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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Magyarisirung der Vrtsnamen

Peterwardein die Rede ist, so ist das Buch rettungslos für uus verloren, und
wenn es noch so ausgezeichnet wäre. Wir können aber fremden Verlegern
in Österreich und Deutschland nicht zumuten, für unsern geringen Bedarf
Sonderausgaben mit magyarischen Bezeichnungen herzustellen.

Wie einst vor sechzig und mehr Jahren die deutschen Hochschulen unsern
Abiturienten gesperrt wurden, so werden uns jetzt mit noch eindringenderm Er¬
folge die deutschen Bildungsmittel abgeschnitten. Wir müssen also die Lehr¬
mittel selbst herstellen. An den tausend deutscheu Mittelschulen mit ihrer Armee
von Lehrern und Professoren finden sich natürlich leicht die geeigneten Männer,
das passende Buch zu schaffen. Daß anch diese nicht sofort das richtige
treffen, und wie sehr sich ein Schulbuch von seinen ersten Anfängen in Jahr
für Jahr folgenden neuen Auflagen entwickelt und verbessert, das weiß jeder
Fachmann. Wie sollen die Lehrer unsrer Mittelschulen, deren Gesamtzahl noch
nicht hundert erreicht, die Bedürfnisse der verschiednen Fächer decken? Wie sollen
bei dem geringe" Verbrauch von Büchern auf deu einzelnen Stufen Neuauf¬
lagen möglich gemacht werden, die doch uuumgüuglich nötig sind, um das
Buch zur Höhe zu führen oder auf der Höhe zu erhalten? Wo sollen sich
die Verleger finden, die ihr Geld in so hoffnungslose Unternehmungen stecken?
Wenn man sich in diese eine Frage ein wenig hineindenkt, so erscheinen die
Schwierigkeiten geradezu unlösbar.

In dem ministerlichen Gesetzentwurf war die Kirche selbst nicht berührt.
Gegen Schluß der Verhandlung im Abgeordnetenhause beantragte ein Ab¬
geordneter der äußersten Linken, Arpad Szentivanhi, auf einmal, daß die Be¬
stimmungen des Gesetzes auch auf die im kirchlichen Leben vorkommenden amt¬
lichen Schriftstücke, Siegel usw. ausgedehnt würden. Der Minister des Innern,
dessen eigner Gesetzentwurf hierdurch wesentlich erweitert und verschärft wurde,
schwieg; ein großer Teil der Regierungspartei stimmte für diesen Zusatz, und
so wurde dieser ebenfalls angenommen.

Aber die Autonomie der evangelischen Landeskirche ist unzählige male ge¬
währleistet und dauert solange, bis ein neuer Arpnd Szentivanhi eine" neuen
Angriff macht, und ein Minister sich abermals in geheimnisvolles Schweigen
hüllt. Muß man da nicht annehmen, daß die ganze Sache abgekartetes Spiel
war? Und so klagen die Siebcnbttrger Sachsen einstimmig: das Gesetz ist un¬
billig, ungerecht, verfassungswidrig. Und ihre Klage ist nicht zu herb.

Aber vielleicht ist das Gesetz eine Notwendigkeit gewesen? Vielleicht
waren die bestehenden Verhältnisse unleidlich, unhaltbar? Vielleicht forderte
das Wohl des Staates, das ja in letzter Linie doch immer den Ausschlag
geben muß, dringend eine Änderung? In der That ist sowohl im Parlament
durch den Referenten, sowie durch eine Reihe von Rednern aller Parteischat-
tirungen, als auch in zahlreichen Zeitungsartikeln versucht wordeu, diese Not¬
wendigkeit nachzuweisen.


Die Magyarisirung der Vrtsnamen

Peterwardein die Rede ist, so ist das Buch rettungslos für uus verloren, und
wenn es noch so ausgezeichnet wäre. Wir können aber fremden Verlegern
in Österreich und Deutschland nicht zumuten, für unsern geringen Bedarf
Sonderausgaben mit magyarischen Bezeichnungen herzustellen.

Wie einst vor sechzig und mehr Jahren die deutschen Hochschulen unsern
Abiturienten gesperrt wurden, so werden uns jetzt mit noch eindringenderm Er¬
folge die deutschen Bildungsmittel abgeschnitten. Wir müssen also die Lehr¬
mittel selbst herstellen. An den tausend deutscheu Mittelschulen mit ihrer Armee
von Lehrern und Professoren finden sich natürlich leicht die geeigneten Männer,
das passende Buch zu schaffen. Daß anch diese nicht sofort das richtige
treffen, und wie sehr sich ein Schulbuch von seinen ersten Anfängen in Jahr
für Jahr folgenden neuen Auflagen entwickelt und verbessert, das weiß jeder
Fachmann. Wie sollen die Lehrer unsrer Mittelschulen, deren Gesamtzahl noch
nicht hundert erreicht, die Bedürfnisse der verschiednen Fächer decken? Wie sollen
bei dem geringe« Verbrauch von Büchern auf deu einzelnen Stufen Neuauf¬
lagen möglich gemacht werden, die doch uuumgüuglich nötig sind, um das
Buch zur Höhe zu führen oder auf der Höhe zu erhalten? Wo sollen sich
die Verleger finden, die ihr Geld in so hoffnungslose Unternehmungen stecken?
Wenn man sich in diese eine Frage ein wenig hineindenkt, so erscheinen die
Schwierigkeiten geradezu unlösbar.

