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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Die Flottenfrage in England 1.332 bis 1.339

Übrigens sind andre Mariner mit noch mehr Schiffsklassen behaftet, und es
ist eine stete Klage der französischen Seeoffiziere, daß ihre Flotte vor allen
andern die größte Zahl von Klaffen und Typen hat. Auch die englische
Flotte ist, wie erwähnt, erst seit der Reorganisation von 1889 auf den Bau
von Schisfsmaterial in nur wenig Klaffen übergegangen. Daß unsre neue
Klasseneinteilung richtig ist, lehrt uns das englische Beispiel und sagt uns
das Urteil der eignen Fachleute. Es würde den Nahmen dieser Abhandlung
überschreiten, wenn die Begründung für jede Klasse hier durchgeführt werden
sollte. Die jetzt bei uns und bei andern Seemächten vorliegenden Erfahrungen
mit diesen Schiffsklasfen lassen es zu, daß der Plau für die Neubauten für
eine Reihe von Jahren im voraus aufgestellt wird, wobei jedoch die immer
fortschreitende Vervollkommnung des einzelnen Typus innerhalb der Klasse
durchaus nicht ausgeschlossen ist. Es ist im Gegenteil die Vervollkommnung
erleichtert, weil die Erfahrungen und die Erprobung der Fortschritte der Technik
jetzt immer von den ältern Schiffen sofort ans die Neubauten derselben Klassen
übertragen werden können. Ans dem Brandenbnrgtyp hat sich der Typ der
Linienschiffe Kaiser Friedrich III. und Kaiser Wilhelm II. entwickelt, und
ebenso wird es in den Kreuzerklasseu werden. Daß die Beschränkung auf
wenige Klassen die Ausbildung der Leute erleichtern und die Reservisten bei
ihrer Einschiffung ans Schiffen der ihnen bekannten Klasse im Kriegsfalle
wieder schneller kriegsbereit machen wird, liegt auf der Hand. Auch der Bau
der Schiffe auf den Werften wird dadurch schneller und billiger.

Wenn sich in Dentschland erst die Ansicht mehr Bahn bricht, daß bei
dem heutigen Stande unsrer Industrie der deutschen Nation kein Geldverlust
aus der größern Thätigkeit im Kriegsschiffban erwachsen kann, weil wir die
Schiffe und das Material für ihren Bau im eignen Lande herstellen, so muß
der uur aus pekuniären Rücksichten gegen die Vorlage gerichtete Widerstand
fallen. Wer aber den größten Vorteil von allen Bauten mit inländischen
Material haben wird, das ist der Arbeiterstand.

Der Kriegsschiffbau wird Tausenden von Arbeitern lohnende Beschäftigung
geben, und vom Verdienst der Arbeiter werden wieder die Gewerbszweige
Gewinn ziehen, die für den Unterhalt und die Veschaffnng von Genuß und
Vergnügen für den Arbeiterstand sorgen. Man kann annehmen, daß auf
Arbeitslohn und Beamtciigehalt drei Viertel der ganzen Summe der Bau¬
kosten eines Kriegsschiffes kommen. Ans der Werft selbst sind im Banpreise
Lohn und Materialwert ungefähr gleich groß. Beim Material macht aber
der Arbeitslohn für die Gewinnung des Rohmaterials im Bergwerks- und
Hnttenbetrieb, für die Herrichtung des Materials zum Gebrauch für die Werft
im Fabrikbetriebe, in mechanischen und elektrotechnischen Anstalten die Hälfte
des Preises aus. Daraus geht auch hervor, daß der Bau eines Kriegsschiffes
weit über die Grenzen der Küstenstädte hinaus auf die Arbeitsverhältnisse
und unsre Industrie günstig einwirkt. Hätten wir wirklich einen solchen Not-


Die Flottenfrage in England 1.332 bis 1.339

Übrigens sind andre Mariner mit noch mehr Schiffsklassen behaftet, und es
ist eine stete Klage der französischen Seeoffiziere, daß ihre Flotte vor allen
andern die größte Zahl von Klaffen und Typen hat. Auch die englische
Flotte ist, wie erwähnt, erst seit der Reorganisation von 1889 auf den Bau
von Schisfsmaterial in nur wenig Klaffen übergegangen. Daß unsre neue
Klasseneinteilung richtig ist, lehrt uns das englische Beispiel und sagt uns
das Urteil der eignen Fachleute. Es würde den Nahmen dieser Abhandlung
überschreiten, wenn die Begründung für jede Klasse hier durchgeführt werden
sollte. Die jetzt bei uns und bei andern Seemächten vorliegenden Erfahrungen
mit diesen Schiffsklasfen lassen es zu, daß der Plau für die Neubauten für
eine Reihe von Jahren im voraus aufgestellt wird, wobei jedoch die immer
fortschreitende Vervollkommnung des einzelnen Typus innerhalb der Klasse
durchaus nicht ausgeschlossen ist. Es ist im Gegenteil die Vervollkommnung
erleichtert, weil die Erfahrungen und die Erprobung der Fortschritte der Technik
jetzt immer von den ältern Schiffen sofort ans die Neubauten derselben Klassen
übertragen werden können. Ans dem Brandenbnrgtyp hat sich der Typ der
Linienschiffe Kaiser Friedrich III. und Kaiser Wilhelm II. entwickelt, und
ebenso wird es in den Kreuzerklasseu werden. Daß die Beschränkung auf
wenige Klassen die Ausbildung der Leute erleichtern und die Reservisten bei
ihrer Einschiffung ans Schiffen der ihnen bekannten Klasse im Kriegsfalle
wieder schneller kriegsbereit machen wird, liegt auf der Hand. Auch der Bau
der Schiffe auf den Werften wird dadurch schneller und billiger.

Wenn sich in Dentschland erst die Ansicht mehr Bahn bricht, daß bei
dem heutigen Stande unsrer Industrie der deutschen Nation kein Geldverlust
aus der größern Thätigkeit im Kriegsschiffban erwachsen kann, weil wir die
Schiffe und das Material für ihren Bau im eignen Lande herstellen, so muß
der uur aus pekuniären Rücksichten gegen die Vorlage gerichtete Widerstand
fallen. Wer aber den größten Vorteil von allen Bauten mit inländischen
Material haben wird, das ist der Arbeiterstand.

Der Kriegsschiffbau wird Tausenden von Arbeitern lohnende Beschäftigung
geben, und vom Verdienst der Arbeiter werden wieder die Gewerbszweige
Gewinn ziehen, die für den Unterhalt und die Veschaffnng von Genuß und
Vergnügen für den Arbeiterstand sorgen. Man kann annehmen, daß auf
Arbeitslohn und Beamtciigehalt drei Viertel der ganzen Summe der Bau¬
kosten eines Kriegsschiffes kommen. Ans der Werft selbst sind im Banpreise
Lohn und Materialwert ungefähr gleich groß. Beim Material macht aber
der Arbeitslohn für die Gewinnung des Rohmaterials im Bergwerks- und
Hnttenbetrieb, für die Herrichtung des Materials zum Gebrauch für die Werft
im Fabrikbetriebe, in mechanischen und elektrotechnischen Anstalten die Hälfte
des Preises aus. Daraus geht auch hervor, daß der Bau eines Kriegsschiffes
weit über die Grenzen der Küstenstädte hinaus auf die Arbeitsverhältnisse
und unsre Industrie günstig einwirkt. Hätten wir wirklich einen solchen Not-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/77>, abgerufen am 08.01.2025.