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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Zur Charakteristik König Alberts

wichtigen Gelegenheiten. Als er einmal bei einem Manöver im Vogtlande
eine Batterie in ziemlich weiter Entfernung zum Angriff auf ein Dorf auf¬
fahren und feuern sah, rief er einen Adjutanten und sagte ihm: "Fragen Sie
doch mal den Batteriechef, worauf er eigentlich feuert; er kann ja von dort
aus das Dorf gar nicht sehen." Bei einem andern Manöver war ihm der
sogenannte Normalangriff der Infanterie, ein in der That imposantes Schau¬
spiel, sehr schön vorgeführt worden- Aber statt der wohl erwarteten An¬
erkennung fielen bei der Kritik die Worte: "Meine Herren, das war also
der Nvrmalangriff; ich kann Ihnen nur sagen, daß es im Kriege ganz anders
zugeht, den wünsche ich nicht wieder zu sehen." Aber den Scharfblick des
Feldherrn zeigt er auch sonst. Er ist in den verschiedensten Angelegenheiten
gleichmäßig orientirt, er ist immer, sozusagen, im Bilde, und er hat eine außer¬
ordentliche Pcrsvnenkenntnis. Wie eingehend er sich auch um Dinge der
Wissenschaft kümmert, bezeugen vor allem seine regelmäßigen Besuche an der
Universität Leipzig, die ihn mit Stolz ihren rsotor MagmlivöllkisLmrus nennt;
er hört hier bekanntlich jeden neu ernannten Professor, und um die Berufung
eines Historikers kümmert er sich stets ganz persönlich. Selbst über ernste
pädagogische Fragen hat er ein selbständiges festes Urteil. In der Krisis, die
der Gymnasialuuterricht im Anfange der neunziger Jahre durchzumachen hatte,
trat er persönlich sehr entschieden für dessen alte Grundlagen ein, und nach
der Einweihung des neuen Prachtbaus der Fürstenschule Grimma sprach er
noch beim Abschiede auf dein Bahnhofe zum Rektor Bernhard! die schwer¬
wiegenden Worte: "Gott schütze die klassischen Studien, ich werde bis an mein
Ende für sie kämpfen." Es ist wenig bekannt, daß der König sehr viel liest,
namentlich historische Bücher. Besonders interessiren ihn wohl Darstellungen
ans der neuesten Geschichte, und es mag dabei ihm, der um so hervorragender
Stelle thätigen Anteil daran genommen hat, manches Urteil wunderlich genng
vorkommen. Wenigstens hat er einmal geäußert, über die neuste Geschichte
könne man wohl Vorlesungen halten, aber nicht schreiben; so unsicher mag ihm
noch die Beurteilung und die Kenntnis dieser Dinge erscheinen. Auf seine
Privatbibliothek verwendet er jährlich große Summen; er ist dabei so liebens¬
würdig, selbst das Ausleihen von Büchern an vertrancnswerte Privatpersonen
zu gestatten, wofür es sogar gedruckte Formulare giebt. Die Auswahl der
anzulaufenden Bücher bestimmt er selbst nach den Vorschlägen seines Biblio¬
thekars. Dabei fällt gelegentlich manches charakteristische Urteil, wie er etwa
einmal ein schönes, illustrirtes Werk über die Auerhahnbalz, mit dem ihm
der Bibliothekar eine besondre Freude zu machen gedachte, mit der trocknen
Bemerkung abwies: "Soviel wie da drin steht, weiß ich selbst." Er ist auch ein
vortrefflicher Pianist, und wenn auch im übrigen bei ihm eine besondre Hin¬
neigung zur Kunst nicht hervortritt, so ist doch seine Negierung an künstle¬
rischen Unternehmungen besonders reich gewesen.


