilich noch immer zwischen Österreich und Preußen.
Die siebzehn Vertrauensmänner waren in Frankfurt zusammengetreten und
hatten Max von Gagern zum Vorsitzenden gewählt, in dem am 30. März er¬
öffneten sogenannten "Vorparlament" war Heinrich von Gagern der gefeiertste
Redner. Da litt es Friedrich nicht länger im Haag.


General Friedrich von Gagern

Wir Sachsen gehen einer neuen Periode schwerer Bedrückungen und An¬
griffe entgegen, wie in den siebziger und achtziger Jahren. Wir haben die
Kämpfe durchgeführt, mit mancher Einbuße, aber wir haben uns doch erhalten,
erfüllt vom Bewußtsein unsers guten Rechts. Dieses Bewußtsein erfüllt und
hält uns auch jetzt.




General Friedrich von Gagern
(Schluß)

as die nationale Bewegung hauptsächlich hervorrief, war die
Furcht vor Frankreich in Südwestdeutschland, die dort, wie
auch die Ereignisse von 1867, 1870 und 1887 dargethan haben,
allein imstande ist, die landesüblichen partikularistischeu, demo¬
kratischen und ultramontanen Strömungen zu überwinden. Man
befürchtete die militärische Einmischung der Februarrepublik in die süddeutschen
Verhältnisse, in denen sich starke republikanische Neigungen geltend machten.
Die eigne Gefahr ließ selbst zeitweilig die altgewohnte Scheu vor Preußen
vergessen, und der nationale Gedanke fand offne Herzen. Zum Gegengewicht
gegen den lärmend auftretenden Republikanismus beriefen die Fürsten die
Führer der nationalen Liberalen zu Ministern, in der ersten Woche des Mürz
kam Max von Gagern im Auftrage des Herzogs von Nassau nach Darmstadt,
wo Heinrich Staatsminister geworden war, um Verhandlungen zur An¬
regung einer Bundesreform und Schaffung einer deutschen Volksvertretung
unter einem gemeinsamen Oberhaupte zu beginnen. Diese Verhandlungen sollten
in Karlsruhe. Stuttgart, München, Dresden und Berlin fortgesetzt werden.
Im Anfang ging alles vortrefflich, Baden und Württemberg schlössen sich an,
in München ging es schon langsamer, und erst die Wiener Revolution bewirkte
da den Anschluß. Die schwankende Haltung in Berlin erschütterte zwar bald
die in Süddeutschland aufgeflammten Sympathien für Preußen, doch war die
nationale, auf eine Zentralgewalt unter Preußen und auf ein deutsches Par¬
lament gerichtete Strömung noch mächtig. Die führende „Deutsche Zeitung"
in Heidelberg schwankte freilich noch immer zwischen Österreich und Preußen.
Die siebzehn Vertrauensmänner waren in Frankfurt zusammengetreten und
hatten Max von Gagern zum Vorsitzenden gewählt, in dem am 30. März er¬
öffneten sogenannten „Vorparlament" war Heinrich von Gagern der gefeiertste
Redner. Da litt es Friedrich nicht länger im Haag.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227968"/>
          <fw type="header" place="top"> General Friedrich von Gagern</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_895"> Wir Sachsen gehen einer neuen Periode schwerer Bedrückungen und An¬<lb/>
griffe entgegen, wie in den siebziger und achtziger Jahren. Wir haben die<lb/>
Kämpfe durchgeführt, mit mancher Einbuße, aber wir haben uns doch erhalten,<lb/>
erfüllt vom Bewußtsein unsers guten Rechts. Dieses Bewußtsein erfüllt und<lb/>
hält uns auch jetzt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> General Friedrich von Gagern<lb/>
(Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_896"> as die nationale Bewegung hauptsächlich hervorrief, war die<lb/>
Furcht vor Frankreich in Südwestdeutschland, die dort, wie<lb/>
auch die Ereignisse von 1867, 1870 und 1887 dargethan haben,<lb/>
allein imstande ist, die landesüblichen partikularistischeu, demo¬<lb/>
kratischen und ultramontanen Strömungen zu überwinden. Man<lb/>
befürchtete die militärische Einmischung der Februarrepublik in die süddeutschen<lb/>
Verhältnisse, in denen sich starke republikanische Neigungen geltend machten.<lb/>
Die eigne Gefahr ließ selbst zeitweilig die altgewohnte Scheu vor Preußen<lb/>
