Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Zur Geschichte des Rheinbundes Jahrhunderts die revolutionäre Regierung Frankreichs die Völker gegen ihre Seinem Ärger über diese Antwort machte der Kaiser in einem seiner ge- Dem Grafen Zeppelin gelang es übrigens ohne Mühe, eine Aussöhnung Zur Geschichte des Rheinbundes Jahrhunderts die revolutionäre Regierung Frankreichs die Völker gegen ihre Seinem Ärger über diese Antwort machte der Kaiser in einem seiner ge- Dem Grafen Zeppelin gelang es übrigens ohne Mühe, eine Aussöhnung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226986"/> <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte des Rheinbundes</fw><lb/> <p xml:id="ID_244" prev="#ID_243"> Jahrhunderts die revolutionäre Regierung Frankreichs die Völker gegen ihre<lb/> Fürsten aufzuwiegeln suchte; in Württemberg hat sich nicht ein einziges Dorf,<lb/> nicht ein einziger Weiler dazu hergegeben, den Wünschen der Aufwiegler zu<lb/> willfahren. Ich regiere jetzt vierzehn Jahre, während welcher sechs aufeinander<lb/> folgende Kriege mich genötigt haben, außerordentliche Auflagen vorzunehmen,<lb/> bedeutende Rekrutirungen anzustellen — ich habe keinerlei Widerrede, keinerlei<lb/> Widerstand gefunden, wohl aber die vollständigste Hingebung und unbedingten<lb/> Gehorsam."</p><lb/> <p xml:id="ID_245"> Seinem Ärger über diese Antwort machte der Kaiser in einem seiner ge-<lb/> wöhnlichen Wutausbrüche Luft. In der Audienz, die der württembergische<lb/> Gesandte Graf Wintzingerode am 3. Februar bei ihm hatte, gebrauchte er solche<lb/> Ausdrücke, daß der Gesandte in seinem Bericht an den König „aus schuldiger<lb/> Ehrfurcht" sie teilweise unterdrücken mußte. Außer der gegen Frankreich ge¬<lb/> richteten Anklage wegen der „unverschuldeten Lasten" hatte der Kaiser eine<lb/> ganze Anzahl von Beschwerdepunkten, mit denen er jetzt losplatzte: der König<lb/> hatte jene beiden mißliebigen Generale Wöllwarth und Walsleben wieder an¬<lb/> gestellt, mau hatte die Liste der in Rußland erfrornen Offiziere veröffentlicht<lb/> und an Neujahr die sonst an diesem Tag, dem Tag der Annahme der Königs¬<lb/> würde, üblichen Festlichkeiten abbestellt, man hatte angefangen den französischen<lb/> Gesandten in Stuttgart von der Gesellschaft auszuschließen. „Führt man sich<lb/> so auf seinen Freunden gegenüber, wenn sie im Unglück sind? Ist das zart¬<lb/> fühlend? Will denn Ihr König, indem er sich so öffentlich gegen mich erklärt,<lb/> sein Volk aufwiegeln und alle Unzufrieduen um sich versammeln? Wenige<lb/> Generale ausgenommen, sind eure Offiziere lauter Näsonneure. Will der König<lb/> mich verhöhnen, will er sich über mich lustig machen? Der Löwe ist noch<lb/> nicht tot, sodaß man über ihn hinunter ...(?) könnte." Der Kaiser war über<lb/> das Benehmen des Königs umso mehr aufgebracht, als er es von ihm am<lb/> wenigsten erwartet hatte. Von allen seinen Verbündeten habe er Versicherungen<lb/> der Teilnahme und des Mitgefühls erhalten, sagte er zum Grafen Zeppelin, den<lb/> Friedrich zur Beschwichtigung des kaiserlichen Zorns nach Paris geschickt hatte.<lb/> „Alle haben dieselben Verluste gehabt, wie Ihr König; er allein aber hatte<lb/> kein Wort für mich, und er ist es doch gewesen, dem ich die unzweideutigsten<lb/> Proben meiner Freundschaft gegeben habe. Er war es allein von allein<lb/> Fürsten des Rheinbunds, mit dem ich über meine Entwürfe, über meine Politik<lb/> sprach."</p><lb/> <p xml:id="ID_246" next="#ID_247"> Dem Grafen Zeppelin gelang es übrigens ohne Mühe, eine Aussöhnung<lb/> zu stände zu bringen. Das Bündnis war gelockert, doch lag beiden Teilen<lb/> daran, in diesem Augenblick den Bruch zu vermeiden. Ohne eine neue An¬<lb/> lehnung gefunden zu haben, hielt es Friedrich für klüger, seinen bisherigen Ver¬<lb/> pflichtungen treu zu bleiben. Daß seine Beziehungen zu Frankreich erkaltet seien,<lb/> daß er temporisire, meldeten Anfang März der österreichische und der preußische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
