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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die MagM'isirung der Ortsnamen

Es wurde dcirauf hingewiesen, daß in Ungarn viele gleich oder ähnlich
klingende Ortsnamen vorkommen. Das sind vorzugsweise magyarische Orts¬
namen. Die Formen L^vnd-OMg'/, LöLut-Istv-in und dergleichen Heiligen¬
namen füllen ganze Spalten im offiziellen Ortslexikon; da wäre eine Abhilfe
vielleicht geboten. Daß deutsche Ortsnamen doppelt vorkommen, wie Rosenau
im Vurzenland und Rosenau in der Zips, ist eine Seltenheit. Und das
Zipser Rosenau würde sich leider die Magharisirung leicht gefallen lassen.
Hat doch der Zipser Abgeordnete Mummies im Parlament erklärt, seine Wähler
seien mit dem Gesetzentwurf so zufrieden, daß er gar nicht dagegen stimmen
dürfe, wenn er sich nicht deren Unwillen zuziehen wolle.

Es wurde auf die schwankende Orthographie hingewiesen -- die, nebenbei
bemerkt, bei deutschen Namen nicht vorkommt --, durch die Schwierigkeiten in der
Beförderung von Postsendungen entstünden. Es wurden strategische Interessen
sür gefährdet erklärt. Nun, man sollte nur darau gehen, die Generalstabs¬
karten Ungarns magyarisch umzuformen. Nicht etwa nur die Namen von
Städten und Dörfern, sondern auch von Bergen, Pässen und dergleichen, wie
es ansdrücklich beabsichtigt ist, und ein Offizier sollte sich bei einem Feldzuge,
mit einer solchen Karte ausgerüstet, ins Gebirge hineinwagen, etwa in eine
Walachische Gegend (der größte Teil der karpathischen Nandgebirge ist von
Nichtmagyaren bewohnt), so würde dieser Offizier in eine unter Umständen
verhängnisvoll werdende Verwirrung hineingeraten. Es mag immerhin zuge¬
geben werden, daß in der Benennung, in der schärfern Auseinanderhciltung,
in der Schreibweise manches verbessert werden muß, aber das Gebiet solcher
notwendigen Besserungen liegt ganz ausnahmsweise bei deutschen Bezeichnungen;
es liegt anderswo.

Was sollen aber die kleinen Übelstände und ihre Änderungen gegen die
Thatsache heißen, die nun einmal nicht weggcstritten werden kann, daß Ungarn
kein nationaler Staat ist. Noch heutzutage, nachdem die magyarische Statistik
ein Anwachsen des Magyarentnms in den letzten Jahrzehnten festgestellt hat,
wie in keiner frühern Periode -- die Macher mögen es am besten wissen, wie
es gemacht wird --, noch heutzutage bilden die Magyaren in Ungarn nicht
fünfzig Prozent der Gesamtbevölkerung; es giebt hente noch in Ungarn weite
Gebiete, in denen der Reisende kaum vermute" könnte, daß er sich in Ungarn
befinde, sondern annehmen müßte, in Rumänien oder einem slawischen Staate zu
sein. Nun müssen zahllose neue Namen geschaffen werden, die sich nach Jahr¬
zehnten noch nicht eingebürgert haben und in dem Volksbewußtsein nicht
lebendig geworden sein werden. Das muß im ganzen öffentlichen Leben und
Verkehr eine Verwirrung, Erschwerung und Schädigung hervorrufen, die gar
nicht zu ermessen sind.

Muß sich denn, um nur ein einziges Beispiel anzuführen, ein Korrespondent
in Hamburg oder London ein magyarisches Ortslexikon anschaffen; muß er


Die MagM'isirung der Ortsnamen

Es wurde dcirauf hingewiesen, daß in Ungarn viele gleich oder ähnlich
klingende Ortsnamen vorkommen. Das sind vorzugsweise magyarische Orts¬
namen. Die Formen L^vnd-OMg'/, LöLut-Istv-in und dergleichen Heiligen¬
namen füllen ganze Spalten im offiziellen Ortslexikon; da wäre eine Abhilfe
vielleicht geboten. Daß deutsche Ortsnamen doppelt vorkommen, wie Rosenau
im Vurzenland und Rosenau in der Zips, ist eine Seltenheit. Und das
Zipser Rosenau würde sich leider die Magharisirung leicht gefallen lassen.
Hat doch der Zipser Abgeordnete Mummies im Parlament erklärt, seine Wähler
seien mit dem Gesetzentwurf so zufrieden, daß er gar nicht dagegen stimmen
dürfe, wenn er sich nicht deren Unwillen zuziehen wolle.

Es wurde auf die schwankende Orthographie hingewiesen — die, nebenbei
bemerkt, bei deutschen Namen nicht vorkommt —, durch die Schwierigkeiten in der
Beförderung von Postsendungen entstünden. Es wurden strategische Interessen
sür gefährdet erklärt. Nun, man sollte nur darau gehen, die Generalstabs¬
karten Ungarns magyarisch umzuformen. Nicht etwa nur die Namen von
Städten und Dörfern, sondern auch von Bergen, Pässen und dergleichen, wie
es ansdrücklich beabsichtigt ist, und ein Offizier sollte sich bei einem Feldzuge,
mit einer solchen Karte ausgerüstet, ins Gebirge hineinwagen, etwa in eine
Walachische Gegend (der größte Teil der karpathischen Nandgebirge ist von
Nichtmagyaren bewohnt), so würde dieser Offizier in eine unter Umständen
verhängnisvoll werdende Verwirrung hineingeraten. Es mag immerhin zuge¬
geben werden, daß in der Benennung, in der schärfern Auseinanderhciltung,
in der Schreibweise manches verbessert werden muß, aber das Gebiet solcher
notwendigen Besserungen liegt ganz ausnahmsweise bei deutschen Bezeichnungen;
es liegt anderswo.