vergessen, und der nationale Gedanke fand offne Herzen. Zum Gegengewicht<lb/>
gegen den lärmend auftretenden Republikanismus beriefen die Fürsten die<lb/>
Führer der nationalen Liberalen zu Ministern, in der ersten Woche des Mürz<lb/>
kam Max von Gagern im Auftrage des Herzogs von Nassau nach Darmstadt,<lb/>
wo Heinrich Staatsminister geworden war, um Verhandlungen zur An¬<lb/>
regung einer Bundesreform und Schaffung einer deutschen Volksvertretung<lb/>
unter einem gemeinsamen Oberhaupte zu beginnen. Diese Verhandlungen sollten<lb/>
in Karlsruhe. Stuttgart, München, Dresden und Berlin fortgesetzt werden.<lb/>
Im Anfang ging alles vortrefflich, Baden und Württemberg schlössen sich an,<lb/>
in München ging es schon langsamer, und erst die Wiener Revolution bewirkte<lb/>
da den Anschluß. Die schwankende Haltung in Berlin erschütterte zwar bald<lb/>
die in Süddeutschland aufgeflammten Sympathien für Preußen, doch war die<lb/>
nationale, auf eine Zentralgewalt unter Preußen und auf ein deutsches Par¬<lb/>
lament gerichtete Strömung noch mächtig. Die führende &#x201E;Deutsche Zeitung"<lb/>
in Heidelberg schwankte freilich noch immer zwischen Österreich und Preußen.<lb/>
Die siebzehn Vertrauensmänner waren in Frankfurt zusammengetreten und<lb/>
hatten Max von Gagern zum Vorsitzenden gewählt, in dem am 30. März er¬<lb/>
öffneten sogenannten &#x201E;Vorparlament" war Heinrich von Gagern der gefeiertste<lb/>
Redner. Da litt es Friedrich nicht länger im Haag.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] General Friedrich von Gagern Wir Sachsen gehen einer neuen Periode schwerer Bedrückungen und An¬ griffe entgegen, wie in den siebziger und achtziger Jahren. Wir haben die Kämpfe durchgeführt, mit mancher Einbuße, aber wir haben uns doch erhalten, erfüllt vom Bewußtsein unsers guten Rechts. Dieses Bewußtsein erfüllt und hält uns auch jetzt. General Friedrich von Gagern (Schluß) as die nationale Bewegung hauptsächlich hervorrief, war die Furcht vor Frankreich in Südwestdeutschland, die dort, wie auch die Ereignisse von 1867, 1870 und 1887 dargethan haben, allein imstande ist, die landesüblichen partikularistischeu, demo¬ kratischen und ultramontanen Strömungen zu überwinden. Man befürchtete die militärische Einmischung der Februarrepublik in die süddeutschen Verhältnisse, in denen sich starke republikanische Neigungen geltend machten. Die eigne Gefahr ließ selbst zeitweilig die altgewohnte Scheu vor Preußen vergessen, und der nationale Gedanke fand offne Herzen. Zum Gegengewicht gegen den lärmend auftretenden Republikanismus beriefen die Fürsten die Führer der nationalen Liberalen zu Ministern, in der ersten Woche des Mürz kam Max von Gagern im Auftrage des Herzogs von Nassau nach Darmstadt, wo Heinrich Staatsminister geworden war, um Verhandlungen zur An¬ regung einer Bundesreform und Schaffung einer deutschen Volksvertretung unter einem gemeinsamen Oberhaupte zu beginnen. Diese Verhandlungen sollten in Karlsruhe. Stuttgart, München, Dresden und Berlin fortgesetzt werden. Im Anfang ging alles vortrefflich, Baden und Württemberg schlössen sich an, in München ging es schon langsamer, und erst die Wiener Revolution bewirkte da den Anschluß. Die schwankende Haltung in Berlin erschütterte zwar bald die in Süddeutschland aufgeflammten Sympathien für Preußen, doch war die nationale, auf eine Zentralgewalt unter Preußen und auf ein deutsches Par¬ lament gerichtete Strömung noch mächtig. Die führende „Deutsche Zeitung" in Heidelberg schwankte freilich noch immer zwischen Österreich und Preußen. Die siebzehn Vertrauensmänner waren in Frankfurt zusammengetreten und hatten Max von Gagern zum Vorsitzenden gewählt, in dem am 30. März er¬ öffneten sogenannten „Vorparlament" war Heinrich von Gagern der gefeiertste Redner. Da litt es Friedrich nicht länger im Haag.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/332>, abgerufen am 27.12.2024.