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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

veredelnden und zur sittlichen Einheit verbrüdernden Kleinod des deutschen
Hauses und der deutschen Familie" und sah gerade in diesem Teile seines
Werkes den Schlußstein, "und zwar nicht bloß den Schlußstein als den zuletzt
eingefügten, sondern auch als den eigentlich schließenden Stein, der das Ge¬
wölbe erst zusammenhält und den festen Mittelpunkt ausmacht, darin der Gegen¬
druck aller Pfeiler und Mauern seine Stütze findet." Ihm ist die Familie
der Urgrund aller organischen Gebilde in der Volkspersönlichkeit, und der
Gegensatz von Mann und Weib der Beweis, daß die soziale Ungleichheit ein
ewiges Naturgesetz im Leben der Menschheit ist. "Wäre der Mensch geschlecht¬
los, gäbe es nicht Mann und Weib, dann könnte man krümmen, daß die Völker
der Erde zu Freiheit und Gleichheit berufen seien. Indem aber Gott der Herr
Mann und Weib schuf, hat er die Ungleichheit und die Abhängigkeit als die
Grundbedingung aller menschlichen Entwicklung gesetzt." "Wer Mann und
Weib nicht wieder zur Geschlechtseinheit zurückführen kann, der vermesse sich
auch nicht, das Menschengeschlecht zur sozialen und politischen Einheit und
Gleichheit zu führen." Es ist ein Stolz der Germanen als des "familien-
haftesten" Volkes, daß sie erst das volle Bewußtsein über Beruf und Stellung
von Mann und Weib der Menschheit hell entzündet haben: "Wie eine ein-
geborne göttliche Gabe seines Stammes hat das rohe Krieger- und Jägervolk
die wahre Idee von der Stellung der beiden Geschlechter herübergetragen aus
seiner dunkeln asiatischen Urheimat, gleich als ein Erbstück aus dem verlornen
Paradiese."

Diese wahre Idee ist aber nicht der äußerliche Minnedienst des Mittel¬
alters oder die moderne radikale Gleichstellung von Mann und Weib, sondern
die Erkenntnis, daß der öffentliche und nationale Beruf der Frauen ein ganz
andrer ist als der der Männer, aber diesem in seiner Bedeutung für Staat
und Volk ebenbürtig: "In Weib und Mann, sagt nicht, sind uns hier die
Mächte des Beharrens und der Bewegung vorgebildet. . . . Die soziale
Tugend ist es, deren Grund zuerst von Frauenhünden in uns gelegt wird;
zur politischen bedarf es der Lehre und des Beispiels der Männer. . . . Die
Sitte, die bewegende Kraft der Gesellschaft wird gehegt und bewahrt vom
Weibe, das Weib steht im Naturleben der Sitte____ Der politische Volks¬
charakter ruht in letzter Instanz bei dem Weibe, die politische That bei dem
Manne." Der geheime Kern aller dieser Thesen über den Geschlechtsgegensatz
ist "die Thatsache, daß der Beruf der Frauen überall in der Regel nur ein
in der Familie vermittelter sein kann." Die eigentümliche Aufgabe der Frau
ist beschlossen in der Familie, nur in ihr kann die Frau ihrer öffentlichen
Aufgabe gerecht werden: "Das echte Familienleben ist an sich schon eine Form
des öffentlichen Lebens." Nur in der Beschränkung auf die Familie kann die
Frau ihre eigne Art bewahren; losgelöst von der Familie verfällt sie der Un-
Weiblichkeit und der Überweiblichkeit, und "an diese Überweiblichkeit knüpfen die


Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

veredelnden und zur sittlichen Einheit verbrüdernden Kleinod des deutschen
Hauses und der deutschen Familie" und sah gerade in diesem Teile seines
Werkes den Schlußstein, „und zwar nicht bloß den Schlußstein als den zuletzt
eingefügten, sondern auch als den eigentlich schließenden Stein, der das Ge¬
wölbe erst zusammenhält und den festen Mittelpunkt ausmacht, darin der Gegen¬
druck aller Pfeiler und Mauern seine Stütze findet." Ihm ist die Familie
der Urgrund aller organischen Gebilde in der Volkspersönlichkeit, und der
Gegensatz von Mann und Weib der Beweis, daß die soziale Ungleichheit ein
ewiges Naturgesetz im Leben der Menschheit ist. „Wäre der Mensch geschlecht¬
los, gäbe es nicht Mann und Weib, dann könnte man krümmen, daß die Völker
der Erde zu Freiheit und Gleichheit berufen seien. Indem aber Gott der Herr
Mann und Weib schuf, hat er die Ungleichheit und die Abhängigkeit als die
Grundbedingung aller menschlichen Entwicklung gesetzt." „Wer Mann und
Weib nicht wieder zur Geschlechtseinheit zurückführen kann, der vermesse sich
auch nicht, das Menschengeschlecht zur sozialen und politischen Einheit und
Gleichheit zu führen." Es ist ein Stolz der Germanen als des „familien-
haftesten" Volkes, daß sie erst das volle Bewußtsein über Beruf und Stellung
von Mann und Weib der Menschheit hell entzündet haben: „Wie eine ein-
geborne göttliche Gabe seines Stammes hat das rohe Krieger- und Jägervolk
die wahre Idee von der Stellung der beiden Geschlechter herübergetragen aus
seiner dunkeln asiatischen Urheimat, gleich als ein Erbstück aus dem verlornen
Paradiese."

