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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Zur Charakteristik Aöuig Alberts

Aller Schmeichelei ist er völlig unzugänglich; selbst berechtigtes Lob weist
er gelegentlich bescheiden zurück; er will nicht mehr scheinen, als er ist. Klar
und ohne jede Selbsttäuschung ist er sich auch der Grenzen bewußt, die seiner
königlichen Macht durch die Verfassung und die Ordnung der Verwaltung ge¬
steckt sind, und niemals hat er versucht, sie zu überschreiten. Als ihn bei der
Neuordnung der Gerichtsverfassung im Jahre 1879 der Bürgermeister einer
ansehnlichen fächsischen Mittelstadt, die trotz aller Bemühungen kein Land¬
gericht bekommet? sollte, gelegentlich bat, er möge doch seinen Einfluß für die
Erfüllung des Wunsches geltend machen, da hörte ihn der König, die Hände
auf den Rücken gelegt, behaglich an, dann drehte er sich rasch auf dem Absatz
herum und sagte lächelnd: "Ach mein lieber Bürgermeister, Sie halten mich
für viel mächtiger, als ich bin." In dieser halb humoristischen Selbstkritik
zeigt sich dieselbe gute Laune, die ost bei ihm hervortritt. Als Kronprinz
wurde er bei einem Besuche des Odhins bei Zittau auf die wunderliche Gestalt
irgend eines Sandsteinfelsens aufmerksam, die mit irgend einem Gegenstande
Ähnlichkeit hatte, fagte aber sofort zu seiner ehrerbietig zustimmenden Um¬
gebung: "Ich bitte mir aus, meine Herren, daß Sie den Felsen nun nicht
etwa nach mir nennen," und dieser Wunsch war natürlich Befehl. Mit mi߬
billigend kritischem Blick betrachtete er einmal bei einer Jagd einen jungen
Dachshund, fagte aber zu dem erschrocknen jungen Forstbeamten, dem das
Unglückstier gehörte, nichts weiter als die Worte: "Das ist also Ihr Dachs;
den wird die Frau Gemahlin künftig wohl besser einsperren müssen."

So freundliches Wohlwollen wurzelt in einem tiefen Gemüt. Seinem
Vater, dem König Johann, war er in liebevoller Verehrung ergeben. Aus
dem französischen Feldzuge berichtete er ihm alle Einzelheiten in einer Fülle
von Privatbriefen, die leider ein noch uugehobner und wahrscheinlich noch
lange Zeit unzugänglicher Schatz sind. Als ihn bald nach dem Tode des
Vaters bei dem ersten Besuche, den er als König in Zittau machte, der Rektor
des dortigen Gymnasiums in dem netten Gebäude, das den Namen Johanneum
trägt, begrüßte und ihn dabei an den Verstorbnen erinnerte, der wenige Jahre
zuvor den Grundstein des Hauses gelegt hatte, da traten dem König sofort
die Thränen in die Augen, und er vermochte nur wenige Worte zu erwidern.
Dem Kaiser Wilhelm I. war er persönlich ganz ergeben, und als beim funfzig¬
jährigen Militürjubilüilm 1893 unser jetziger Kaiser ihm mit den wärmsten
Worten der Anerkennung und des Dankes einen kostbaren Marschallstab über¬
reichte, und der König ihn annehmend sagte, auf des Kaisers Ruf werde er
ihn wieder ergreifen für Deutschlands Recht und Sicherheit, da war diese
Begegnung der beiden hohen Herren ein so herzbewegender Auftritt, daß die
anwesenden Hoheit Offiziere aufs tiefste ergriffen waren. Bei dem begeisterten
Empfange des Fürsten Bismarck in Dresden im Juli 1892 sprach der König
diesem in einem ausführlichen Schreiben nicht nur sein Bedauern aus, daß er


Zur Charakteristik Aöuig Alberts

Aller Schmeichelei ist er völlig unzugänglich; selbst berechtigtes Lob weist
er gelegentlich bescheiden zurück; er will nicht mehr scheinen, als er ist. Klar
und ohne jede Selbsttäuschung ist er sich auch der Grenzen bewußt, die seiner
königlichen Macht durch die Verfassung und die Ordnung der Verwaltung ge¬
steckt sind, und niemals hat er versucht, sie zu überschreiten. Als ihn bei der
Neuordnung der Gerichtsverfassung im Jahre 1879 der Bürgermeister einer
ansehnlichen fächsischen Mittelstadt, die trotz aller Bemühungen kein Land¬
gericht bekommet? sollte, gelegentlich bat, er möge doch seinen Einfluß für die
Erfüllung des Wunsches geltend machen, da hörte ihn der König, die Hände
auf den Rücken gelegt, behaglich an, dann drehte er sich rasch auf dem Absatz
herum und sagte lächelnd: „Ach mein lieber Bürgermeister, Sie halten mich
für viel mächtiger, als ich bin." In dieser halb humoristischen Selbstkritik
zeigt sich dieselbe gute Laune, die ost bei ihm hervortritt. Als Kronprinz
wurde er bei einem Besuche des Odhins bei Zittau auf die wunderliche Gestalt
irgend eines Sandsteinfelsens aufmerksam, die mit irgend einem Gegenstande
Ähnlichkeit hatte, fagte aber sofort zu seiner ehrerbietig zustimmenden Um¬
gebung: „Ich bitte mir aus, meine Herren, daß Sie den Felsen nun nicht
etwa nach mir nennen," und dieser Wunsch war natürlich Befehl. Mit mi߬
billigend kritischem Blick betrachtete er einmal bei einer Jagd einen jungen
Dachshund, fagte aber zu dem erschrocknen jungen Forstbeamten, dem das
Unglückstier gehörte, nichts weiter als die Worte: „Das ist also Ihr Dachs;
den wird die Frau Gemahlin künftig wohl besser einsperren müssen."

