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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Schäden der preußischen Verwaltung

ist unglaublich groß; über die geringfügigsten Dinge wird oft mit einer Aus¬
führlichkeit berichtet, die zur Bedeutung der Sache in keinem Verhältnis steht.

Darin liegt ein Mangel an Vertrauen zu der Einsicht und Gewissenhaftigkeit
dieser Behörden, der dnrch nichts gerechtfertigt ist; gerade durch diese Unselb¬
ständigkeit der Regierungen wird auch das Schreibwerk vermehrt, da jeder
Bericht einer Regierung Anfragen mindestens bei einem Landrat, oft bei allen
Landräten des Bezirks nötig macht, und jeder Landrat wieder seine Amts¬
vorsteher zum Bericht auffordert. Hier also müßte man einsetzen, um eine
Verminderung des Schreibwerks zu erreichen, und die notwendige Einheitlichkeit
in der Verwaltung wäre herzustellen durch allgemeine Direktiven, deren Be¬
satzung durch Revisionen und Inspektionen bis in die unterste Instanz herunter
festgestellt werden müßte. Ergiebt sich dabei, daß Beamte berechtigten An¬
sprüchen nicht genügen, so sollte man sie ebenso rücksichtslos beseitigen, wie
das mit unfähigen Offizieren in der Armee geschieht, statt sie sorgfältig zu
konserviren, bis sie zu wandelnden Mumien werden.

Die nächste Aufgabe wäre, die Erledigung der Geschäfte möglichst zu
beschleunigen durch eine Vereinfachung des Geschäftsgangs namentlich bei
den Regierungen. Wer bei Massow nachliest, in welchen Formen sich dieser
vollzieht, der wird sich nicht mehr wundern, daß er in ganz geringfügigen
Angelegenheiten oft wochenlang auf einen Bescheid warten muß. Bei einer
Negierung gelangt eine eingehende Sache erst nach vier bis fünf Tagen
zum Dezernenten, und ebenso viel Zeit vergeht, bis sie nach ihrer Erledigung
zur Post getragen werden kann. Ist nun die Eiuforderung eines Berichtes
notwendig, so müssen Wochen vergehen, bis auf die Anfrage oder Beschwerde
eine Antwort erteilt werden kann. Bei gutem Willen ließe sich hier vieles
ändern. Massow bemerkt hierzu: "Ich bin überzeugt, wenn ein Direktor von
Krupp und ein Disponent von Rudolf Hertzog sich einmal zusammen daran
machten, den Geschäftsbetrieb bei einer Negierung zu organisiren, mit der Er¬
mächtigung, ihn nach ihren Uscmeen zu gestalten, Telephon, Schreibmaschine
und Stenographie einzuführen, die Arbeitszeiten zu regeln, das Personal zu
verteilen, sie würden in verhältnismäßig kurzer Zeit dem Geschäftsgange ein
zehnmal schnelleres Tempo geben, ohne daß die Gründlichkeit der Bearbeitung
irgendwie darunter litte." Daß die Behörden des preußischen Staats Ein¬
richtungen wie Telephon und Schreibmaschine nicht kennen, sollte man eigent¬
lich nicht glauben, aber es ist so. Eine Regierung müßte doch mit den andern
Behörden desselben Orts, den Landratsümtern und den Polizeiverwaltungen
der größern Städte des Bezirks telephonisch verkehren können, wieviel Zeit und
Arbeit würde da gespart werdeu. Man nehme den Fall, daß ein Bericht nicht
ganz vollständig ist, oder daß man vergessen hat, einige Vorgänge beizufügen,
die für die Beurteilung der Sache unentbehrlich sind, wie das alle Tage vor¬
kommt. Könnte der Dezeruent den Landrat oder die Polizeiverwaltung durch


Schäden der preußischen Verwaltung

ist unglaublich groß; über die geringfügigsten Dinge wird oft mit einer Aus¬
führlichkeit berichtet, die zur Bedeutung der Sache in keinem Verhältnis steht.

Darin liegt ein Mangel an Vertrauen zu der Einsicht und Gewissenhaftigkeit
dieser Behörden, der dnrch nichts gerechtfertigt ist; gerade durch diese Unselb¬
ständigkeit der Regierungen wird auch das Schreibwerk vermehrt, da jeder
Bericht einer Regierung Anfragen mindestens bei einem Landrat, oft bei allen
Landräten des Bezirks nötig macht, und jeder Landrat wieder seine Amts¬
vorsteher zum Bericht auffordert. Hier also müßte man einsetzen, um eine
Verminderung des Schreibwerks zu erreichen, und die notwendige Einheitlichkeit
in der Verwaltung wäre herzustellen durch allgemeine Direktiven, deren Be¬
satzung durch Revisionen und Inspektionen bis in die unterste Instanz herunter
festgestellt werden müßte. Ergiebt sich dabei, daß Beamte berechtigten An¬
sprüchen nicht genügen, so sollte man sie ebenso rücksichtslos beseitigen, wie
das mit unfähigen Offizieren in der Armee geschieht, statt sie sorgfältig zu
konserviren, bis sie zu wandelnden Mumien werden.

Die nächste Aufgabe wäre, die Erledigung der Geschäfte möglichst zu
beschleunigen durch eine Vereinfachung des Geschäftsgangs namentlich bei
den Regierungen. Wer bei Massow nachliest, in welchen Formen sich dieser
vollzieht, der wird sich nicht mehr wundern, daß er in ganz geringfügigen
Angelegenheiten oft wochenlang auf einen Bescheid warten muß. Bei einer
Negierung gelangt eine eingehende Sache erst nach vier bis fünf Tagen
zum Dezernenten, und ebenso viel Zeit vergeht, bis sie nach ihrer Erledigung
zur Post getragen werden kann. Ist nun die Eiuforderung eines Berichtes
notwendig, so müssen Wochen vergehen, bis auf die Anfrage oder Beschwerde
eine Antwort erteilt werden kann. Bei gutem Willen ließe sich hier vieles
ändern. Massow bemerkt hierzu: „Ich bin überzeugt, wenn ein Direktor von
Krupp und ein Disponent von Rudolf Hertzog sich einmal zusammen daran
machten, den Geschäftsbetrieb bei einer Negierung zu organisiren, mit der Er¬
mächtigung, ihn nach ihren Uscmeen zu gestalten, Telephon, Schreibmaschine
und Stenographie einzuführen, die Arbeitszeiten zu regeln, das Personal zu
verteilen, sie würden in verhältnismäßig kurzer Zeit dem Geschäftsgange ein
zehnmal schnelleres Tempo geben, ohne daß die Gründlichkeit der Bearbeitung
irgendwie darunter litte." Daß die Behörden des preußischen Staats Ein¬
richtungen wie Telephon und Schreibmaschine nicht kennen, sollte man eigent¬
lich nicht glauben, aber es ist so. Eine Regierung müßte doch mit den andern
Behörden desselben Orts, den Landratsümtern und den Polizeiverwaltungen
der größern Städte des Bezirks telephonisch verkehren können, wieviel Zeit und
Arbeit würde da gespart werdeu. Man nehme den Fall, daß ein Bericht nicht
ganz vollständig ist, oder daß man vergessen hat, einige Vorgänge beizufügen,
die für die Beurteilung der Sache unentbehrlich sind, wie das alle Tage vor¬
kommt. Könnte der Dezeruent den Landrat oder die Polizeiverwaltung durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/178>, abgerufen am 28.12.2024.