Diese wahre Idee ist aber nicht der äußerliche Minnedienst des Mittel¬
alters oder die moderne radikale Gleichstellung von Mann und Weib, sondern
die Erkenntnis, daß der öffentliche und nationale Beruf der Frauen ein ganz
andrer ist als der der Männer, aber diesem in seiner Bedeutung für Staat
und Volk ebenbürtig: „In Weib und Mann, sagt nicht, sind uns hier die
Mächte des Beharrens und der Bewegung vorgebildet. . . . Die soziale
Tugend ist es, deren Grund zuerst von Frauenhünden in uns gelegt wird;
zur politischen bedarf es der Lehre und des Beispiels der Männer. . . . Die
Sitte, die bewegende Kraft der Gesellschaft wird gehegt und bewahrt vom
Weibe, das Weib steht im Naturleben der Sitte____ Der politische Volks¬
charakter ruht in letzter Instanz bei dem Weibe, die politische That bei dem
Manne." Der geheime Kern aller dieser Thesen über den Geschlechtsgegensatz
ist „die Thatsache, daß der Beruf der Frauen überall in der Regel nur ein
in der Familie vermittelter sein kann." Die eigentümliche Aufgabe der Frau
ist beschlossen in der Familie, nur in ihr kann die Frau ihrer öffentlichen
Aufgabe gerecht werden: „Das echte Familienleben ist an sich schon eine Form
des öffentlichen Lebens." Nur in der Beschränkung auf die Familie kann die
Frau ihre eigne Art bewahren; losgelöst von der Familie verfällt sie der Un-
Weiblichkeit und der Überweiblichkeit, und „an diese Überweiblichkeit knüpfen die


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[0216] Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch veredelnden und zur sittlichen Einheit verbrüdernden Kleinod des deutschen Hauses und der deutschen Familie" und sah gerade in diesem Teile seines Werkes den Schlußstein, „und zwar nicht bloß den Schlußstein als den zuletzt eingefügten, sondern auch als den eigentlich schließenden Stein, der das Ge¬ wölbe erst zusammenhält und den festen Mittelpunkt ausmacht, darin der Gegen¬ druck aller Pfeiler und Mauern seine Stütze findet." Ihm ist die Familie der Urgrund aller organischen Gebilde in der Volkspersönlichkeit, und der Gegensatz von Mann und Weib der Beweis, daß die soziale Ungleichheit ein ewiges Naturgesetz im Leben der Menschheit ist. „Wäre der Mensch geschlecht¬ los, gäbe es nicht Mann und Weib, dann könnte man krümmen, daß die Völker der Erde zu Freiheit und Gleichheit berufen seien. Indem aber Gott der Herr Mann und Weib schuf, hat er die Ungleichheit und die Abhängigkeit als die Grundbedingung aller menschlichen Entwicklung gesetzt." „Wer Mann und Weib nicht wieder zur Geschlechtseinheit zurückführen kann, der vermesse sich auch nicht, das Menschengeschlecht zur sozialen und politischen Einheit und Gleichheit zu führen." Es ist ein Stolz der Germanen als des „familien- haftesten" Volkes, daß sie erst das volle Bewußtsein über Beruf und Stellung von Mann und Weib der Menschheit hell entzündet haben: „Wie eine ein- geborne göttliche Gabe seines Stammes hat das rohe Krieger- und Jägervolk die wahre Idee von der Stellung der beiden Geschlechter herübergetragen aus seiner dunkeln asiatischen Urheimat, gleich als ein Erbstück aus dem verlornen Paradiese." Diese wahre Idee ist aber nicht der äußerliche Minnedienst des Mittel¬ alters oder die moderne radikale Gleichstellung von Mann und Weib, sondern die Erkenntnis, daß der öffentliche und nationale Beruf der Frauen ein ganz andrer ist als der der Männer, aber diesem in seiner Bedeutung für Staat und Volk ebenbürtig: „In Weib und Mann, sagt nicht, sind uns hier die Mächte des Beharrens und der Bewegung vorgebildet. . . . Die soziale Tugend ist es, deren Grund zuerst von Frauenhünden in uns gelegt wird; zur politischen bedarf es der Lehre und des Beispiels der Männer. . . . Die Sitte, die bewegende Kraft der Gesellschaft wird gehegt und bewahrt vom Weibe, das Weib steht im Naturleben der Sitte____ Der politische Volks¬ charakter ruht in letzter Instanz bei dem Weibe, die politische That bei dem Manne." Der geheime Kern aller dieser Thesen über den Geschlechtsgegensatz ist „die Thatsache, daß der Beruf der Frauen überall in der Regel nur ein in der Familie vermittelter sein kann." Die eigentümliche Aufgabe der Frau ist beschlossen in der Familie, nur in ihr kann die Frau ihrer öffentlichen Aufgabe gerecht werden: „Das echte Familienleben ist an sich schon eine Form des öffentlichen Lebens." Nur in der Beschränkung auf die Familie kann die Frau ihre eigne Art bewahren; losgelöst von der Familie verfällt sie der Un- Weiblichkeit und der Überweiblichkeit, und „an diese Überweiblichkeit knüpfen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/216>, abgerufen am 23.07.2024.