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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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kennend, ihnen doch so lange Zeit getraut habe und ihnen vielleicht auch wieder
trauen werde.

In welcher Beziehung immer mau das Gesetz prüfen mag, es hält nach
keiner Richtung hin der Prüfung stand.

Am Schluß der Arpadischen Zeit wird in einem der namhaftesten ungarischen
Geschichtswerke (Feßler-Klein) das Verhältnis Siebenbürgens zu Ungarn folgender¬
maßen dargestellt: "Siebenbürgen ist, durch gleiche Konstitution vereinigt, ein
integrirender Teil des Reichs. Es ist im ungeschmälerten Besitz seines Ge¬
biets; Sprache und Nationalität werden nicht angefochten; es behält seine her¬
gebrachten bürgerlichen Einrichtungen; als freie Gemeinwesen ordnen sie selbst
ihre innern Angelegenheiten; sie gehorchen dem König, an dessen Wahl und
Krönung sie teilnehmen, und den Neichsgesetzen, die unter ihrer Mitwirkung
gegeben werden. Sie tragen nicht nur keine größern Lasten und Beschrän¬
kungen als die Bewohner Ungarns, sondern genießen noch viele und bedeutende
Vorrechte. Daher wird es erklärlich, daß sie nie nach Unabhängigkeit strebten,
sondern selbst in solchen Zeiten, wo Ungarn dnrch innere Unruhen geschwächt
und zerrüttet wurde, mit unerschütterlicher Treue an demselben festhielten, das¬
selbe als das gemeinsame Mutterland aller liebte"? und zu seiner Verteidigung
bereitwillig ihr Blut vergossen."

Dieselben Rechtsverhältnisse dauerten auch nach dem Erlöschen des Ar¬
padischen Königshauses fort. Und als dann zweihundert Jahre später der
innerlich morsche und zerrüttete Staat dein Anprall der Türken erlag und bis
auf einen schmalen Streifen Landes verschwand, den die habsburgischen Fürsten
als dürftigen Nest des Königreichs Ungarn behaupteten, da stieg Siebenbürgen
zum Rang eines selbständigen Staats empor, worin die Sachsen einen be¬
sondern, einflußreichen Landstand bildeten.

Und als dann, wieder fast zweihundert Jahre später, von jenem schmalen
Streifen vorwärts dringend, die Habsburger mit fast ausschließlich deutschem
Gut und Blut die Türke" aus Ungarn verjagten, da haben die siebenbürgischen
Stände mit Leopold I. am 4. Dezember 169t jenen Staatsvertrag abgeschlossen,
der unter dem Namen des Leopoldinischen Diploms die rechtliche Grundlage
des rechtlichen Verhältnisses zwischen Ungarn und Siebenbürgen geworden ist.

Alle diese Verträge und Gesetze sind in fast ermüdender Einförmigkeit von
allen Habsburgischen Herrschern bestätigt worden. Noch in den letzten Jahr¬
zehnten, bei dem Unionsbeschluß des Klauseuburger Landtags des Sturmjahres
1848, auf dem Hermannstädter Landtag des Jahres 1363 sind diese Ver¬
hältnisse immer als Grundlage anerkannt worden. Der dreiuudvierzigste Gesetz¬
artikel vom Jahre 1868, der die Union Ungarns und Siebenbürgens regelt,
gewährleistet in seinem Z 1 ausdrücklich die Gleichberechtigung sämtlicher
Bürger Ungarns und Siebenbürgens in bürgerlicher und politischer Hinsicht,
und wir haben dann noch außerdem den vierundvierzigsten Gesetzartikel


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kennend, ihnen doch so lange Zeit getraut habe und ihnen vielleicht auch wieder
trauen werde.

In welcher Beziehung immer mau das Gesetz prüfen mag, es hält nach
keiner Richtung hin der Prüfung stand.

Am Schluß der Arpadischen Zeit wird in einem der namhaftesten ungarischen
Geschichtswerke (Feßler-Klein) das Verhältnis Siebenbürgens zu Ungarn folgender¬
maßen dargestellt: „Siebenbürgen ist, durch gleiche Konstitution vereinigt, ein
integrirender Teil des Reichs. Es ist im ungeschmälerten Besitz seines Ge¬
biets; Sprache und Nationalität werden nicht angefochten; es behält seine her¬
gebrachten bürgerlichen Einrichtungen; als freie Gemeinwesen ordnen sie selbst
ihre innern Angelegenheiten; sie gehorchen dem König, an dessen Wahl und
Krönung sie teilnehmen, und den Neichsgesetzen, die unter ihrer Mitwirkung
gegeben werden. Sie tragen nicht nur keine größern Lasten und Beschrän¬
kungen als die Bewohner Ungarns, sondern genießen noch viele und bedeutende
Vorrechte. Daher wird es erklärlich, daß sie nie nach Unabhängigkeit strebten,
sondern selbst in solchen Zeiten, wo Ungarn dnrch innere Unruhen geschwächt
und zerrüttet wurde, mit unerschütterlicher Treue an demselben festhielten, das¬
selbe als das gemeinsame Mutterland aller liebte«? und zu seiner Verteidigung
bereitwillig ihr Blut vergossen."

