Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Dörfern, zu denen auch das schlachtenberühmte Ampfüig gehört, große wei߬ sind nun in solchen Gegenden die Wirte von der Höhe wichtiger Organe Natürlich hat der gesteigerte Fremdenverkehr in allen Industrie- und Dörfern, zu denen auch das schlachtenberühmte Ampfüig gehört, große wei߬ sind nun in solchen Gegenden die Wirte von der Höhe wichtiger Organe Natürlich hat der gesteigerte Fremdenverkehr in allen Industrie- und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227001"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_292" prev="#ID_291"> Dörfern, zu denen auch das schlachtenberühmte Ampfüig gehört, große wei߬<lb/> getünchte Häuser, deren dickes Mauerwerk und breite erkergeschmückte Fronten<lb/> einen mächtigen Hof umschließen, der rückwärts von Pferdeställen und Ökonomie-<lb/> gebäudeu umgeben ist. Wo einst Fremde aus aller Herren Ländern Reise<lb/> machten, erzählen sich heute der Förster und der Pfarrer alte Geschichten, und<lb/> den Platz der Postpferde nehmen Ackergäule ein. Aus einem berühmten Um¬<lb/> spanneplatz ist ein Dorfwirtshaus von imposanten, fast historischen Formen<lb/> geworden, überschattet im günstigen Fall von dem Ackergut, das heute die<lb/> Hauptsache ist, wo es früher nur ein Anhängsel des Gasthauses war.</p><lb/> <p xml:id="ID_293"> sind nun in solchen Gegenden die Wirte von der Höhe wichtiger Organe<lb/> des Verkehrs wieder herabgestiegen und zu Bauern geworden, so sind sie doch<lb/> eine besondre Art von Bauern. Überall, wo es noch einen tüchtigen Bauern¬<lb/> stand giebt, bilden die Baueruwirte eine in ihrem Kreis hervorragende, ein¬<lb/> flußreiche Klasse, die die Vorteile des bäuerlichen Lebens mit dem Vorzuge<lb/> verbindet, den die tägliche Berührung mit andern Schichten der Bevölkerung<lb/> und die Verbindung mit den Kannten bietet, in denen das Geld umläuft.<lb/> Das Wirtshaus ist das größte Haus des Dorfes nächst dem Pfarrhaus, in<lb/> seiner Einrichtung steckt ein stattliches Kapital, manches Zimmer scheint ja mit<lb/> seinem ganzen Inhalt aus der Stadt hierher versetzt zu sein. An Kenntnis<lb/> der Menschen und der Wettläufe übertrifft der Wirt oft den Pfarrer und den<lb/> Lehrer, und gar nicht selten führt er mit Würde an dem Honoratioreutisch in<lb/> seiner eignen Gaststube deu Vorsitz. Das hindert ihn freilich nicht, die leeren<lb/> Krttge und Gläser seiner Gäste mit eigner Hand zu füllen. Auch die Wirtin<lb/> und das Töchterlein setzen sich mit ihren Strickstrümpfen an den gemeinsamen<lb/> Tisch, wenn nach dem Nachtmahl ihre Geschäfte in der Küche besorgt sind.<lb/> Mit der am Herrentisch gewonnenen Autorität wandert der Wirt zwischen den<lb/> Bauerntischen umher, die übrigens in der Regel an den Werktagsabenden nicht<lb/> sehr gefüllt siud. Verheiratete, die etwas auf sich halten, und auf die, was<lb/> wichtiger ist, ihre Weiber etwas halten, sind, außer an den Sonntagen, abends<lb/> nicht im Wirtshaus zu treffe».</p><lb/> <p xml:id="ID_294" next="#ID_295"> Natürlich hat der gesteigerte Fremdenverkehr in allen Industrie- und<lb/> Touristeulaudschafteu Deutschlands auch deu Wirt erfaßt und umgeändert, und<lb/> mit ihm alle dienstbaren Geister. Dabei bleibt aber doch immer ein Nest von<lb/> Natur; denn das Wirtsgeschäft ist zu einem so großen Teil angewandte<lb/> Lebenskunst, daß es ohne angeborne Gabe ebenso wenig gelingt wie eine andre<lb/> Kunst. Es liegt nahe, zuerst an die Schauspielkunst zu denken; der Wirt muß<lb/> sich ja „geben" können. Man könnte ebenso gut an jene Kunst des Umganges<lb/> mit Menschen denken, die eine der allerwichtigsten Voraussetzungen der Erfolge<lb/> regierender Fürsten ist. Dem Fürsten rechnet man es hoch an, wenn er die<lb/> Menschen wiedererkennt, die er einmal gesehen hat, und wenn er denen ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
