Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Geschichte des Rheinbundes

der Argwohn, den Napoleon gegen den Geist der höhern württembergischen
Offiziere gefaßt hatte. Die genannten beiden Generale waren denunzirt worden,
daß sie sich üble Reden, irmu.og.is xropos, erlaubt hätten, und ihrer wollte
man sich entledigen. Es kam darüber um 25. Juni 1812 in Kowno, kurz
nach dem Übergang über den Riemen zu einem heftigen Auftritt zwischen
Napoleon und dem Kronprinzen von Württemberg, der damals noch den
Befehl über die Division führte, und noch heftiger fuhr der Kaiser an demselben
Tage den württembergischen General v. Breuuing an. Es schloß sich daran
noch eine Korrespondenz zwischen dem Kaiser und dem Kronprinzen, in der es
noch deutlicher zum Ausdruck kam, daß der Kaiser die Loyalität vieler württem¬
bergischer Offiziere bezweifelte, und daß sein Argwohn bis an die Person des
Kronprinzen selbst reichte. König Friedrich nahm davon Veranlassung, einen
bekümmerten Brief an seinen Sohn zu richten, worin er ihm ein kluges Be¬
trage" gegen den Mann einschärfte, von dessen Gunst das Bestehen seiner
Dynastie abhänge. Daß sich die Offiziere in ihren Briefen nach Hause zum
Teil freimütige Bemerkungen erlaubt hatten, war dem König selbst nicht un¬
bekannt geblieben. Diese Korrespondenzen gingen durch seine Hand, und er
untersagte für die Zukunft mißliebige Äußerungen in den Briefen aus dem
Felde. Daß unter den höhern württembergischen Offizieren ein den Franzosen
abgeneigter Sinn verbreitet war, weiß man auch aus andern Quellen.
I. G. Past erzählt in seinen Denkwürdigkeiten von einer patriotischen Gesell¬
schaft, aus Stuttgartern und Ludwigsbnrgern bestehend, die sich zu gewissen
Zeiten in geschlossenem Raume zu Marbach zusammenfand, und der über¬
wiegend Offiziere angehörten. Auch der zweite Geistliche von Ludwigsburg,
der Vater von Fr. Th. Bischer, mag diesem Kreise angehört haben. Wenigstens
ist von ihm bekannt, daß er ein heftiger Hasser Napoleons war. Leider sind
die Angaben Pasis über diese Gesellschaft, obwohl er Namen nennt, etwas
farblos, wie denn überhaupt seine stilisirte, den Alten nachgebildete Prosa
häufig die volle Deutlichkeit der Dinge vermissen läßt. Noch mehr ist zu
bedauern, daß man sonst über die Stimmung in Schwaben aus dieser Zeit
fast gar keine Berichte oder Bekenntnisse hat. Die Furcht vor Horchern und
Spionen unterdrückte jede freie Äußerung. Der Presse waren die engsten
Schranken gezogen, und selbst in vertrauten Briefen wagte man aus wohl¬
begründeter Furcht vor den allgegenwärtigen Dienern des Monarchen keine
Anspielung, die eine Handhabe für Angeberei geboten hätte. Was von schwä¬
bischen Briefen aus dieser Zeit veröffentlicht ist, berührt niemals öffentliche
Dinge."') Übrigens war König Friedrich viel empfindlicher, wenn er sich selbst



") Auch Uhlands Tagebuch, das kürzlich veröffentlicht worden ist, enthalt sich während der
Rheinbuudszeit aller Aufzeichnungen politischer Art, auch wo sich die Gelegenheit aufzudrängen
scheint. Erst vom Frühjahr 1813 an finden sich kurze zeitgeschichtliche Erwähnungen, und vom
Ende dieses Jahres beginnt Uhlands Muse patriotische Töne anzuschlagen.