Zur Charakteristik König Alberts

wichtigen Gelegenheiten. Als er einmal bei einem Manöver im Vogtlande
eine Batterie in ziemlich weiter Entfernung zum Angriff auf ein Dorf auf¬
fahren und feuern sah, rief er einen Adjutanten und sagte ihm: „Fragen Sie
doch mal den Batteriechef, worauf er eigentlich feuert; er kann ja von dort
aus das Dorf gar nicht sehen." Bei einem andern Manöver war ihm der
sogenannte Normalangriff der Infanterie, ein in der That imposantes Schau¬
spiel, sehr schön vorgeführt worden- Aber statt der wohl erwarteten An¬
erkennung fielen bei der Kritik die Worte: „Meine Herren, das war also
der Nvrmalangriff; ich kann Ihnen nur sagen, daß es im Kriege ganz anders
zugeht, den wünsche ich nicht wieder zu sehen." Aber den Scharfblick des
Feldherrn zeigt er auch sonst. Er ist in den verschiedensten Angelegenheiten
gleichmäßig orientirt, er ist immer, sozusagen, im Bilde, und er hat eine außer¬
ordentliche Pcrsvnenkenntnis. Wie eingehend er sich auch um Dinge der
Wissenschaft kümmert, bezeugen vor allem seine regelmäßigen Besuche an der
Universität Leipzig, die ihn mit Stolz ihren rsotor MagmlivöllkisLmrus nennt;
er hört hier bekanntlich jeden neu ernannten Professor, und um die Berufung
eines Historikers kümmert er sich stets ganz persönlich. Selbst über ernste
pädagogische Fragen hat er ein selbständiges festes Urteil. In der Krisis, die
der Gymnasialuuterricht im Anfange der neunziger Jahre durchzumachen hatte,
trat er persönlich sehr entschieden für dessen alte Grundlagen ein, und nach
der Einweihung des neuen Prachtbaus der Fürstenschule Grimma sprach er
noch beim Abschiede auf dein Bahnhofe zum Rektor Bernhard! die schwer¬
wiegenden Worte: „Gott schütze die klassischen Studien, ich werde bis an mein
Ende für sie kämpfen." Es ist wenig bekannt, daß der König sehr viel liest,
namentlich historische Bücher. Besonders interessiren ihn wohl Darstellungen
ans der neuesten Geschichte, und es mag dabei ihm, der um so hervorragender
Stelle thätigen Anteil daran genommen hat, manches Urteil wunderlich genng
vorkommen. Wenigstens hat er einmal geäußert, über die neuste Geschichte
könne man wohl Vorlesungen halten, aber nicht schreiben; so unsicher mag ihm
noch die Beurteilung und die Kenntnis dieser Dinge erscheinen. Auf seine
Privatbibliothek verwendet er jährlich große Summen; er ist dabei so liebens¬
würdig, selbst das Ausleihen von Büchern an vertrancnswerte Privatpersonen
zu gestatten, wofür es sogar gedruckte Formulare giebt. Die Auswahl der
anzulaufenden Bücher bestimmt er selbst nach den Vorschlägen seines Biblio¬
thekars. Dabei fällt gelegentlich manches charakteristische Urteil, wie er etwa
einmal ein schönes, illustrirtes Werk über die Auerhahnbalz, mit dem ihm
der Bibliothekar eine besondre Freude zu machen gedachte, mit der trocknen
Bemerkung abwies: „Soviel wie da drin steht, weiß ich selbst." Er ist auch ein
vortrefflicher Pianist, und wenn auch im übrigen bei ihm eine besondre Hin¬
neigung zur Kunst nicht hervortritt, so ist doch seine Negierung an künstle¬
rischen Unternehmungen besonders reich gewesen.


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[0246] Zur Charakteristik König Alberts wichtigen Gelegenheiten. Als er einmal bei einem Manöver im Vogtlande eine Batterie in ziemlich weiter Entfernung zum Angriff auf ein Dorf auf¬ fahren und feuern sah, rief er einen Adjutanten und sagte ihm: „Fragen Sie doch mal den Batteriechef, worauf er eigentlich feuert; er kann ja von dort aus das Dorf gar nicht sehen." Bei einem andern Manöver war ihm der sogenannte Normalangriff der Infanterie, ein in der That imposantes Schau¬ spiel, sehr schön vorgeführt worden- Aber statt der wohl erwarteten An¬ erkennung fielen bei der Kritik die Worte: „Meine Herren, das war also der Nvrmalangriff; ich kann Ihnen nur sagen, daß es im Kriege ganz anders zugeht, den wünsche ich nicht wieder zu sehen." Aber den Scharfblick des Feldherrn zeigt er auch sonst. Er ist in den verschiedensten Angelegenheiten gleichmäßig orientirt, er ist immer, sozusagen, im Bilde, und er hat eine außer¬ ordentliche Pcrsvnenkenntnis. Wie eingehend er sich auch um Dinge der Wissenschaft kümmert, bezeugen vor allem seine regelmäßigen Besuche an der Universität Leipzig, die ihn mit Stolz ihren rsotor MagmlivöllkisLmrus nennt; er hört hier bekanntlich jeden neu ernannten Professor, und um die Berufung eines Historikers kümmert er sich stets ganz persönlich. Selbst über ernste pädagogische Fragen hat er ein selbständiges festes Urteil. In der Krisis, die der Gymnasialuuterricht im Anfange der neunziger Jahre durchzumachen hatte, trat er persönlich sehr entschieden für dessen alte Grundlagen ein, und nach der Einweihung des neuen Prachtbaus der Fürstenschule Grimma sprach er noch beim Abschiede auf dein Bahnhofe zum Rektor Bernhard! die schwer¬ wiegenden Worte: „Gott schütze die klassischen Studien, ich werde bis an mein Ende für sie kämpfen." Es ist wenig bekannt, daß der König sehr viel liest, namentlich historische Bücher. Besonders interessiren ihn wohl Darstellungen ans der neuesten Geschichte, und es mag dabei ihm, der um so hervorragender Stelle thätigen Anteil daran genommen hat, manches Urteil wunderlich genng vorkommen. Wenigstens hat er einmal geäußert, über die neuste Geschichte könne man wohl Vorlesungen halten, aber nicht schreiben; so unsicher mag ihm noch die Beurteilung und die Kenntnis dieser Dinge erscheinen. Auf seine Privatbibliothek verwendet er jährlich große Summen; er ist dabei so liebens¬ würdig, selbst das Ausleihen von Büchern an vertrancnswerte Privatpersonen zu gestatten, wofür es sogar gedruckte Formulare giebt. Die Auswahl der anzulaufenden Bücher bestimmt er selbst nach den Vorschlägen seines Biblio¬ thekars. Dabei fällt gelegentlich manches charakteristische Urteil, wie er etwa einmal ein schönes, illustrirtes Werk über die Auerhahnbalz, mit dem ihm der Bibliothekar eine besondre Freude zu machen gedachte, mit der trocknen Bemerkung abwies: „Soviel wie da drin steht, weiß ich selbst." Er ist auch ein vortrefflicher Pianist, und wenn auch im übrigen bei ihm eine besondre Hin¬ neigung zur Kunst nicht hervortritt, so ist doch seine Negierung an künstle¬ rischen Unternehmungen besonders reich gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/246>, abgerufen am 23.07.2024.