Dörfern, zu denen auch das schlachtenberühmte Ampfüig gehört, große wei߬
getünchte Häuser, deren dickes Mauerwerk und breite erkergeschmückte Fronten
einen mächtigen Hof umschließen, der rückwärts von Pferdeställen und Ökonomie-
gebäudeu umgeben ist. Wo einst Fremde aus aller Herren Ländern Reise
machten, erzählen sich heute der Förster und der Pfarrer alte Geschichten, und
den Platz der Postpferde nehmen Ackergäule ein. Aus einem berühmten Um¬
spanneplatz ist ein Dorfwirtshaus von imposanten, fast historischen Formen
geworden, überschattet im günstigen Fall von dem Ackergut, das heute die
Hauptsache ist, wo es früher nur ein Anhängsel des Gasthauses war.
sind nun in solchen Gegenden die Wirte von der Höhe wichtiger Organe
des Verkehrs wieder herabgestiegen und zu Bauern geworden, so sind sie doch
eine besondre Art von Bauern. Überall, wo es noch einen tüchtigen Bauern¬
stand giebt, bilden die Baueruwirte eine in ihrem Kreis hervorragende, ein¬
flußreiche Klasse, die die Vorteile des bäuerlichen Lebens mit dem Vorzuge
verbindet, den die tägliche Berührung mit andern Schichten der Bevölkerung
und die Verbindung mit den Kannten bietet, in denen das Geld umläuft.
Das Wirtshaus ist das größte Haus des Dorfes nächst dem Pfarrhaus, in
seiner Einrichtung steckt ein stattliches Kapital, manches Zimmer scheint ja mit
seinem ganzen Inhalt aus der Stadt hierher versetzt zu sein. An Kenntnis
der Menschen und der Wettläufe übertrifft der Wirt oft den Pfarrer und den
Lehrer, und gar nicht selten führt er mit Würde an dem Honoratioreutisch in
seiner eignen Gaststube deu Vorsitz. Das hindert ihn freilich nicht, die leeren
Krttge und Gläser seiner Gäste mit eigner Hand zu füllen. Auch die Wirtin
und das Töchterlein setzen sich mit ihren Strickstrümpfen an den gemeinsamen
Tisch, wenn nach dem Nachtmahl ihre Geschäfte in der Küche besorgt sind.
Mit der am Herrentisch gewonnenen Autorität wandert der Wirt zwischen den
Bauerntischen umher, die übrigens in der Regel an den Werktagsabenden nicht
sehr gefüllt siud. Verheiratete, die etwas auf sich halten, und auf die, was
wichtiger ist, ihre Weiber etwas halten, sind, außer an den Sonntagen, abends
nicht im Wirtshaus zu treffe».
Natürlich hat der gesteigerte Fremdenverkehr in allen Industrie- und
Touristeulaudschafteu Deutschlands auch deu Wirt erfaßt und umgeändert, und
mit ihm alle dienstbaren Geister. Dabei bleibt aber doch immer ein Nest von
Natur; denn das Wirtsgeschäft ist zu einem so großen Teil angewandte
Lebenskunst, daß es ohne angeborne Gabe ebenso wenig gelingt wie eine andre
Kunst. Es liegt nahe, zuerst an die Schauspielkunst zu denken; der Wirt muß
sich ja „geben" können. Man könnte ebenso gut an jene Kunst des Umganges
mit Menschen denken, die eine der allerwichtigsten Voraussetzungen der Erfolge
regierender Fürsten ist. Dem Fürsten rechnet man es hoch an, wenn er die
Menschen wiedererkennt, die er einmal gesehen hat, und wenn er denen ein
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