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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland

Monastir auf Saumtieren herschleppen und blieb dabei angewiesen auf das
elende Wasser in der thessalischen Ebne. Wagler aber die Türken einen Marsch
über Pharsalos nach Süden zu, so waren ihre rückwärtigen Verbindungen
von Velestiuv-Volo her sowohl bei Pharsalos als bei Larissa mit Leichtigkeit
zu zerstören.

Hatten die Griechen Truppen, die sie an mehr als eine Verteidigung der
bei Velestino zusammenlaufenden Straßen von Pharsalos und von Larissa
denken lassen konnten, so war außer diesem befestigten Lager ein zweites nahe
dem Ausfluß der Salamvria ins Meer, an dem berühmten Tempethal, zu er¬
richten: auch diese Arbeiten hätten aber längst vor Beginn des Feldzugs unter¬
nommen und mit Gründlichkeit durchgeführt werden müssen. Auch hier waren
zwei Stvßrichtnngen möglich. Die eine westlich gegen die Verbindung von
Lariffa nach Elnsfonci, die zweite nördlich unter dem Schutz der Flotte, östlich
vom Olhmp, zwischen diesem und dem Meer, die alte Heeresstraße, auf der
die Römer zur Vernichtung des makedonischer Reiches vorgedrungen waren.
Hier führte der Weg über Kydros. das antike Phdna, nach Salonik, dem
Vereinigungspunkte der Bahnlinien von Mvnastir-Sorovich-Knraferia und von
Üsküb und Muratli, dem Zentralpuukt der Operationsbasis der türkischen
Armee in Thessalien.

Die Entfernung des Tempethales von Vvlv-Velestino ist zu Land gegen
vier Tagemarsche, für eine Transportflotte betrügt sie etwa fünfzehn Stunden.
Diese Zahlen allein genügen, um zu zeigen, daß es bei hinreichender Verstärkung
dieser beiden Einfallsthore von Thessalien, von denen das eine wenigstens dazu
noch einen vorzüglichen Hafen besitzt, in der Hand der Griechen gelegen wäre,
bald hier bald dort überraschend in starker Zahl aufzutreten. Das hätte
mehr oder weniger erfolgreiche Vorstöße gegen die rückwärtigen Verbindungen
einer nach Thessalien vorgerückten türkischen Armee gestattet und damit den
Osmanen einen längern Aufenthalt in dieser fruchtbaren, aber auch fieberreichen
Landschaft unmöglich gemacht.

Mit einem Rückzug der Türken aus Thessalien, was bei zäher Verteidigung
von Velestino-Volo bloß eine Frage der Zeit war, wäre dann für ein zum
Vorstoß von vornherein zu schwaches griechisches Heer der Augenblick gekommen
gewesen, zum raschen Angriff überzugehen.

Wären von Anfang an auf griechischer Seite mehr tüchtige Truppen vor¬
handen gewesen, als zur durchaus sichern Verteidigung von Volo-Velestino und
des Tempcthals erforderlich sind, so konnte der Offensivstoß, der sonst erst
nach dem Scheitern oder doch wenigstens nach der Stauung des türkischen Vor¬
marsches gegen Süden begonnen werden durfte, schon gleichzeitig mit diesem
ausgeführt werden. Das gegebne Ziel für eine kleinere Unternehmung der
natürlich ungeteilt im Ägäischen Meere beisammen zu haltenden Flotte mit
einem Landungskorps lag bei Dedeagatsch: Zerstörung der Bahnlinie, Unter-


Politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland

Monastir auf Saumtieren herschleppen und blieb dabei angewiesen auf das
elende Wasser in der thessalischen Ebne. Wagler aber die Türken einen Marsch
über Pharsalos nach Süden zu, so waren ihre rückwärtigen Verbindungen
von Velestiuv-Volo her sowohl bei Pharsalos als bei Larissa mit Leichtigkeit
zu zerstören.

Hatten die Griechen Truppen, die sie an mehr als eine Verteidigung der
bei Velestino zusammenlaufenden Straßen von Pharsalos und von Larissa
denken lassen konnten, so war außer diesem befestigten Lager ein zweites nahe
dem Ausfluß der Salamvria ins Meer, an dem berühmten Tempethal, zu er¬
richten: auch diese Arbeiten hätten aber längst vor Beginn des Feldzugs unter¬
nommen und mit Gründlichkeit durchgeführt werden müssen. Auch hier waren
zwei Stvßrichtnngen möglich. Die eine westlich gegen die Verbindung von
Lariffa nach Elnsfonci, die zweite nördlich unter dem Schutz der Flotte, östlich
vom Olhmp, zwischen diesem und dem Meer, die alte Heeresstraße, auf der
die Römer zur Vernichtung des makedonischer Reiches vorgedrungen waren.
Hier führte der Weg über Kydros. das antike Phdna, nach Salonik, dem
Vereinigungspunkte der Bahnlinien von Mvnastir-Sorovich-Knraferia und von
Üsküb und Muratli, dem Zentralpuukt der Operationsbasis der türkischen
Armee in Thessalien.

