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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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herauszugeben, auch aus der Zeit des Rheinbunds, und einheimischen Ge¬
schichtschreibern Einblick in die Archivschätze zu gewähren. Pfister hat sich
schon sür seine frühere Studie über den König Friedrich bisher geheim ge¬
haltner Akten bedienen dürfen, und er hat davon einen völlig freimütiger
Gebrauch gemacht. Nichts ist ihm fremder als Beschönigung oder apologe¬
tischer Eifer. Das ist allerdings unzweifelhaft, daß das überlieferte Bild jenes
rohen Despoten, je mehr es in ein quellenmäßiges Licht tritt, zwar keines¬
wegs in sein Gegenteil verkehrt, aber doch um Züge bereichert wird, die ihn
als eine geborne Herrschernatur von nicht gewöhnlichen Eigenschaften erkennen
lassen. Mit rastloser Energie wußte er die Kräfte seines kleinen Erblandes
zu steigern, unter kluger Benutzung der Zeitverhältnisse es inmitten eifer¬
süchtiger Nachbarn um mehr als das doppelte zu erweitern und daraus ein
wohlgeordnetes Staatswesen zu bilden, das für sein Selbstgefühl und seinen
Thatendrang nur immer noch viel zu klein war. Und seine Herrseherwürde
ließ er sich von niemand antasten. Schon frühere Veröffentlichungen haben
gezeigt, daß er auch gegenüber den französischen Generalen und zuweilen selbst
dem Kaiser Napoleon gegenüber eine freimütige Festigkeit, eine rechthaberische
Zähigkeit bewährte, die zu seinen Gunsten in die Wagschale fallen. Er allein
von allen Nheinbundfürsten setzte es durch, von der Heeresfolge nach Spanien
verschont zu bleiben. Als es nach Nußland ging, hatte er die größte Sorg¬
falt auf die Ausbildung seiner Truppe verwandt. War er nicht imstande
gewesen, wie Sachsen, Baiern, Westfalen ein eignes Armeekorps aufzustellen,
so sollte seine Division doch als ein geschlossenes Ganze beisammen bleiben,
unzerrissen, selbständig im innern Dienst, die Truppe einer Verbündeten Macht;
zu ihrem Schutz hatte der König in den Instruktionen an seine Generale be¬
sondre Vorschriften gegeben. Natürlich hatten diese wohlgemeinten Vorkehrungen
nur geringe Wirkung; bald genug kamen Klagen aus dem Felde über gröb¬
liche Hintansetzungen oder schonungslose Ausnutzung, und die Folge waren
dann Beschwerden, mit denen der König dem Kaiser und dessen Generalen
lustig fiel. Am peinlichsten war die Stellung seiner eignen Generale und
Gesandten, die diese Beschwerden zu übermitteln hatten und zum Dank dafür
meistens noch mit Grobheiten von ihrem Herrn überhäuft wurden.

Auch der bestimmte Wunsch des Königs, die württembergische Division
nicht zerrissen zu sehen, wurde nicht geachtet, und darüber war er ganz be¬
sonders ungehalten. Der Kaiser trennte nämlich zwei Kavalleriebrigadcn von
dem Zusammenhang mit der Infanterie und verteilte die einzelnen Regimenter
unter französische Reiterbrigaden, wodurch die beiden Generale v. Wöllwarth
und v. Walsleben außer Verwendung kamen. Als Vorwand für diese Ma߬
regel dienten die zuchtlosen Übergriffe der Reiterei, die nach den Berichten der
württembergischen Generale dadurch hervorgerufen waren, daß man sie ab¬
sichtlich zu gehässigen Requisitionen verwandt hatte. Der wahre Grund war


Grenzboten I 1898 .10

herauszugeben, auch aus der Zeit des Rheinbunds, und einheimischen Ge¬
schichtschreibern Einblick in die Archivschätze zu gewähren. Pfister hat sich
schon sür seine frühere Studie über den König Friedrich bisher geheim ge¬
haltner Akten bedienen dürfen, und er hat davon einen völlig freimütiger
Gebrauch gemacht. Nichts ist ihm fremder als Beschönigung oder apologe¬
tischer Eifer. Das ist allerdings unzweifelhaft, daß das überlieferte Bild jenes
rohen Despoten, je mehr es in ein quellenmäßiges Licht tritt, zwar keines¬
wegs in sein Gegenteil verkehrt, aber doch um Züge bereichert wird, die ihn
als eine geborne Herrschernatur von nicht gewöhnlichen Eigenschaften erkennen
lassen. Mit rastloser Energie wußte er die Kräfte seines kleinen Erblandes
zu steigern, unter kluger Benutzung der Zeitverhältnisse es inmitten eifer¬
süchtiger Nachbarn um mehr als das doppelte zu erweitern und daraus ein
wohlgeordnetes Staatswesen zu bilden, das für sein Selbstgefühl und seinen
Thatendrang nur immer noch viel zu klein war. Und seine Herrseherwürde
ließ er sich von niemand antasten. Schon frühere Veröffentlichungen haben
gezeigt, daß er auch gegenüber den französischen Generalen und zuweilen selbst
dem Kaiser Napoleon gegenüber eine freimütige Festigkeit, eine rechthaberische
Zähigkeit bewährte, die zu seinen Gunsten in die Wagschale fallen. Er allein
von allen Nheinbundfürsten setzte es durch, von der Heeresfolge nach Spanien
verschont zu bleiben. Als es nach Nußland ging, hatte er die größte Sorg¬
falt auf die Ausbildung seiner Truppe verwandt. War er nicht imstande
gewesen, wie Sachsen, Baiern, Westfalen ein eignes Armeekorps aufzustellen,
so sollte seine Division doch als ein geschlossenes Ganze beisammen bleiben,
unzerrissen, selbständig im innern Dienst, die Truppe einer Verbündeten Macht;
zu ihrem Schutz hatte der König in den Instruktionen an seine Generale be¬
sondre Vorschriften gegeben. Natürlich hatten diese wohlgemeinten Vorkehrungen
nur geringe Wirkung; bald genug kamen Klagen aus dem Felde über gröb¬
liche Hintansetzungen oder schonungslose Ausnutzung, und die Folge waren
dann Beschwerden, mit denen der König dem Kaiser und dessen Generalen
lustig fiel. Am peinlichsten war die Stellung seiner eignen Generale und
Gesandten, die diese Beschwerden zu übermitteln hatten und zum Dank dafür
meistens noch mit Grobheiten von ihrem Herrn überhäuft wurden.

Auch der bestimmte Wunsch des Königs, die württembergische Division
nicht zerrissen zu sehen, wurde nicht geachtet, und darüber war er ganz be¬
sonders ungehalten. Der Kaiser trennte nämlich zwei Kavalleriebrigadcn von
dem Zusammenhang mit der Infanterie und verteilte die einzelnen Regimenter
unter französische Reiterbrigaden, wodurch die beiden Generale v. Wöllwarth
und v. Walsleben außer Verwendung kamen. Als Vorwand für diese Ma߬
regel dienten die zuchtlosen Übergriffe der Reiterei, die nach den Berichten der
württembergischen Generale dadurch hervorgerufen waren, daß man sie ab¬
sichtlich zu gehässigen Requisitionen verwandt hatte. Der wahre Grund war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/81>, abgerufen am 07.01.2025.