Dieselben Rechtsverhältnisse dauerten auch nach dem Erlöschen des Ar¬
padischen Königshauses fort. Und als dann zweihundert Jahre später der
innerlich morsche und zerrüttete Staat dein Anprall der Türken erlag und bis
auf einen schmalen Streifen Landes verschwand, den die habsburgischen Fürsten
als dürftigen Nest des Königreichs Ungarn behaupteten, da stieg Siebenbürgen
zum Rang eines selbständigen Staats empor, worin die Sachsen einen be¬
sondern, einflußreichen Landstand bildeten.

Und als dann, wieder fast zweihundert Jahre später, von jenem schmalen
Streifen vorwärts dringend, die Habsburger mit fast ausschließlich deutschem
Gut und Blut die Türke» aus Ungarn verjagten, da haben die siebenbürgischen
Stände mit Leopold I. am 4. Dezember 169t jenen Staatsvertrag abgeschlossen,
der unter dem Namen des Leopoldinischen Diploms die rechtliche Grundlage
des rechtlichen Verhältnisses zwischen Ungarn und Siebenbürgen geworden ist.

Alle diese Verträge und Gesetze sind in fast ermüdender Einförmigkeit von
allen Habsburgischen Herrschern bestätigt worden. Noch in den letzten Jahr¬
zehnten, bei dem Unionsbeschluß des Klauseuburger Landtags des Sturmjahres
1848, auf dem Hermannstädter Landtag des Jahres 1363 sind diese Ver¬
hältnisse immer als Grundlage anerkannt worden. Der dreiuudvierzigste Gesetz¬
artikel vom Jahre 1868, der die Union Ungarns und Siebenbürgens regelt,
gewährleistet in seinem Z 1 ausdrücklich die Gleichberechtigung sämtlicher
Bürger Ungarns und Siebenbürgens in bürgerlicher und politischer Hinsicht,
und wir haben dann noch außerdem den vierundvierzigsten Gesetzartikel


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[0324] Die Magyarisinmg der (vrtsnameii kennend, ihnen doch so lange Zeit getraut habe und ihnen vielleicht auch wieder trauen werde. In welcher Beziehung immer mau das Gesetz prüfen mag, es hält nach keiner Richtung hin der Prüfung stand. Am Schluß der Arpadischen Zeit wird in einem der namhaftesten ungarischen Geschichtswerke (Feßler-Klein) das Verhältnis Siebenbürgens zu Ungarn folgender¬ maßen dargestellt: „Siebenbürgen ist, durch gleiche Konstitution vereinigt, ein integrirender Teil des Reichs. Es ist im ungeschmälerten Besitz seines Ge¬ biets; Sprache und Nationalität werden nicht angefochten; es behält seine her¬ gebrachten bürgerlichen Einrichtungen; als freie Gemeinwesen ordnen sie selbst ihre innern Angelegenheiten; sie gehorchen dem König, an dessen Wahl und Krönung sie teilnehmen, und den Neichsgesetzen, die unter ihrer Mitwirkung gegeben werden. Sie tragen nicht nur keine größern Lasten und Beschrän¬ kungen als die Bewohner Ungarns, sondern genießen noch viele und bedeutende Vorrechte. Daher wird es erklärlich, daß sie nie nach Unabhängigkeit strebten, sondern selbst in solchen Zeiten, wo Ungarn dnrch innere Unruhen geschwächt und zerrüttet wurde, mit unerschütterlicher Treue an demselben festhielten, das¬ selbe als das gemeinsame Mutterland aller liebte«? und zu seiner Verteidigung bereitwillig ihr Blut vergossen." Dieselben Rechtsverhältnisse dauerten auch nach dem Erlöschen des Ar¬ padischen Königshauses fort. Und als dann zweihundert Jahre später der innerlich morsche und zerrüttete Staat dein Anprall der Türken erlag und bis auf einen schmalen Streifen Landes verschwand, den die habsburgischen Fürsten als dürftigen Nest des Königreichs Ungarn behaupteten, da stieg Siebenbürgen zum Rang eines selbständigen Staats empor, worin die Sachsen einen be¬ sondern, einflußreichen Landstand bildeten. Und als dann, wieder fast zweihundert Jahre später, von jenem schmalen Streifen vorwärts dringend, die Habsburger mit fast ausschließlich deutschem Gut und Blut die Türke» aus Ungarn verjagten, da haben die siebenbürgischen Stände mit Leopold I. am 4. Dezember 169t jenen Staatsvertrag abgeschlossen, der unter dem Namen des Leopoldinischen Diploms die rechtliche Grundlage des rechtlichen Verhältnisses zwischen Ungarn und Siebenbürgen geworden ist. Alle diese Verträge und Gesetze sind in fast ermüdender Einförmigkeit von allen Habsburgischen Herrschern bestätigt worden. Noch in den letzten Jahr¬ zehnten, bei dem Unionsbeschluß des Klauseuburger Landtags des Sturmjahres 1848, auf dem Hermannstädter Landtag des Jahres 1363 sind diese Ver¬ hältnisse immer als Grundlage anerkannt worden. Der dreiuudvierzigste Gesetz¬ artikel vom Jahre 1868, der die Union Ungarns und Siebenbürgens regelt, gewährleistet in seinem Z 1 ausdrücklich die Gleichberechtigung sämtlicher Bürger Ungarns und Siebenbürgens in bürgerlicher und politischer Hinsicht, und wir haben dann noch außerdem den vierundvierzigsten Gesetzartikel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/324>, abgerufen am 23.07.2024.