Zur Geschichte des Rheinbundes

der Argwohn, den Napoleon gegen den Geist der höhern württembergischen
Offiziere gefaßt hatte. Die genannten beiden Generale waren denunzirt worden,
daß sie sich üble Reden, irmu.og.is xropos, erlaubt hätten, und ihrer wollte
man sich entledigen. Es kam darüber um 25. Juni 1812 in Kowno, kurz
nach dem Übergang über den Riemen zu einem heftigen Auftritt zwischen
Napoleon und dem Kronprinzen von Württemberg, der damals noch den
Befehl über die Division führte, und noch heftiger fuhr der Kaiser an demselben
Tage den württembergischen General v. Breuuing an. Es schloß sich daran
noch eine Korrespondenz zwischen dem Kaiser und dem Kronprinzen, in der es
noch deutlicher zum Ausdruck kam, daß der Kaiser die Loyalität vieler württem¬
bergischer Offiziere bezweifelte, und daß sein Argwohn bis an die Person des
Kronprinzen selbst reichte. König Friedrich nahm davon Veranlassung, einen
bekümmerten Brief an seinen Sohn zu richten, worin er ihm ein kluges Be¬
trage« gegen den Mann einschärfte, von dessen Gunst das Bestehen seiner
Dynastie abhänge. Daß sich die Offiziere in ihren Briefen nach Hause zum
Teil freimütige Bemerkungen erlaubt hatten, war dem König selbst nicht un¬
bekannt geblieben. Diese Korrespondenzen gingen durch seine Hand, und er
untersagte für die Zukunft mißliebige Äußerungen in den Briefen aus dem
Felde. Daß unter den höhern württembergischen Offizieren ein den Franzosen
abgeneigter Sinn verbreitet war, weiß man auch aus andern Quellen.
I. G. Past erzählt in seinen Denkwürdigkeiten von einer patriotischen Gesell¬
schaft, aus Stuttgartern und Ludwigsbnrgern bestehend, die sich zu gewissen
Zeiten in geschlossenem Raume zu Marbach zusammenfand, und der über¬
wiegend Offiziere angehörten. Auch der zweite Geistliche von Ludwigsburg,
der Vater von Fr. Th. Bischer, mag diesem Kreise angehört haben. Wenigstens
ist von ihm bekannt, daß er ein heftiger Hasser Napoleons war. Leider sind
die Angaben Pasis über diese Gesellschaft, obwohl er Namen nennt, etwas
farblos, wie denn überhaupt seine stilisirte, den Alten nachgebildete Prosa
häufig die volle Deutlichkeit der Dinge vermissen läßt. Noch mehr ist zu
bedauern, daß man sonst über die Stimmung in Schwaben aus dieser Zeit
fast gar keine Berichte oder Bekenntnisse hat. Die Furcht vor Horchern und
Spionen unterdrückte jede freie Äußerung. Der Presse waren die engsten
Schranken gezogen, und selbst in vertrauten Briefen wagte man aus wohl¬
begründeter Furcht vor den allgegenwärtigen Dienern des Monarchen keine
Anspielung, die eine Handhabe für Angeberei geboten hätte. Was von schwä¬
bischen Briefen aus dieser Zeit veröffentlicht ist, berührt niemals öffentliche
Dinge."') Übrigens war König Friedrich viel empfindlicher, wenn er sich selbst



") Auch Uhlands Tagebuch, das kürzlich veröffentlicht worden ist, enthalt sich während der
Rheinbuudszeit aller Aufzeichnungen politischer Art, auch wo sich die Gelegenheit aufzudrängen
scheint. Erst vom Frühjahr 1813 an finden sich kurze zeitgeschichtliche Erwähnungen, und vom
Ende dieses Jahres beginnt Uhlands Muse patriotische Töne anzuschlagen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226984"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte des Rheinbundes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_241" prev="#ID_240" next="#ID_242"> der Argwohn, den Napoleon gegen den Geist der höhern württembergischen<lb/>