Zur Geschichte des Rheinbundes
Jahrhunderts die revolutionäre Regierung Frankreichs die Völker gegen ihre
Fürsten aufzuwiegeln suchte; in Württemberg hat sich nicht ein einziges Dorf,
nicht ein einziger Weiler dazu hergegeben, den Wünschen der Aufwiegler zu
willfahren. Ich regiere jetzt vierzehn Jahre, während welcher sechs aufeinander
folgende Kriege mich genötigt haben, außerordentliche Auflagen vorzunehmen,
bedeutende Rekrutirungen anzustellen — ich habe keinerlei Widerrede, keinerlei
Widerstand gefunden, wohl aber die vollständigste Hingebung und unbedingten
Gehorsam."
Seinem Ärger über diese Antwort machte der Kaiser in einem seiner ge-
wöhnlichen Wutausbrüche Luft. In der Audienz, die der württembergische
Gesandte Graf Wintzingerode am 3. Februar bei ihm hatte, gebrauchte er solche
Ausdrücke, daß der Gesandte in seinem Bericht an den König „aus schuldiger
Ehrfurcht" sie teilweise unterdrücken mußte. Außer der gegen Frankreich ge¬
richteten Anklage wegen der „unverschuldeten Lasten" hatte der Kaiser eine
ganze Anzahl von Beschwerdepunkten, mit denen er jetzt losplatzte: der König
hatte jene beiden mißliebigen Generale Wöllwarth und Walsleben wieder an¬
gestellt, mau hatte die Liste der in Rußland erfrornen Offiziere veröffentlicht
und an Neujahr die sonst an diesem Tag, dem Tag der Annahme der Königs¬
würde, üblichen Festlichkeiten abbestellt, man hatte angefangen den französischen
Gesandten in Stuttgart von der Gesellschaft auszuschließen. „Führt man sich
so auf seinen Freunden gegenüber, wenn sie im Unglück sind? Ist das zart¬
fühlend? Will denn Ihr König, indem er sich so öffentlich gegen mich erklärt,
sein Volk aufwiegeln und alle Unzufrieduen um sich versammeln? Wenige
Generale ausgenommen, sind eure Offiziere lauter Näsonneure. Will der König
mich verhöhnen, will er sich über mich lustig machen? Der Löwe ist noch
nicht tot, sodaß man über ihn hinunter ...(?) könnte." Der Kaiser war über
das Benehmen des Königs umso mehr aufgebracht, als er es von ihm am
wenigsten erwartet hatte. Von allen seinen Verbündeten habe er Versicherungen
der Teilnahme und des Mitgefühls erhalten, sagte er zum Grafen Zeppelin, den
Friedrich zur Beschwichtigung des kaiserlichen Zorns nach Paris geschickt hatte.
„Alle haben dieselben Verluste gehabt, wie Ihr König; er allein aber hatte
kein Wort für mich, und er ist es doch gewesen, dem ich die unzweideutigsten
Proben meiner Freundschaft gegeben habe. Er war es allein von allein
Fürsten des Rheinbunds, mit dem ich über meine Entwürfe, über meine Politik
sprach."
Dem Grafen Zeppelin gelang es übrigens ohne Mühe, eine Aussöhnung
zu stände zu bringen. Das Bündnis war gelockert, doch lag beiden Teilen
daran, in diesem Augenblick den Bruch zu vermeiden. Ohne eine neue An¬
lehnung gefunden zu haben, hielt es Friedrich für klüger, seinen bisherigen Ver¬
pflichtungen treu zu bleiben. Daß seine Beziehungen zu Frankreich erkaltet seien,
daß er temporisire, meldeten Anfang März der österreichische und der preußische
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