Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Zur Geschichte des Rheinbundes Gesandte ein ihre Höfe. Eine Verständigung mit Österreich war auch bereits Je näher die Katastrophe rückte, um so lockerer wurde das Bündnis. Zur Geschichte des Rheinbundes Gesandte ein ihre Höfe. Eine Verständigung mit Österreich war auch bereits Je näher die Katastrophe rückte, um so lockerer wurde das Bündnis. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226987"/> <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte des Rheinbundes</fw><lb/> <p xml:id="ID_247" prev="#ID_246"> Gesandte ein ihre Höfe. Eine Verständigung mit Österreich war auch bereits<lb/> eingeleitet. Bei den Erfolgen Napoleons zu Anfang des Feldzugs und bei<lb/> der Zurückhaltung Österreichs, scheint es, wurde die Verhandlung wieder ab¬<lb/> gebrochen. Die Heeresfolge betrieb aber der König nicht mit dem gewohnten<lb/> Eifer. Er hätte am liebsten seine Truppen im Lande behalten. Das war<lb/> nicht möglich, doch ging die Rüstung langsam von statten, es wurde eine<lb/> schwache Division ins Feld gestellt, und sie erhielt geheime Weisungen, die im<lb/> Notfall bereits die Abschwenknng einleiteten. Inzwischen duldete aber der<lb/> König nichts Disziplinwidriges, und den Offizieren wurden strengstens alle<lb/> Äußerungen untersagt, die „der denen mit Seiner königlichen Majestät ver¬<lb/> bündeten Mächten schuldigen Ehrfurcht zuwiderliefen."</p><lb/> <p xml:id="ID_248"> Je näher die Katastrophe rückte, um so lockerer wurde das Bündnis.<lb/> Schon anfang Oktober fchrieb der König an den Kaiser, er erbitte sich seine<lb/> Truppen aus dem Felde zurück, und am 14. Oktober, also wenige Tage vor<lb/> der Entscheidungsschlacht, erklärte er ihm, daß er, um sein Land vor dem<lb/> sichern Untergang zu retten, sich Waffenstillstand und Neutralität auswirken<lb/> müsse. Der König begründete dies mit der Rücksicht ans Baierns veränderte<lb/> Stellung. Mit Aufmerksamkeit hatte er die Politik des Nachbarlandes verfolgt,<lb/> die ja für ihn selbst schwer ins Gewicht fallen mußte. Daß Baiern aber seine<lb/> Entscheidung bereits getroffen, den Übergang ins Lager der Verbündeten schon<lb/> vollzogen hatte, das war seinem scharfsichtigen Auge entgangen. Diesmal sah<lb/> er sich getäuscht, überlistet, von einem Nachbar überholt, der das stärkste Mi߬<lb/> trauen herausforderte und jetzt auf Grund seines rechtzeitigen Übergangs eine<lb/> Hegemonie in Süddeutschland auszuüben sich anschickte. Der König fand sich<lb/> dadurch plötzlich in eine höchst peinliche Lage versetzt. General Wrede rückte<lb/> an die württembergische Grenze und drohte das Land feindlich zu behandeln,<lb/> wenn der König nicht sofort den Anschluß an die Verbündeten erklärte. Ver¬<lb/> gebens wehrte sich der König, der nicht mit Baiern, sondern nur mit Öster¬<lb/> reich oder sonst einem der Großen abschließen wollte. Von allen Seiten ver¬<lb/> lassen, mußte er dem Druck nachgeben, den Wrede unerbittlich und in rück¬<lb/> sichtslosen Formen ausübte. Die Militärkonvention, die am 24. Oktober in<lb/> Uffenheim mit Wrede abgeschlossen wurde, erschien ihm als die schwerste<lb/> Demütigung seines Lebens. „Je unförmlicher und von offenbarer Gewalt<lb/> zeugender eine solche Pieee ist, desto mehr wird sie einst Europa überzeugen,<lb/> daß kein freier Mann, sondern ein mißhandelter und in seiner Würde tief<lb/> gekränkter nur noch Titnlarkönig sie hat genehmigen müssen," so schrieb der<lb/> König selbst an den Grafen Zeppelin, der die Konvention abgeschlossen hatte.<lb/> Es verwundete ihn tief, daß er einen Entschluß, der schon vorher bei ihm<lb/> feststand, nicht ans freiem Willen durchführen konnte, daß er mit gebundnen<lb/> Händen und Füßen von dem verhaßten Nachbar ins andre Lager geschleppt<lb/> wurde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Zur Geschichte des Rheinbundes
