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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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geschehen ist und noch zu thun übrig bleibt, einen allgemeinen Bericht er¬
statten, der zum Hauptverwaltungsbericht zu benutzen ist, nachdem vorher das
nötige verfügt worden ist.

Es sind achtzig Jahre verflossen, seit diese Bestimmungen erlassen worden
sind, und doch bedürfen sie kaum einer Änderung oder Ergänzung. Gesetze
und Verordnungen werden sonst bei uns mit peinlicher Gewissenhaftigkeit aus¬
geführt, die Befolgung dieser Bestimmungen ist aber längst außer Gebrauch
gekommen. Reisen werden nur noch gemacht, um besondre Angelegenheiten zu
erledigen, nicht mehr, um Land und Leute kennen zu lernen, Behörden zu revi-
diren und Mängel an Ort und Stelle zu beseitigen. Allgemeine Verwaltungs¬
berichte werden von den Dezernenten nicht mehr erstattet, und damit ist auch
die genaue Kenntnis aller Verhältnisse des Departements verloren gegangen.
Nun muß man allerdings anerkennen, daß die Vorschriften der Negieruugs-
instruktiou heute schwerer auszuführen sind als früher, weil die Geschäfte
außerordentlich angewachsen sind, und als Folge davon bei den Regierungen
ein weitgehender Spczialismus eingeführt ist. Dazu kommt noch, daß die
Beamten wohl nicht mehr so seßhaft sind wie früher, was wesentlich damit
zusammenhängt, daß die Zahl der etatsmäßigen Stellen viel zu gering ist, und
der größte Teil der Geschäfte von Assessoren besorgt wird, die das bewegliche
Element bei den Regierungen sind. Bei dem häufigen Wechsel in den Dezer¬
nenten und bei dem Spezialismus müßte also stets eine große Anzahl von
Mitgliedern der Regierung den Bezirk bereisen, was schon wegen der dadurch
entstehenden Kosten nicht durchzuführen ist. Wenn man hier eine Besserung
herbeiführen will, so müßte man also dafür sorgen, daß die Dezernate möglichst
lange von denselben Personen verwaltet werden, damit die erworbne Kenntnis
der Verhältnisse auch verwertet werden kaun, und außerdem würde eine den
veränderten Umständen entsprechende Verteilung der Geschäfte vorzunehmen sein.

Jetzt bearbeitet bei den Regierungen der eine Dezernent für den ganzen
Bezirk die Polizeisachen, der zweite die Gewerbesachen, der dritte die Wege¬
sachen usw. Jeder von ihnen beherrscht sein Dezernat theoretisch, aber da er
wegen der Ausdehnung des Bezirks auch in Jahren die Verhältnisse nicht kennen
lernen kaun, so muß er in der Mehrzahl der Fälle aus den Akten verfügen.
Dem könnte man abhelfen, indem man jedem Dezernenten nur einen Teil des
Bezirkes zuwiese, etwa drei oder vier Kreise, und ihn auf diesem begrenzten
Raume in einem erweiterten Geschäftskreise arbeiten ließe. Es wären die De¬
zernate zusammenzulegen, die innerlich verwandt sind, z. B. Polizei-, Bau¬
polizei-, Gewerbepolizei- und Wegesachen, dann wieder die Meliorativnsdezernate
wie Landwirtschaft, Deichsachen, Kleinbahnen, und für jedes dieser neuge¬
schaffnem Gesamtdczernate würde man dann also je nach der Größe des Bezirks
zwei, drei oder auch vier Dezerucnteu haben. Alle Geschäfte ließen sich ja
nicht in dieser Weise verteilen, aber doch die meisten, und die Einrichtung


geschehen ist und noch zu thun übrig bleibt, einen allgemeinen Bericht er¬
statten, der zum Hauptverwaltungsbericht zu benutzen ist, nachdem vorher das
nötige verfügt worden ist.

Es sind achtzig Jahre verflossen, seit diese Bestimmungen erlassen worden
sind, und doch bedürfen sie kaum einer Änderung oder Ergänzung. Gesetze
und Verordnungen werden sonst bei uns mit peinlicher Gewissenhaftigkeit aus¬
geführt, die Befolgung dieser Bestimmungen ist aber längst außer Gebrauch
gekommen. Reisen werden nur noch gemacht, um besondre Angelegenheiten zu
erledigen, nicht mehr, um Land und Leute kennen zu lernen, Behörden zu revi-
diren und Mängel an Ort und Stelle zu beseitigen. Allgemeine Verwaltungs¬
berichte werden von den Dezernenten nicht mehr erstattet, und damit ist auch
die genaue Kenntnis aller Verhältnisse des Departements verloren gegangen.
Nun muß man allerdings anerkennen, daß die Vorschriften der Negieruugs-
instruktiou heute schwerer auszuführen sind als früher, weil die Geschäfte
außerordentlich angewachsen sind, und als Folge davon bei den Regierungen
ein weitgehender Spczialismus eingeführt ist. Dazu kommt noch, daß die
Beamten wohl nicht mehr so seßhaft sind wie früher, was wesentlich damit
zusammenhängt, daß die Zahl der etatsmäßigen Stellen viel zu gering ist, und
der größte Teil der Geschäfte von Assessoren besorgt wird, die das bewegliche
Element bei den Regierungen sind. Bei dem häufigen Wechsel in den Dezer¬
nenten und bei dem Spezialismus müßte also stets eine große Anzahl von
Mitgliedern der Regierung den Bezirk bereisen, was schon wegen der dadurch
entstehenden Kosten nicht durchzuführen ist. Wenn man hier eine Besserung
herbeiführen will, so müßte man also dafür sorgen, daß die Dezernate möglichst
lange von denselben Personen verwaltet werden, damit die erworbne Kenntnis
der Verhältnisse auch verwertet werden kaun, und außerdem würde eine den
veränderten Umständen entsprechende Verteilung der Geschäfte vorzunehmen sein.

Jetzt bearbeitet bei den Regierungen der eine Dezernent für den ganzen
Bezirk die Polizeisachen, der zweite die Gewerbesachen, der dritte die Wege¬
sachen usw. Jeder von ihnen beherrscht sein Dezernat theoretisch, aber da er
wegen der Ausdehnung des Bezirks auch in Jahren die Verhältnisse nicht kennen
lernen kaun, so muß er in der Mehrzahl der Fälle aus den Akten verfügen.
Dem könnte man abhelfen, indem man jedem Dezernenten nur einen Teil des
Bezirkes zuwiese, etwa drei oder vier Kreise, und ihn auf diesem begrenzten
Raume in einem erweiterten Geschäftskreise arbeiten ließe. Es wären die De¬
zernate zusammenzulegen, die innerlich verwandt sind, z. B. Polizei-, Bau¬
polizei-, Gewerbepolizei- und Wegesachen, dann wieder die Meliorativnsdezernate
wie Landwirtschaft, Deichsachen, Kleinbahnen, und für jedes dieser neuge¬
schaffnem Gesamtdczernate würde man dann also je nach der Größe des Bezirks
zwei, drei oder auch vier Dezerucnteu haben. Alle Geschäfte ließen sich ja
nicht in dieser Weise verteilen, aber doch die meisten, und die Einrichtung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/180>, abgerufen am 23.07.2024.