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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Rheinbundes

in seiner Herrseherwürde verletzt glaubte, als wenn einem fremden Potentaten,
und war es auch der Kaiser Napoleon, eine Ungebühr widerfuhr. An seinen
Untergebnen, auch an den Offizieren mochte er keine Hinneigung zum Fran¬
zösische" leiden. Nachäffung oder Unterwürfigkeit gegen die Fremden war ihm
zuwider. Keinem andern Gott als ihm selbst sollte gehuldigt werden.

Die Erfahrungen, die der König während des russischen Feldzugs machte,
indem er Kränkungen aller Art hinunterschlucken mußte, während er sein
Kontingent von 15000 auf kaum 1000 Manu zusammenschmelzen sah, dienten
dazu, eine Summe von Groll gegen den "Verbündeten" in ihm aufzusammeln.
Wie die Stimmung im Lande selbst nach der russischen Katastrophe war, das
erfahren wir zwar wieder nicht durch die Presse, die geknebelt blieb, aber aus
dem Munde des Königs selbst, der im Februar 1813 an seinen Gesandten in
Paris schrieb: das Mißvergnügen mit allem, was französisch sei, steige täglich,
in Stuttgart und auf dem Laude. Durch die Rückkehr der Offiziere, der
Kranken und Verwundeten werde eine Stimmung erzeugt, die zwar für die
Treue und Anhänglichkeit an ihn selbst und das königliche Haus nichts be¬
fürchten lasse, deren Einfluß auf das Heer aber Besorglichkeit erwecken müsse.
"Die Mißhandlung, so ich in der Person meines Gesandten habe erfahren
müssen, die Äußerungen wegen meiner braven Truppen, die Drohungen gegen
mich und einzelne Diener des Staats haben kein Geheimnis bleiben können.
Der Hof und meine Tafel sind vielleicht die einzigen Orte, wo man diese Ge¬
sinnungen nicht laut werden läßt. Man fängt an, an verschiednen Orten auf
dem Lande Ausrufe an das Volk anzuschlagen, worin man von Befreiung von
dem drückenden Joch unter Mithilfe von Österreich spricht." Schon in dem
Manifest am Neujahrstage, womit der König seinem Volke neue Steuern und
neue Aushebungen ankündigte, hatte er gewagt zu sagen, daß er genötigt sei,
seinen Unterthanen "unverschuldete neue Lasten" auszuwalzen. Die Spitze war
unverkennbar, und der Kaiser verbarg seinen Ärger nicht. Er fand, daß "da¬
durch ein Tadel auf Frankreich geschoben werden wolle," und richtete ein merk¬
würdiges Schreiben an den König, worin er ihm das die Throne bedrohende
Gespenst der Revolution vorhielt und ihm andrerseits als Lohn der gemein¬
samen Anstrengungen die Erhaltung seines gegenwärtigen Besitzstands in Aussicht
stellte; am Schlüsse aber wurde vom König ausdrücklich verlangt, alle unrnhe-
stiftendcn Verbindungen aufzulösen und seinen Unterthanen "die Gefühle der
Freundschaft gegen das französische Volk einzupflanzen." Die Antwort des
Königs war so freimütig als möglich. Einzelne Unruhestifter, meinte er, gebe
es überall, alles tugendbündlerische Wesen aber habe er wirksam überwacht
und niedergehalten. Dann rühmte er die Treue seiner Unterthanen in Worten,
die den Emporkömmling schwer verletzen mußten. "Seit 800 Jahren an die
Familie ihres Fürsten gewöhnt, ist ihre Treue über jeden Zweifel erhaben.
Davon konnte ich mich überzeugen, als in den letzten Jahren des abgelaufnen


Zur Geschichte des Rheinbundes

in seiner Herrseherwürde verletzt glaubte, als wenn einem fremden Potentaten,
und war es auch der Kaiser Napoleon, eine Ungebühr widerfuhr. An seinen
Untergebnen, auch an den Offizieren mochte er keine Hinneigung zum Fran¬
zösische» leiden. Nachäffung oder Unterwürfigkeit gegen die Fremden war ihm
zuwider. Keinem andern Gott als ihm selbst sollte gehuldigt werden.

Die Erfahrungen, die der König während des russischen Feldzugs machte,
indem er Kränkungen aller Art hinunterschlucken mußte, während er sein
Kontingent von 15000 auf kaum 1000 Manu zusammenschmelzen sah, dienten
dazu, eine Summe von Groll gegen den „Verbündeten" in ihm aufzusammeln.
Wie die Stimmung im Lande selbst nach der russischen Katastrophe war, das
erfahren wir zwar wieder nicht durch die Presse, die geknebelt blieb, aber aus
dem Munde des Königs selbst, der im Februar 1813 an seinen Gesandten in
Paris schrieb: das Mißvergnügen mit allem, was französisch sei, steige täglich,
in Stuttgart und auf dem Laude. Durch die Rückkehr der Offiziere, der
Kranken und Verwundeten werde eine Stimmung erzeugt, die zwar für die
Treue und Anhänglichkeit an ihn selbst und das königliche Haus nichts be¬
fürchten lasse, deren Einfluß auf das Heer aber Besorglichkeit erwecken müsse.
„Die Mißhandlung, so ich in der Person meines Gesandten habe erfahren
müssen, die Äußerungen wegen meiner braven Truppen, die Drohungen gegen
mich und einzelne Diener des Staats haben kein Geheimnis bleiben können.
Der Hof und meine Tafel sind vielleicht die einzigen Orte, wo man diese Ge¬
sinnungen nicht laut werden läßt. Man fängt an, an verschiednen Orten auf
dem Lande Ausrufe an das Volk anzuschlagen, worin man von Befreiung von
dem drückenden Joch unter Mithilfe von Österreich spricht." Schon in dem
Manifest am Neujahrstage, womit der König seinem Volke neue Steuern und
neue Aushebungen ankündigte, hatte er gewagt zu sagen, daß er genötigt sei,
seinen Unterthanen „unverschuldete neue Lasten" auszuwalzen. Die Spitze war
unverkennbar, und der Kaiser verbarg seinen Ärger nicht. Er fand, daß „da¬
durch ein Tadel auf Frankreich geschoben werden wolle," und richtete ein merk¬
würdiges Schreiben an den König, worin er ihm das die Throne bedrohende
Gespenst der Revolution vorhielt und ihm andrerseits als Lohn der gemein¬
samen Anstrengungen die Erhaltung seines gegenwärtigen Besitzstands in Aussicht
stellte; am Schlüsse aber wurde vom König ausdrücklich verlangt, alle unrnhe-
stiftendcn Verbindungen aufzulösen und seinen Unterthanen „die Gefühle der
Freundschaft gegen das französische Volk einzupflanzen." Die Antwort des
Königs war so freimütig als möglich. Einzelne Unruhestifter, meinte er, gebe
es überall, alles tugendbündlerische Wesen aber habe er wirksam überwacht
und niedergehalten. Dann rühmte er die Treue seiner Unterthanen in Worten,
die den Emporkömmling schwer verletzen mußten. „Seit 800 Jahren an die
Familie ihres Fürsten gewöhnt, ist ihre Treue über jeden Zweifel erhaben.
Davon konnte ich mich überzeugen, als in den letzten Jahren des abgelaufnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/83>, abgerufen am 08.01.2025.