Gesandte ein ihre Höfe. Eine Verständigung mit Österreich war auch bereits
eingeleitet. Bei den Erfolgen Napoleons zu Anfang des Feldzugs und bei
der Zurückhaltung Österreichs, scheint es, wurde die Verhandlung wieder ab¬
gebrochen. Die Heeresfolge betrieb aber der König nicht mit dem gewohnten
Eifer. Er hätte am liebsten seine Truppen im Lande behalten. Das war
nicht möglich, doch ging die Rüstung langsam von statten, es wurde eine
schwache Division ins Feld gestellt, und sie erhielt geheime Weisungen, die im
Notfall bereits die Abschwenknng einleiteten. Inzwischen duldete aber der
König nichts Disziplinwidriges, und den Offizieren wurden strengstens alle
Äußerungen untersagt, die „der denen mit Seiner königlichen Majestät ver¬
bündeten Mächten schuldigen Ehrfurcht zuwiderliefen."
Je näher die Katastrophe rückte, um so lockerer wurde das Bündnis.
Schon anfang Oktober fchrieb der König an den Kaiser, er erbitte sich seine
Truppen aus dem Felde zurück, und am 14. Oktober, also wenige Tage vor
der Entscheidungsschlacht, erklärte er ihm, daß er, um sein Land vor dem
sichern Untergang zu retten, sich Waffenstillstand und Neutralität auswirken
müsse. Der König begründete dies mit der Rücksicht ans Baierns veränderte
Stellung. Mit Aufmerksamkeit hatte er die Politik des Nachbarlandes verfolgt,
die ja für ihn selbst schwer ins Gewicht fallen mußte. Daß Baiern aber seine
Entscheidung bereits getroffen, den Übergang ins Lager der Verbündeten schon
vollzogen hatte, das war seinem scharfsichtigen Auge entgangen. Diesmal sah
er sich getäuscht, überlistet, von einem Nachbar überholt, der das stärkste Mi߬
trauen herausforderte und jetzt auf Grund seines rechtzeitigen Übergangs eine
Hegemonie in Süddeutschland auszuüben sich anschickte. Der König fand sich
dadurch plötzlich in eine höchst peinliche Lage versetzt. General Wrede rückte
an die württembergische Grenze und drohte das Land feindlich zu behandeln,
wenn der König nicht sofort den Anschluß an die Verbündeten erklärte. Ver¬
gebens wehrte sich der König, der nicht mit Baiern, sondern nur mit Öster¬
reich oder sonst einem der Großen abschließen wollte. Von allen Seiten ver¬
lassen, mußte er dem Druck nachgeben, den Wrede unerbittlich und in rück¬
sichtslosen Formen ausübte. Die Militärkonvention, die am 24. Oktober in
Uffenheim mit Wrede abgeschlossen wurde, erschien ihm als die schwerste
Demütigung seines Lebens. „Je unförmlicher und von offenbarer Gewalt
zeugender eine solche Pieee ist, desto mehr wird sie einst Europa überzeugen,
daß kein freier Mann, sondern ein mißhandelter und in seiner Würde tief
gekränkter nur noch Titnlarkönig sie hat genehmigen müssen," so schrieb der
König selbst an den Grafen Zeppelin, der die Konvention abgeschlossen hatte.
Es verwundete ihn tief, daß er einen Entschluß, der schon vorher bei ihm
feststand, nicht ans freiem Willen durchführen konnte, daß er mit gebundnen
Händen und Füßen von dem verhaßten Nachbar ins andre Lager geschleppt
wurde.
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