Offiziere gefaßt hatte. Die genannten beiden Generale waren denunzirt worden,<lb/>
daß sie sich üble Reden, irmu.og.is xropos, erlaubt hätten, und ihrer wollte<lb/>
man sich entledigen. Es kam darüber um 25. Juni 1812 in Kowno, kurz<lb/>
nach dem Übergang über den Riemen zu einem heftigen Auftritt zwischen<lb/>
Napoleon und dem Kronprinzen von Württemberg, der damals noch den<lb/>
Befehl über die Division führte, und noch heftiger fuhr der Kaiser an demselben<lb/>
Tage den württembergischen General v. Breuuing an. Es schloß sich daran<lb/>
noch eine Korrespondenz zwischen dem Kaiser und dem Kronprinzen, in der es<lb/>
noch deutlicher zum Ausdruck kam, daß der Kaiser die Loyalität vieler württem¬<lb/>
bergischer Offiziere bezweifelte, und daß sein Argwohn bis an die Person des<lb/>
Kronprinzen selbst reichte. König Friedrich nahm davon Veranlassung, einen<lb/>
bekümmerten Brief an seinen Sohn zu richten, worin er ihm ein kluges Be¬<lb/>
trage« gegen den Mann einschärfte, von dessen Gunst das Bestehen seiner<lb/>
Dynastie abhänge. Daß sich die Offiziere in ihren Briefen nach Hause zum<lb/>
Teil freimütige Bemerkungen erlaubt hatten, war dem König selbst nicht un¬<lb/>
bekannt geblieben. Diese Korrespondenzen gingen durch seine Hand, und er<lb/>
untersagte für die Zukunft mißliebige Äußerungen in den Briefen aus dem<lb/>
Felde. Daß unter den höhern württembergischen Offizieren ein den Franzosen<lb/>
abgeneigter Sinn verbreitet war, weiß man auch aus andern Quellen.<lb/>
I. G. Past erzählt in seinen Denkwürdigkeiten von einer patriotischen Gesell¬<lb/>
schaft, aus Stuttgartern und Ludwigsbnrgern bestehend, die sich zu gewissen<lb/>
Zeiten in geschlossenem Raume zu Marbach zusammenfand, und der über¬<lb/>
wiegend Offiziere angehörten. Auch der zweite Geistliche von Ludwigsburg,<lb/>
der Vater von Fr. Th. Bischer, mag diesem Kreise angehört haben. Wenigstens<lb/>
ist von ihm bekannt, daß er ein heftiger Hasser Napoleons war. Leider sind<lb/>
die Angaben Pasis über diese Gesellschaft, obwohl er Namen nennt, etwas<lb/>
farblos, wie denn überhaupt seine stilisirte, den Alten nachgebildete Prosa<lb/>
häufig die volle Deutlichkeit der Dinge vermissen läßt. Noch mehr ist zu<lb/>
bedauern, daß man sonst über die Stimmung in Schwaben aus dieser Zeit<lb/>
fast gar keine Berichte oder Bekenntnisse hat. Die Furcht vor Horchern und<lb/>
Spionen unterdrückte jede freie Äußerung. Der Presse waren die engsten<lb/>
Schranken gezogen, und selbst in vertrauten Briefen wagte man aus wohl¬<lb/>
begründeter Furcht vor den allgegenwärtigen Dienern des Monarchen keine<lb/>
Anspielung, die eine Handhabe für Angeberei geboten hätte. Was von schwä¬<lb/>
bischen Briefen aus dieser Zeit veröffentlicht ist, berührt niemals öffentliche<lb/>
Dinge."') Übrigens war König Friedrich viel empfindlicher, wenn er sich selbst</p><lb/>
          <note xml:id="FID_10" place="foot"> ") Auch Uhlands Tagebuch, das kürzlich veröffentlicht worden ist, enthalt sich während der<lb/>
Rheinbuudszeit aller Aufzeichnungen politischer Art, auch wo sich die Gelegenheit aufzudrängen<lb/>
scheint. Erst vom Frühjahr 1813 an finden sich kurze zeitgeschichtliche Erwähnungen, und vom<lb/>