So freundliches Wohlwollen wurzelt in einem tiefen Gemüt. Seinem
Vater, dem König Johann, war er in liebevoller Verehrung ergeben. Aus
dem französischen Feldzuge berichtete er ihm alle Einzelheiten in einer Fülle
von Privatbriefen, die leider ein noch uugehobner und wahrscheinlich noch
lange Zeit unzugänglicher Schatz sind. Als ihn bald nach dem Tode des
Vaters bei dem ersten Besuche, den er als König in Zittau machte, der Rektor
des dortigen Gymnasiums in dem netten Gebäude, das den Namen Johanneum
trägt, begrüßte und ihn dabei an den Verstorbnen erinnerte, der wenige Jahre
zuvor den Grundstein des Hauses gelegt hatte, da traten dem König sofort
die Thränen in die Augen, und er vermochte nur wenige Worte zu erwidern.
Dem Kaiser Wilhelm I. war er persönlich ganz ergeben, und als beim funfzig¬
jährigen Militürjubilüilm 1893 unser jetziger Kaiser ihm mit den wärmsten
Worten der Anerkennung und des Dankes einen kostbaren Marschallstab über¬
reichte, und der König ihn annehmend sagte, auf des Kaisers Ruf werde er
ihn wieder ergreifen für Deutschlands Recht und Sicherheit, da war diese
Begegnung der beiden hohen Herren ein so herzbewegender Auftritt, daß die
anwesenden Hoheit Offiziere aufs tiefste ergriffen waren. Bei dem begeisterten
Empfange des Fürsten Bismarck in Dresden im Juli 1892 sprach der König
diesem in einem ausführlichen Schreiben nicht nur sein Bedauern aus, daß er


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[0247] Zur Charakteristik Aöuig Alberts Aller Schmeichelei ist er völlig unzugänglich; selbst berechtigtes Lob weist er gelegentlich bescheiden zurück; er will nicht mehr scheinen, als er ist. Klar und ohne jede Selbsttäuschung ist er sich auch der Grenzen bewußt, die seiner königlichen Macht durch die Verfassung und die Ordnung der Verwaltung ge¬ steckt sind, und niemals hat er versucht, sie zu überschreiten. Als ihn bei der Neuordnung der Gerichtsverfassung im Jahre 1879 der Bürgermeister einer ansehnlichen fächsischen Mittelstadt, die trotz aller Bemühungen kein Land¬ gericht bekommet? sollte, gelegentlich bat, er möge doch seinen Einfluß für die Erfüllung des Wunsches geltend machen, da hörte ihn der König, die Hände auf den Rücken gelegt, behaglich an, dann drehte er sich rasch auf dem Absatz herum und sagte lächelnd: „Ach mein lieber Bürgermeister, Sie halten mich für viel mächtiger, als ich bin." In dieser halb humoristischen Selbstkritik zeigt sich dieselbe gute Laune, die ost bei ihm hervortritt. Als Kronprinz wurde er bei einem Besuche des Odhins bei Zittau auf die wunderliche Gestalt irgend eines Sandsteinfelsens aufmerksam, die mit irgend einem Gegenstande Ähnlichkeit hatte, fagte aber sofort zu seiner ehrerbietig zustimmenden Um¬ gebung: „Ich bitte mir aus, meine Herren, daß Sie den Felsen nun nicht etwa nach mir nennen," und dieser Wunsch war natürlich Befehl. Mit mi߬ billigend kritischem Blick betrachtete er einmal bei einer Jagd einen jungen Dachshund, fagte aber zu dem erschrocknen jungen Forstbeamten, dem das Unglückstier gehörte, nichts weiter als die Worte: „Das ist also Ihr Dachs; den wird die Frau Gemahlin künftig wohl besser einsperren müssen." So freundliches Wohlwollen wurzelt in einem tiefen Gemüt. Seinem Vater, dem König Johann, war er in liebevoller Verehrung ergeben. Aus dem französischen Feldzuge berichtete er ihm alle Einzelheiten in einer Fülle von Privatbriefen, die leider ein noch uugehobner und wahrscheinlich noch lange Zeit unzugänglicher Schatz sind. Als ihn bald nach dem Tode des Vaters bei dem ersten Besuche, den er als König in Zittau machte, der Rektor des dortigen Gymnasiums in dem netten Gebäude, das den Namen Johanneum trägt, begrüßte und ihn dabei an den Verstorbnen erinnerte, der wenige Jahre zuvor den Grundstein des Hauses gelegt hatte, da traten dem König sofort die Thränen in die Augen, und er vermochte nur wenige Worte zu erwidern. Dem Kaiser Wilhelm I. war er persönlich ganz ergeben, und als beim funfzig¬ jährigen Militürjubilüilm 1893 unser jetziger Kaiser ihm mit den wärmsten Worten der Anerkennung und des Dankes einen kostbaren Marschallstab über¬ reichte, und der König ihn annehmend sagte, auf des Kaisers Ruf werde er ihn wieder ergreifen für Deutschlands Recht und Sicherheit, da war diese Begegnung der beiden hohen Herren ein so herzbewegender Auftritt, daß die anwesenden Hoheit Offiziere aufs tiefste ergriffen waren. Bei dem begeisterten Empfange des Fürsten Bismarck in Dresden im Juli 1892 sprach der König diesem in einem ausführlichen Schreiben nicht nur sein Bedauern aus, daß er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/247>, abgerufen am 23.07.2024.