In dem ministerlichen Gesetzentwurf war die Kirche selbst nicht berührt.
Gegen Schluß der Verhandlung im Abgeordnetenhause beantragte ein Ab¬
geordneter der äußersten Linken, Arpad Szentivanhi, auf einmal, daß die Be¬
stimmungen des Gesetzes auch auf die im kirchlichen Leben vorkommenden amt¬
lichen Schriftstücke, Siegel usw. ausgedehnt würden. Der Minister des Innern,
dessen eigner Gesetzentwurf hierdurch wesentlich erweitert und verschärft wurde,
schwieg; ein großer Teil der Regierungspartei stimmte für diesen Zusatz, und
so wurde dieser ebenfalls angenommen.

Aber die Autonomie der evangelischen Landeskirche ist unzählige male ge¬
währleistet und dauert solange, bis ein neuer Arpnd Szentivanhi eine« neuen
Angriff macht, und ein Minister sich abermals in geheimnisvolles Schweigen
hüllt. Muß man da nicht annehmen, daß die ganze Sache abgekartetes Spiel
war? Und so klagen die Siebcnbttrger Sachsen einstimmig: das Gesetz ist un¬
billig, ungerecht, verfassungswidrig. Und ihre Klage ist nicht zu herb.

Aber vielleicht ist das Gesetz eine Notwendigkeit gewesen? Vielleicht
waren die bestehenden Verhältnisse unleidlich, unhaltbar? Vielleicht forderte
das Wohl des Staates, das ja in letzter Linie doch immer den Ausschlag
geben muß, dringend eine Änderung? In der That ist sowohl im Parlament
durch den Referenten, sowie durch eine Reihe von Rednern aller Parteischat-
tirungen, als auch in zahlreichen Zeitungsartikeln versucht wordeu, diese Not¬
wendigkeit nachzuweisen.


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[0326] Die Magyarisirung der Vrtsnamen Peterwardein die Rede ist, so ist das Buch rettungslos für uus verloren, und wenn es noch so ausgezeichnet wäre. Wir können aber fremden Verlegern in Österreich und Deutschland nicht zumuten, für unsern geringen Bedarf Sonderausgaben mit magyarischen Bezeichnungen herzustellen. Wie einst vor sechzig und mehr Jahren die deutschen Hochschulen unsern Abiturienten gesperrt wurden, so werden uns jetzt mit noch eindringenderm Er¬ folge die deutschen Bildungsmittel abgeschnitten. Wir müssen also die Lehr¬ mittel selbst herstellen. An den tausend deutscheu Mittelschulen mit ihrer Armee von Lehrern und Professoren finden sich natürlich leicht die geeigneten Männer, das passende Buch zu schaffen. Daß anch diese nicht sofort das richtige treffen, und wie sehr sich ein Schulbuch von seinen ersten Anfängen in Jahr für Jahr folgenden neuen Auflagen entwickelt und verbessert, das weiß jeder Fachmann. Wie sollen die Lehrer unsrer Mittelschulen, deren Gesamtzahl noch nicht hundert erreicht, die Bedürfnisse der verschiednen Fächer decken? Wie sollen bei dem geringe« Verbrauch von Büchern auf deu einzelnen Stufen Neuauf¬ lagen möglich gemacht werden, die doch uuumgüuglich nötig sind, um das Buch zur Höhe zu führen oder auf der Höhe zu erhalten? Wo sollen sich die Verleger finden, die ihr Geld in so hoffnungslose Unternehmungen stecken? Wenn man sich in diese eine Frage ein wenig hineindenkt, so erscheinen die Schwierigkeiten geradezu unlösbar. In dem ministerlichen Gesetzentwurf war die Kirche selbst nicht berührt. Gegen Schluß der Verhandlung im Abgeordnetenhause beantragte ein Ab¬ geordneter der äußersten Linken, Arpad Szentivanhi, auf einmal, daß die Be¬ stimmungen des Gesetzes auch auf die im kirchlichen Leben vorkommenden amt¬ lichen Schriftstücke, Siegel usw. ausgedehnt würden. Der Minister des Innern, dessen eigner Gesetzentwurf hierdurch wesentlich erweitert und verschärft wurde, schwieg; ein großer Teil der Regierungspartei stimmte für diesen Zusatz, und so wurde dieser ebenfalls angenommen. Aber die Autonomie der evangelischen Landeskirche ist unzählige male ge¬ währleistet und dauert solange, bis ein neuer Arpnd Szentivanhi eine« neuen Angriff macht, und ein Minister sich abermals in geheimnisvolles Schweigen hüllt. Muß man da nicht annehmen, daß die ganze Sache abgekartetes Spiel war? Und so klagen die Siebcnbttrger Sachsen einstimmig: das Gesetz ist un¬ billig, ungerecht, verfassungswidrig. Und ihre Klage ist nicht zu herb. Aber vielleicht ist das Gesetz eine Notwendigkeit gewesen? Vielleicht waren die bestehenden Verhältnisse unleidlich, unhaltbar? Vielleicht forderte das Wohl des Staates, das ja in letzter Linie doch immer den Ausschlag geben muß, dringend eine Änderung? In der That ist sowohl im Parlament durch den Referenten, sowie durch eine Reihe von Rednern aller Parteischat- tirungen, als auch in zahlreichen Zeitungsartikeln versucht wordeu, diese Not¬ wendigkeit nachzuweisen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/326>, abgerufen am 23.07.2024.