Ende dieses Jahres beginnt Uhlands Muse patriotische Töne anzuschlagen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0082] Zur Geschichte des Rheinbundes der Argwohn, den Napoleon gegen den Geist der höhern württembergischen Offiziere gefaßt hatte. Die genannten beiden Generale waren denunzirt worden, daß sie sich üble Reden, irmu.og.is xropos, erlaubt hätten, und ihrer wollte man sich entledigen. Es kam darüber um 25. Juni 1812 in Kowno, kurz nach dem Übergang über den Riemen zu einem heftigen Auftritt zwischen Napoleon und dem Kronprinzen von Württemberg, der damals noch den Befehl über die Division führte, und noch heftiger fuhr der Kaiser an demselben Tage den württembergischen General v. Breuuing an. Es schloß sich daran noch eine Korrespondenz zwischen dem Kaiser und dem Kronprinzen, in der es noch deutlicher zum Ausdruck kam, daß der Kaiser die Loyalität vieler württem¬ bergischer Offiziere bezweifelte, und daß sein Argwohn bis an die Person des Kronprinzen selbst reichte. König Friedrich nahm davon Veranlassung, einen bekümmerten Brief an seinen Sohn zu richten, worin er ihm ein kluges Be¬ trage« gegen den Mann einschärfte, von dessen Gunst das Bestehen seiner Dynastie abhänge. Daß sich die Offiziere in ihren Briefen nach Hause zum Teil freimütige Bemerkungen erlaubt hatten, war dem König selbst nicht un¬ bekannt geblieben. Diese Korrespondenzen gingen durch seine Hand, und er untersagte für die Zukunft mißliebige Äußerungen in den Briefen aus dem Felde. Daß unter den höhern württembergischen Offizieren ein den Franzosen abgeneigter Sinn verbreitet war, weiß man auch aus andern Quellen. I. G. Past erzählt in seinen Denkwürdigkeiten von einer patriotischen Gesell¬ schaft, aus Stuttgartern und Ludwigsbnrgern bestehend, die sich zu gewissen Zeiten in geschlossenem Raume zu Marbach zusammenfand, und der über¬ wiegend Offiziere angehörten. Auch der zweite Geistliche von Ludwigsburg, der Vater von Fr. Th. Bischer, mag diesem Kreise angehört haben. Wenigstens ist von ihm bekannt, daß er ein heftiger Hasser Napoleons war. Leider sind die Angaben Pasis über diese Gesellschaft, obwohl er Namen nennt, etwas farblos, wie denn überhaupt seine stilisirte, den Alten nachgebildete Prosa häufig die volle Deutlichkeit der Dinge vermissen läßt. Noch mehr ist zu bedauern, daß man sonst über die Stimmung in Schwaben aus dieser Zeit fast gar keine Berichte oder Bekenntnisse hat. Die Furcht vor Horchern und Spionen unterdrückte jede freie Äußerung. Der Presse waren die engsten Schranken gezogen, und selbst in vertrauten Briefen wagte man aus wohl¬ begründeter Furcht vor den allgegenwärtigen Dienern des Monarchen keine Anspielung, die eine Handhabe für Angeberei geboten hätte. Was von schwä¬ bischen Briefen aus dieser Zeit veröffentlicht ist, berührt niemals öffentliche Dinge."') Übrigens war König Friedrich viel empfindlicher, wenn er sich selbst ") Auch Uhlands Tagebuch, das kürzlich veröffentlicht worden ist, enthalt sich während der Rheinbuudszeit aller Aufzeichnungen politischer Art, auch wo sich die Gelegenheit aufzudrängen scheint. Erst vom Frühjahr 1813 an finden sich kurze zeitgeschichtliche Erwähnungen, und vom Ende dieses Jahres beginnt Uhlands Muse patriotische Töne anzuschlagen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/82
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/82>, abgerufen am 08.01.2025.