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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Magycnisirmig der "Ortsnamen

aus demselben Jahre, der diese Gleichberechtigung paragraphenweise aus¬
einandersetzt.

Man wirft deu Sachsen gern vor, daß sie ihre Existenz aus vergilbte
Pergamente, auf veraltete und heute unmögliche Privilegien gründeten. Solche
Vorwürfe nehmen sich zwar im Munde der Magyaren komisch genug aus,
jener Magyaren, die mehr als andre Völker auf ihr historisches Recht pochen;
aber Verträge der letzten Jahrzehnte gehören doch nicht einer grauen Vorzeit
an. Es sind Gesetze, die den Charakter von Staatsgrnndgesetzeu tragen, die
wirklich solche sind, wenn auch neulich ein Redner im Parlament ausrief,
Ungarn habe keine Staatsgrundgesetze. Solche Gesetze können, sollte man
meinen, doch nicht einseitig von einer Parlamentsmajorität beseitigt werden.
Da das aber doch geschieht, und da im ungarischen Parlament alles eine
Mehrheit findet, was zur Kräftigung der eignen Nation dient, so sind in
Zukunft die Nichtmagyaren vor keiner noch so ausschweifenden Gewaltthat
sicher.

Wie die allgemeine Rechtslage, so hat die Autonomie der evangelischen
Landeskirche der Sachsen unzählige, scheinbar unantastbare Garantien. Mit
der Kirche ist die Schule verfassungsmäßig verbunden. Diese Verfassung hat
sich seit einem Menschenalter trefflich bewährt. Wenn hie und da gelegentlich
an eine Lockerung des Verbands von Kirche und Schule gedacht wurde, so
wurde der Gedanke immer durch die entscheidende Erwägung zurückgewiesen,
daß beide in der Vereinigung widerstandsfähiger seien, ja daß die Kirche
geradezu unangreifbar sei.

Nun denke man sich die Wirkungen des Gesetzes auf das sächsische Schul¬
wesen. Und um nicht zu ausführlich zu werden, heben wir bloß einen Punkt
hervor: die Schulbücherfrage.

Für niedere Bildungsanstalten, Volksschulen, Bürgerschulen, die in größerer
Zahl und mit viel Schülern und Lehrern vorhanden sind, ist es wohl möglich,
im Lande selbst die nötigen Schulbücher herzustellen. Das geschieht wohl, und
im allgemeinen sind die Bücher auch dem Zwecke entsprechend. In welche
Lage werden aber unsre Mittelschulen, in erster Linie unsre Gymnasien kommen?
Wir besitzen neben einigen unvollständigen fünf vollständige Gymnasien. Je
höher hier die Klasse, je geringer die ohnehin nicht starke Schülerzahl uach
oben zu wird, desto schwieriger wird die Beschaffung der geeigneten Lehr¬
mittel und dadurch der Bestand der Anstalt als deutsche Anstalt. Schwierig¬
keiten haben die Anstalten jetzt schon reichlich genug; sie können unübersteiglich
werden. Mit Ausnahme von Grammatiker, Logarithmentafeln und ähnlichen
Werken, wo ja ungarische Ortsnamen kaum vorkommen werden, wird es immer
Schulbücher geben, z. B. Lehrbücher der Geschichte und der Geographie, in
denen solche verpöntem Benennungen vorkommen. Wenn aber in einem Leit¬
faden der Geschichte von einem Frieden von Preßburg, von einer Schlacht bei


Die Magycnisirmig der «Ortsnamen

aus demselben Jahre, der diese Gleichberechtigung paragraphenweise aus¬
einandersetzt.

Man wirft deu Sachsen gern vor, daß sie ihre Existenz aus vergilbte
Pergamente, auf veraltete und heute unmögliche Privilegien gründeten. Solche
Vorwürfe nehmen sich zwar im Munde der Magyaren komisch genug aus,
jener Magyaren, die mehr als andre Völker auf ihr historisches Recht pochen;
aber Verträge der letzten Jahrzehnte gehören doch nicht einer grauen Vorzeit
an. Es sind Gesetze, die den Charakter von Staatsgrnndgesetzeu tragen, die
wirklich solche sind, wenn auch neulich ein Redner im Parlament ausrief,
Ungarn habe keine Staatsgrundgesetze. Solche Gesetze können, sollte man
meinen, doch nicht einseitig von einer Parlamentsmajorität beseitigt werden.
Da das aber doch geschieht, und da im ungarischen Parlament alles eine
Mehrheit findet, was zur Kräftigung der eignen Nation dient, so sind in
Zukunft die Nichtmagyaren vor keiner noch so ausschweifenden Gewaltthat
sicher.

Wie die allgemeine Rechtslage, so hat die Autonomie der evangelischen
Landeskirche der Sachsen unzählige, scheinbar unantastbare Garantien. Mit
der Kirche ist die Schule verfassungsmäßig verbunden. Diese Verfassung hat
sich seit einem Menschenalter trefflich bewährt. Wenn hie und da gelegentlich
an eine Lockerung des Verbands von Kirche und Schule gedacht wurde, so
wurde der Gedanke immer durch die entscheidende Erwägung zurückgewiesen,
daß beide in der Vereinigung widerstandsfähiger seien, ja daß die Kirche
geradezu unangreifbar sei.

Nun denke man sich die Wirkungen des Gesetzes auf das sächsische Schul¬
wesen. Und um nicht zu ausführlich zu werden, heben wir bloß einen Punkt
hervor: die Schulbücherfrage.

Für niedere Bildungsanstalten, Volksschulen, Bürgerschulen, die in größerer
Zahl und mit viel Schülern und Lehrern vorhanden sind, ist es wohl möglich,
im Lande selbst die nötigen Schulbücher herzustellen. Das geschieht wohl, und
im allgemeinen sind die Bücher auch dem Zwecke entsprechend. In welche
Lage werden aber unsre Mittelschulen, in erster Linie unsre Gymnasien kommen?
Wir besitzen neben einigen unvollständigen fünf vollständige Gymnasien. Je
höher hier die Klasse, je geringer die ohnehin nicht starke Schülerzahl uach
oben zu wird, desto schwieriger wird die Beschaffung der geeigneten Lehr¬
mittel und dadurch der Bestand der Anstalt als deutsche Anstalt. Schwierig¬
keiten haben die Anstalten jetzt schon reichlich genug; sie können unübersteiglich
werden. Mit Ausnahme von Grammatiker, Logarithmentafeln und ähnlichen
Werken, wo ja ungarische Ortsnamen kaum vorkommen werden, wird es immer
Schulbücher geben, z. B. Lehrbücher der Geschichte und der Geographie, in
denen solche verpöntem Benennungen vorkommen. Wenn aber in einem Leit¬
faden der Geschichte von einem Frieden von Preßburg, von einer Schlacht bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/325>, abgerufen am 23.07.2024.