Die Entfernung des Tempethales von Vvlv-Velestino ist zu Land gegen
vier Tagemarsche, für eine Transportflotte betrügt sie etwa fünfzehn Stunden.
Diese Zahlen allein genügen, um zu zeigen, daß es bei hinreichender Verstärkung
dieser beiden Einfallsthore von Thessalien, von denen das eine wenigstens dazu
noch einen vorzüglichen Hafen besitzt, in der Hand der Griechen gelegen wäre,
bald hier bald dort überraschend in starker Zahl aufzutreten. Das hätte
mehr oder weniger erfolgreiche Vorstöße gegen die rückwärtigen Verbindungen
einer nach Thessalien vorgerückten türkischen Armee gestattet und damit den
Osmanen einen längern Aufenthalt in dieser fruchtbaren, aber auch fieberreichen
Landschaft unmöglich gemacht.

Mit einem Rückzug der Türken aus Thessalien, was bei zäher Verteidigung
von Velestino-Volo bloß eine Frage der Zeit war, wäre dann für ein zum
Vorstoß von vornherein zu schwaches griechisches Heer der Augenblick gekommen
gewesen, zum raschen Angriff überzugehen.

Wären von Anfang an auf griechischer Seite mehr tüchtige Truppen vor¬
handen gewesen, als zur durchaus sichern Verteidigung von Volo-Velestino und
des Tempcthals erforderlich sind, so konnte der Offensivstoß, der sonst erst
nach dem Scheitern oder doch wenigstens nach der Stauung des türkischen Vor¬
marsches gegen Süden begonnen werden durfte, schon gleichzeitig mit diesem
ausgeführt werden. Das gegebne Ziel für eine kleinere Unternehmung der
natürlich ungeteilt im Ägäischen Meere beisammen zu haltenden Flotte mit
einem Landungskorps lag bei Dedeagatsch: Zerstörung der Bahnlinie, Unter-


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[0117] Politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland Monastir auf Saumtieren herschleppen und blieb dabei angewiesen auf das elende Wasser in der thessalischen Ebne. Wagler aber die Türken einen Marsch über Pharsalos nach Süden zu, so waren ihre rückwärtigen Verbindungen von Velestiuv-Volo her sowohl bei Pharsalos als bei Larissa mit Leichtigkeit zu zerstören. Hatten die Griechen Truppen, die sie an mehr als eine Verteidigung der bei Velestino zusammenlaufenden Straßen von Pharsalos und von Larissa denken lassen konnten, so war außer diesem befestigten Lager ein zweites nahe dem Ausfluß der Salamvria ins Meer, an dem berühmten Tempethal, zu er¬ richten: auch diese Arbeiten hätten aber längst vor Beginn des Feldzugs unter¬ nommen und mit Gründlichkeit durchgeführt werden müssen. Auch hier waren zwei Stvßrichtnngen möglich. Die eine westlich gegen die Verbindung von Lariffa nach Elnsfonci, die zweite nördlich unter dem Schutz der Flotte, östlich vom Olhmp, zwischen diesem und dem Meer, die alte Heeresstraße, auf der die Römer zur Vernichtung des makedonischer Reiches vorgedrungen waren. Hier führte der Weg über Kydros. das antike Phdna, nach Salonik, dem Vereinigungspunkte der Bahnlinien von Mvnastir-Sorovich-Knraferia und von Üsküb und Muratli, dem Zentralpuukt der Operationsbasis der türkischen Armee in Thessalien. Die Entfernung des Tempethales von Vvlv-Velestino ist zu Land gegen vier Tagemarsche, für eine Transportflotte betrügt sie etwa fünfzehn Stunden. Diese Zahlen allein genügen, um zu zeigen, daß es bei hinreichender Verstärkung dieser beiden Einfallsthore von Thessalien, von denen das eine wenigstens dazu noch einen vorzüglichen Hafen besitzt, in der Hand der Griechen gelegen wäre, bald hier bald dort überraschend in starker Zahl aufzutreten. Das hätte mehr oder weniger erfolgreiche Vorstöße gegen die rückwärtigen Verbindungen einer nach Thessalien vorgerückten türkischen Armee gestattet und damit den Osmanen einen längern Aufenthalt in dieser fruchtbaren, aber auch fieberreichen Landschaft unmöglich gemacht. Mit einem Rückzug der Türken aus Thessalien, was bei zäher Verteidigung von Velestino-Volo bloß eine Frage der Zeit war, wäre dann für ein zum Vorstoß von vornherein zu schwaches griechisches Heer der Augenblick gekommen gewesen, zum raschen Angriff überzugehen. Wären von Anfang an auf griechischer Seite mehr tüchtige Truppen vor¬ handen gewesen, als zur durchaus sichern Verteidigung von Volo-Velestino und des Tempcthals erforderlich sind, so konnte der Offensivstoß, der sonst erst nach dem Scheitern oder doch wenigstens nach der Stauung des türkischen Vor¬ marsches gegen Süden begonnen werden durfte, schon gleichzeitig mit diesem ausgeführt werden. Das gegebne Ziel für eine kleinere Unternehmung der natürlich ungeteilt im Ägäischen Meere beisammen zu haltenden Flotte mit einem Landungskorps lag bei Dedeagatsch: Zerstörung der Bahnlinie, Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/117>, abgerufen am 23.07.2024.