Was sollen aber die kleinen Übelstände und ihre Änderungen gegen die
Thatsache heißen, die nun einmal nicht weggcstritten werden kann, daß Ungarn
kein nationaler Staat ist. Noch heutzutage, nachdem die magyarische Statistik
ein Anwachsen des Magyarentnms in den letzten Jahrzehnten festgestellt hat,
wie in keiner frühern Periode — die Macher mögen es am besten wissen, wie
es gemacht wird —, noch heutzutage bilden die Magyaren in Ungarn nicht
fünfzig Prozent der Gesamtbevölkerung; es giebt hente noch in Ungarn weite
Gebiete, in denen der Reisende kaum vermute» könnte, daß er sich in Ungarn
befinde, sondern annehmen müßte, in Rumänien oder einem slawischen Staate zu
sein. Nun müssen zahllose neue Namen geschaffen werden, die sich nach Jahr¬
zehnten noch nicht eingebürgert haben und in dem Volksbewußtsein nicht
lebendig geworden sein werden. Das muß im ganzen öffentlichen Leben und
Verkehr eine Verwirrung, Erschwerung und Schädigung hervorrufen, die gar
nicht zu ermessen sind.

Muß sich denn, um nur ein einziges Beispiel anzuführen, ein Korrespondent
in Hamburg oder London ein magyarisches Ortslexikon anschaffen; muß er


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[0327] Die MagM'isirung der Ortsnamen Es wurde dcirauf hingewiesen, daß in Ungarn viele gleich oder ähnlich klingende Ortsnamen vorkommen. Das sind vorzugsweise magyarische Orts¬ namen. Die Formen L^vnd-OMg'/, LöLut-Istv-in und dergleichen Heiligen¬ namen füllen ganze Spalten im offiziellen Ortslexikon; da wäre eine Abhilfe vielleicht geboten. Daß deutsche Ortsnamen doppelt vorkommen, wie Rosenau im Vurzenland und Rosenau in der Zips, ist eine Seltenheit. Und das Zipser Rosenau würde sich leider die Magharisirung leicht gefallen lassen. Hat doch der Zipser Abgeordnete Mummies im Parlament erklärt, seine Wähler seien mit dem Gesetzentwurf so zufrieden, daß er gar nicht dagegen stimmen dürfe, wenn er sich nicht deren Unwillen zuziehen wolle. Es wurde auf die schwankende Orthographie hingewiesen — die, nebenbei bemerkt, bei deutschen Namen nicht vorkommt —, durch die Schwierigkeiten in der Beförderung von Postsendungen entstünden. Es wurden strategische Interessen sür gefährdet erklärt. Nun, man sollte nur darau gehen, die Generalstabs¬ karten Ungarns magyarisch umzuformen. Nicht etwa nur die Namen von Städten und Dörfern, sondern auch von Bergen, Pässen und dergleichen, wie es ansdrücklich beabsichtigt ist, und ein Offizier sollte sich bei einem Feldzuge, mit einer solchen Karte ausgerüstet, ins Gebirge hineinwagen, etwa in eine Walachische Gegend (der größte Teil der karpathischen Nandgebirge ist von Nichtmagyaren bewohnt), so würde dieser Offizier in eine unter Umständen verhängnisvoll werdende Verwirrung hineingeraten. Es mag immerhin zuge¬ geben werden, daß in der Benennung, in der schärfern Auseinanderhciltung, in der Schreibweise manches verbessert werden muß, aber das Gebiet solcher notwendigen Besserungen liegt ganz ausnahmsweise bei deutschen Bezeichnungen; es liegt anderswo. Was sollen aber die kleinen Übelstände und ihre Änderungen gegen die Thatsache heißen, die nun einmal nicht weggcstritten werden kann, daß Ungarn kein nationaler Staat ist. Noch heutzutage, nachdem die magyarische Statistik ein Anwachsen des Magyarentnms in den letzten Jahrzehnten festgestellt hat, wie in keiner frühern Periode — die Macher mögen es am besten wissen, wie es gemacht wird —, noch heutzutage bilden die Magyaren in Ungarn nicht fünfzig Prozent der Gesamtbevölkerung; es giebt hente noch in Ungarn weite Gebiete, in denen der Reisende kaum vermute» könnte, daß er sich in Ungarn befinde, sondern annehmen müßte, in Rumänien oder einem slawischen Staate zu sein. Nun müssen zahllose neue Namen geschaffen werden, die sich nach Jahr¬ zehnten noch nicht eingebürgert haben und in dem Volksbewußtsein nicht lebendig geworden sein werden. Das muß im ganzen öffentlichen Leben und Verkehr eine Verwirrung, Erschwerung und Schädigung hervorrufen, die gar nicht zu ermessen sind. Muß sich denn, um nur ein einziges Beispiel anzuführen, ein Korrespondent in Hamburg oder London ein magyarisches Ortslexikon anschaffen; muß er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/327>, abgerufen am 23.07.2024.