Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Sagenbildmig und Sagenentwicklung Person zurückzuführen: er entspricht dem Amaler Ermcmcirich, der um die Endlich entspricht der Hunnenkönig Etzel unzweifelhaft dem geschichtlichen Was von der Geschichte abweicht, das ist vor allem die Zeitrechnung der Es entsteht nun zunächst die Frage: läßt sich die Darstellung der Sage Als Ausgangspunkt des Ganzen ist anzusehen das wichtige Ereignis der Sagenbildmig und Sagenentwicklung Person zurückzuführen: er entspricht dem Amaler Ermcmcirich, der um die Endlich entspricht der Hunnenkönig Etzel unzweifelhaft dem geschichtlichen Was von der Geschichte abweicht, das ist vor allem die Zeitrechnung der Es entsteht nun zunächst die Frage: läßt sich die Darstellung der Sage Als Ausgangspunkt des Ganzen ist anzusehen das wichtige Ereignis der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226994"/> <fw type="header" place="top"> Sagenbildmig und Sagenentwicklung</fw><lb/> <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> Person zurückzuführen: er entspricht dem Amaler Ermcmcirich, der um die<lb/> Mitte des vierten Jahrhunderts ein großes Gotenreich nördlich vom Schwarzen<lb/> Meere begründete und bis zur Zeit des Hunneneinfalls um 370 beherrschte;<lb/> von ihm erzählt schon der gotische Geschichtschreiber Jvrdanes um 550, daß<lb/> er von zwei Brüdern Ammius und Sarus tötlich verwundet worden sei, weil<lb/> er ihre Schwester Svcmihilda habe vierteilen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_265"> Endlich entspricht der Hunnenkönig Etzel unzweifelhaft dem geschichtlichen<lb/> Attila, der 453 starb; selbst seine vergleichsweise nebensächliche Gattin Helche<lb/> ist in der vou Priscus erwähnten Hauptfrau Attilas, Kreta, wieder gefunden<lb/> worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_266"> Was von der Geschichte abweicht, das ist vor allem die Zeitrechnung der<lb/> Sage: Personen und Ereignisse, die innerhalb von etwa ein und einem halben<lb/> Jahrhundert fallen, sind auf den kurzen Zeitraum von ungefähr einem Menschen¬<lb/> alter zusammengedrängt.</p><lb/> <p xml:id="ID_267"> Es entsteht nun zunächst die Frage: läßt sich die Darstellung der Sage<lb/> so aus der Geschichte ableiten, daß damit sowohl das Gemeinsame wie das<lb/> Unterscheidende erklärt wird? Wir können diese Frage unbedenklich bejahen,<lb/> weil wir einige Zwischenglieder in den Händen haben, die aus dem Zeitraume<lb/> zwischen den Ereignissen, die den Kern bilden (350 bis 500), und dem Ab¬<lb/> schlüsse der sagenhaften Darstellung (dreizehntes Jahrhundert) stammen und<lb/> wenigstens in einigen Fällen die Stufenfolge der Entwicklung anzeigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> Als Ausgangspunkt des Ganzen ist anzusehen das wichtige Ereignis der<lb/> Eroberung Italiens durch Theoderich; die Sage selbst schließt damit im wesent¬<lb/> lichen ab, stellt also alles andre nur als eine Vorgeschichte dieser Thatsache<lb/> hin. Freilich stimmt nichts weiter als die einfache Thatsache der Eroberung,<lb/> alles übrige ist verschoben: Dietrich kommt nicht als Eroberer, sondern als der<lb/> echte König, der sein väterliches Reich in Besitz nimmt, und sein Gegner ist<lb/> nicht mehr Odoaker. Nimmt man aber an, daß, wie es natürlich ist, die Er¬<lb/> innerung an jene Ruhmesthat vor allem bei den Goten und ihren Rechts¬<lb/> nachfolgern gepflegt wurde, so ergiebt sich der Grund der erster« Verschiebung<lb/> vou selbst: der edle und große König Theoderich kann das Reich nicht als ein<lb/> gewaltthätiger Usurpator begründet haben, er kann dabei nur sein und der<lb/> Seinen gutes Recht gewahrt haben. Nun hat er ja in der Geschichte that¬<lb/> sächlich