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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Schäden der preußischen Verwaltung

das Telephon befragen oder um eilige Nachsendung der fehlenden Papiere er¬
suchen, so würde die Sache sofort oder doch nach kurzer Zeit erledigt werden
können. Statt dessen wird eine schriftliche Verfügung erlassen, bis zu deren
Beantwortung zwei Wochen vergehen. Noch drastischer zeigen sich die Folgen
dieser mangelhaften Einrichtung, wenn zwei Behörden in dieser schleppenden
Weise mit einander verkehren, die an demselben Orte ihren Sitz haben, oder gar
zwei Abteilungen derselben Regierung, die praktischerweise in verschiednen Ge¬
bäuden untergebracht sind. In vielen Fällen würde man überhaupt keinen
schriftlichen Bericht einzufordern genötigt sein, sondern nach einer Unterredung
durch das Telephon und einem kurzen Vermerk über die erhaltne Auskunft in
die Akten die Sache erledigen können -- das würde in der That eine Ver¬
minderung des Schreibwerks bedeuten. Für die Benutzung der Telephonein-
richtnngen müßte der preußische Staat mit der Neichspostverwaltung die
Zahlung einer Pauschalsumme vereinbaren, wie das auch für das Porto der
Briefe und Pakete geschehen ist. Die Schreibmaschine hat sich in den großen
privaten Geschäftsbetrieben bewährt, sie müßte also doch auch in der Staats¬
verwaltung mit Erfolg benutzt werden können. Außerdem müßten Formulare
in ausgedehntester Weise benutzt werden. Bei der Expedition der Verfügungen
geschieht das allerdings schon jetzt, die Kanzlei muß dann aber diese Seiten¬
längen Verfügungen Wort für Wort abschreiben, was bei den vielen Zahlungs¬
anweisungen, die täglich an die Regierungshauptkasse ergehen, ganz besonders
überflüssig ist, nicht weniger aber auch bei vielen andern Sachen, die stets in
derselben Form erledigt werden.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie es einzurichten wäre, daß
die Beamten sich mehr, als es jetzt geschieht, eine genaue Kenntnis des Landes,
der Bedürfnisse der Bevölkerung erwerben. In erster Linie kommen hier die
Regierungen in Betracht, denn die Landräte werden sich sofort mehr um die
Verhältnisse ihrer Kreise bekümmern, wenn ihre Arbeit im Bureau ver¬
mindert wird, und die, die auch dann noch hinter dem Ofen sitzen, sind eben
für die Verwaltung eines Landratsamts ungeeignet. Nach der Regierungs-
instruktiou vom 23. Oktober 1817 soll jeder Rat alljährlich einen Teil seines
Departements bereisen, um sich Orts- und Persvnenkenntnis zu erwerben und
die Kreis- und Ortsbehörden zu revidiren. Die Abstellung von Mängeln soll
er an Ort und Stelle verfügen und, wenn deren Rüge außer seinem Geschäfts¬
kreise liegt, dem Präsidium Anzeige erstatten. Auf der Reise soll er ein Tage¬
buch führen, dessen Inhalt nach der Rückkehr zum Vortrag zu bringen ist.
Ebenso sollen die Mitglieder des Präsidiums und der Präsident selbst jährlich
einen Teil des Bezirks bereisen, um die Dienstführung der Unterbehörden und
der Departementsräte zu prüfen und selbst die nötige Kenntnis der Verhält¬
nisse zu erwerben. Jedes Mitglied der Negierung soll über den Zustand und
die Geschäftslage seines Departements, von dem, was im Lause des Jahres


Schäden der preußischen Verwaltung

das Telephon befragen oder um eilige Nachsendung der fehlenden Papiere er¬
suchen, so würde die Sache sofort oder doch nach kurzer Zeit erledigt werden
können. Statt dessen wird eine schriftliche Verfügung erlassen, bis zu deren
Beantwortung zwei Wochen vergehen. Noch drastischer zeigen sich die Folgen
dieser mangelhaften Einrichtung, wenn zwei Behörden in dieser schleppenden
Weise mit einander verkehren, die an demselben Orte ihren Sitz haben, oder gar
zwei Abteilungen derselben Regierung, die praktischerweise in verschiednen Ge¬
bäuden untergebracht sind. In vielen Fällen würde man überhaupt keinen
schriftlichen Bericht einzufordern genötigt sein, sondern nach einer Unterredung
durch das Telephon und einem kurzen Vermerk über die erhaltne Auskunft in
die Akten die Sache erledigen können — das würde in der That eine Ver¬
minderung des Schreibwerks bedeuten. Für die Benutzung der Telephonein-
richtnngen müßte der preußische Staat mit der Neichspostverwaltung die
Zahlung einer Pauschalsumme vereinbaren, wie das auch für das Porto der
Briefe und Pakete geschehen ist. Die Schreibmaschine hat sich in den großen
privaten Geschäftsbetrieben bewährt, sie müßte also doch auch in der Staats¬
verwaltung mit Erfolg benutzt werden können. Außerdem müßten Formulare
in ausgedehntester Weise benutzt werden. Bei der Expedition der Verfügungen
geschieht das allerdings schon jetzt, die Kanzlei muß dann aber diese Seiten¬
längen Verfügungen Wort für Wort abschreiben, was bei den vielen Zahlungs¬
anweisungen, die täglich an die Regierungshauptkasse ergehen, ganz besonders
überflüssig ist, nicht weniger aber auch bei vielen andern Sachen, die stets in
derselben Form erledigt werden.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie es einzurichten wäre, daß
die Beamten sich mehr, als es jetzt geschieht, eine genaue Kenntnis des Landes,
der Bedürfnisse der Bevölkerung erwerben. In erster Linie kommen hier die
Regierungen in Betracht, denn die Landräte werden sich sofort mehr um die
Verhältnisse ihrer Kreise bekümmern, wenn ihre Arbeit im Bureau ver¬
mindert wird, und die, die auch dann noch hinter dem Ofen sitzen, sind eben
für die Verwaltung eines Landratsamts ungeeignet. Nach der Regierungs-
instruktiou vom 23. Oktober 1817 soll jeder Rat alljährlich einen Teil seines
Departements bereisen, um sich Orts- und Persvnenkenntnis zu erwerben und
die Kreis- und Ortsbehörden zu revidiren. Die Abstellung von Mängeln soll
er an Ort und Stelle verfügen und, wenn deren Rüge außer seinem Geschäfts¬
kreise liegt, dem Präsidium Anzeige erstatten. Auf der Reise soll er ein Tage¬
buch führen, dessen Inhalt nach der Rückkehr zum Vortrag zu bringen ist.
Ebenso sollen die Mitglieder des Präsidiums und der Präsident selbst jährlich
einen Teil des Bezirks bereisen, um die Dienstführung der Unterbehörden und
der Departementsräte zu prüfen und selbst die nötige Kenntnis der Verhält¬
nisse zu erwerben. Jedes Mitglied der Negierung soll über den Zustand und
die Geschäftslage seines Departements, von dem, was im Lause des Jahres


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[0179] Schäden der preußischen Verwaltung das Telephon befragen oder um eilige Nachsendung der fehlenden Papiere er¬ suchen, so würde die Sache sofort oder doch nach kurzer Zeit erledigt werden können. Statt dessen wird eine schriftliche Verfügung erlassen, bis zu deren Beantwortung zwei Wochen vergehen. Noch drastischer zeigen sich die Folgen dieser mangelhaften Einrichtung, wenn zwei Behörden in dieser schleppenden Weise mit einander verkehren, die an demselben Orte ihren Sitz haben, oder gar zwei Abteilungen derselben Regierung, die praktischerweise in verschiednen Ge¬ bäuden untergebracht sind. In vielen Fällen würde man überhaupt keinen schriftlichen Bericht einzufordern genötigt sein, sondern nach einer Unterredung durch das Telephon und einem kurzen Vermerk über die erhaltne Auskunft in die Akten die Sache erledigen können — das würde in der That eine Ver¬ minderung des Schreibwerks bedeuten. Für die Benutzung der Telephonein- richtnngen müßte der preußische Staat mit der Neichspostverwaltung die Zahlung einer Pauschalsumme vereinbaren, wie das auch für das Porto der Briefe und Pakete geschehen ist. Die Schreibmaschine hat sich in den großen privaten Geschäftsbetrieben bewährt, sie müßte also doch auch in der Staats¬ verwaltung mit Erfolg benutzt werden können. Außerdem müßten Formulare in ausgedehntester Weise benutzt werden. Bei der Expedition der Verfügungen geschieht das allerdings schon jetzt, die Kanzlei muß dann aber diese Seiten¬ längen Verfügungen Wort für Wort abschreiben, was bei den vielen Zahlungs¬ anweisungen, die täglich an die Regierungshauptkasse ergehen, ganz besonders überflüssig ist, nicht weniger aber auch bei vielen andern Sachen, die stets in derselben Form erledigt werden. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie es einzurichten wäre, daß die Beamten sich mehr, als es jetzt geschieht, eine genaue Kenntnis des Landes, der Bedürfnisse der Bevölkerung erwerben. In erster Linie kommen hier die Regierungen in Betracht, denn die Landräte werden sich sofort mehr um die Verhältnisse ihrer Kreise bekümmern, wenn ihre Arbeit im Bureau ver¬ mindert wird, und die, die auch dann noch hinter dem Ofen sitzen, sind eben für die Verwaltung eines Landratsamts ungeeignet. Nach der Regierungs- instruktiou vom 23. Oktober 1817 soll jeder Rat alljährlich einen Teil seines Departements bereisen, um sich Orts- und Persvnenkenntnis zu erwerben und die Kreis- und Ortsbehörden zu revidiren. Die Abstellung von Mängeln soll er an Ort und Stelle verfügen und, wenn deren Rüge außer seinem Geschäfts¬ kreise liegt, dem Präsidium Anzeige erstatten. Auf der Reise soll er ein Tage¬ buch führen, dessen Inhalt nach der Rückkehr zum Vortrag zu bringen ist. Ebenso sollen die Mitglieder des Präsidiums und der Präsident selbst jährlich einen Teil des Bezirks bereisen, um die Dienstführung der Unterbehörden und der Departementsräte zu prüfen und selbst die nötige Kenntnis der Verhält¬ nisse zu erwerben. Jedes Mitglied der Negierung soll über den Zustand und die Geschäftslage seines Departements, von dem, was im Lause des Jahres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/179>, abgerufen am 23.07.2024.