ein besseres Recht als sein Gegner, dadurch daß er von dem römischen<lb/> Kaiser, dem rechtmäßigen Eigentümer Italiens, mit der Eroberung beauftragt<lb/> ist. Aber diese Begründung wurde gewiß ebenso rasch vergessen, wie sich der<lb/> geschichtliche Theoderich von seinem Verhältnis zu Ostrom losmachte. So<lb/> blieb denn nur die Thatsache des bessern Rechts in der Erinnerung und er¬<lb/> weckte folgerichtig die Frage: worin war dieses Recht begründet? warum war<lb/> der Eroberer der echte König, der besiegte aber der Usurpator? Die Antwort<lb/> konnte kaum anders ausfallen, als wie sie ausgefallen ist: der Usurpator hat</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
Sagenbildmig und Sagenentwicklung
Person zurückzuführen: er entspricht dem Amaler Ermcmcirich, der um die
Mitte des vierten Jahrhunderts ein großes Gotenreich nördlich vom Schwarzen
Meere begründete und bis zur Zeit des Hunneneinfalls um 370 beherrschte;
von ihm erzählt schon der gotische Geschichtschreiber Jvrdanes um 550, daß
er von zwei Brüdern Ammius und Sarus tötlich verwundet worden sei, weil
er ihre Schwester Svcmihilda habe vierteilen lassen.
Endlich entspricht der Hunnenkönig Etzel unzweifelhaft dem geschichtlichen
Attila, der 453 starb; selbst seine vergleichsweise nebensächliche Gattin Helche
ist in der vou Priscus erwähnten Hauptfrau Attilas, Kreta, wieder gefunden
worden.
Was von der Geschichte abweicht, das ist vor allem die Zeitrechnung der
Sage: Personen und Ereignisse, die innerhalb von etwa ein und einem halben
Jahrhundert fallen, sind auf den kurzen Zeitraum von ungefähr einem Menschen¬
alter zusammengedrängt.
Es entsteht nun zunächst die Frage: läßt sich die Darstellung der Sage
so aus der Geschichte ableiten, daß damit sowohl das Gemeinsame wie das
Unterscheidende erklärt wird? Wir können diese Frage unbedenklich bejahen,
weil wir einige Zwischenglieder in den Händen haben, die aus dem Zeitraume
zwischen den Ereignissen, die den Kern bilden (350 bis 500), und dem Ab¬
schlüsse der sagenhaften Darstellung (dreizehntes Jahrhundert) stammen und
wenigstens in einigen Fällen die Stufenfolge der Entwicklung anzeigen.
Als Ausgangspunkt des Ganzen ist anzusehen das wichtige Ereignis der
Eroberung Italiens durch Theoderich; die Sage selbst schließt damit im wesent¬
lichen ab, stellt also alles andre nur als eine Vorgeschichte dieser Thatsache
hin. Freilich stimmt nichts weiter als die einfache Thatsache der Eroberung,
alles übrige ist verschoben: Dietrich kommt nicht als Eroberer, sondern als der
echte König, der sein väterliches Reich in Besitz nimmt, und sein Gegner ist
nicht mehr Odoaker. Nimmt man aber an, daß, wie es natürlich ist, die Er¬
innerung an jene Ruhmesthat vor allem bei den Goten und ihren Rechts¬
nachfolgern gepflegt wurde, so ergiebt sich der Grund der erster« Verschiebung
vou selbst: der edle und große König Theoderich kann das Reich nicht als ein
gewaltthätiger Usurpator begründet haben, er kann dabei nur sein und der
Seinen gutes Recht gewahrt haben. Nun hat er ja in der Geschichte that¬
sächlich ein besseres Recht als sein Gegner, dadurch daß er von dem römischen
Kaiser, dem rechtmäßigen Eigentümer Italiens, mit der Eroberung beauftragt
ist. Aber diese Begründung wurde gewiß ebenso rasch vergessen, wie sich der
geschichtliche Theoderich von seinem Verhältnis zu Ostrom losmachte. So
blieb denn nur die Thatsache des bessern Rechts in der Erinnerung und er¬
weckte folgerichtig die Frage: worin war dieses Recht begründet? warum war
der Eroberer der echte König, der besiegte aber der Usurpator? Die Antwort
konnte kaum anders ausfallen, als wie sie ausgefallen ist: der Usurpator hat
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |