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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Reichsländische Aeitfragen

Wesen doch nicht anders als die übrigen Notabeln. Er ist nicht weniger
gegen unsre Staatsauffassung eingenommen, namentlich gegen den trotz aller
Irrungen immer wieder hervorbrechenden Ernst, womit wir die staatsbürger¬
liche Gleichheit wahrzumachen suchen, aus dem Nebel der Phrase in Wirklich¬
keit umsetzen. Er soll sich sehr scharf gegen die jetzt einzuführende Kapital¬
rentensteuer aussprechen; das ist glaubhaft und dem mehrfachen Millionär ja
nicht zu verdenken, aber etwas Wasser in den Wein des übersprudelnden
Lobes würde weder für diesen "Ernstfall," noch sonst schaden. Um noch
einiges andre anzuführen: Herr Dr. von Schlumberger, ein wirklich gebildeter
Mann, schriftstellert nicht bloß in französischer, sondern auch in deutscher
Sprache, aber in seinem Hause herrscht französisches Wesen wie nur in irgend
einem Fabrikantenheim, und er duldet es, daß seine Enkel vor dem Militär¬
dienst nach Frankreich flüchten, was sich offiziell Entlassung aus der Staats¬
angehörigkeit vor dem vollendeten siebzehnten Lebensjahre nennt.

Dergleichen hindert ja nicht, Herrn Dr. Schlumbergers und andrer Thätig¬
keit zu schützen und der Schätzung Ausdruck zu geben, es sollte uns jedoch
vor Überschätzung bewahren- Nirgends mehr als in Elsaß-Lothringen ist es
gefährlich, aus den Leuten zu viel zu machen. Es geht immer ans unsre
Kosten; je höher die Stelle, vou der es ausgeht, desto größer die Gefahr. Je
aufgeknöpfter wir sind, desto zugeknöpfter werden sie; davon macht keiner eine
Ausnahme. Auch dem Statthalter gegenüber wird darnach gehandelt, obgleich
natürlich ein so einflußreicher Maun, ein so vornehmer Herr noch dazu, immer
mir das freundliche Gesicht des Januskopfes zugewandt bekommt; auch der
optischen Täuschung wegen, auf die gehofft wird: es gäbe gar kein andres
Gesicht. Beim Statthalter von Manteuffel nahmen seinerzeit manche Notable
noch einen wehleidigem Gesichtszug zu Hilfe, sodaß sein Herz zerschmolz und
nur bei den Leiden seiner "Kerls" die Diamanthürte des Soldaten bewahrte.

Fürst Hohenlohe-Langenburg ist äußerlich und innerlich vornehmer, wie
es schon sein Stammvetter und unmittelbarer Vorgänger war. Für ihn war
es daher nur eine verbindliche Wendung, als er in dem weitern Verlauf seiner
Tischrede die Mitglieder des Landesausschnsses gleichsam um Entschuldigung
bat, daß sie in dieser Tagung soviel Vorlagen zu erledigen hätten. Nur wird
es auch dafür aus dem Wald kaum wieder so herausschallen, wie es hinein¬
geschallt hat; es ist sehr leicht möglich, daß die Quittung in dem Hinweis auf
ein schweres Opfer erteilt werden wird. Und die Herren tagen doch so gern,
wie ich von früher her zu wiederholen habe. Nicht so sehr wegen der Diäten
(20 Mark täglich), obgleich auch diese willkommen sind, als deswegen, weil
während der Tagung die Quelle, aus der unser Landtag gespeist wird, die
Notabilität, noch mehr gilt als sonst. Mich, und sicher nicht mich allein, er¬
innert dieser Zeitraum immer an das, was wir unter dem Statthalter von Man¬
teuffel das ganze Jahr hatten. Ein Beamter z. B., der seine Pflicht thut, '


Reichsländische Aeitfragen

Wesen doch nicht anders als die übrigen Notabeln. Er ist nicht weniger
gegen unsre Staatsauffassung eingenommen, namentlich gegen den trotz aller
Irrungen immer wieder hervorbrechenden Ernst, womit wir die staatsbürger¬
liche Gleichheit wahrzumachen suchen, aus dem Nebel der Phrase in Wirklich¬
keit umsetzen. Er soll sich sehr scharf gegen die jetzt einzuführende Kapital¬
rentensteuer aussprechen; das ist glaubhaft und dem mehrfachen Millionär ja
nicht zu verdenken, aber etwas Wasser in den Wein des übersprudelnden
Lobes würde weder für diesen „Ernstfall," noch sonst schaden. Um noch
einiges andre anzuführen: Herr Dr. von Schlumberger, ein wirklich gebildeter
Mann, schriftstellert nicht bloß in französischer, sondern auch in deutscher
Sprache, aber in seinem Hause herrscht französisches Wesen wie nur in irgend
einem Fabrikantenheim, und er duldet es, daß seine Enkel vor dem Militär¬
dienst nach Frankreich flüchten, was sich offiziell Entlassung aus der Staats¬
angehörigkeit vor dem vollendeten siebzehnten Lebensjahre nennt.

Dergleichen hindert ja nicht, Herrn Dr. Schlumbergers und andrer Thätig¬
keit zu schützen und der Schätzung Ausdruck zu geben, es sollte uns jedoch
vor Überschätzung bewahren- Nirgends mehr als in Elsaß-Lothringen ist es
gefährlich, aus den Leuten zu viel zu machen. Es geht immer ans unsre
Kosten; je höher die Stelle, vou der es ausgeht, desto größer die Gefahr. Je
aufgeknöpfter wir sind, desto zugeknöpfter werden sie; davon macht keiner eine
Ausnahme. Auch dem Statthalter gegenüber wird darnach gehandelt, obgleich
natürlich ein so einflußreicher Maun, ein so vornehmer Herr noch dazu, immer
mir das freundliche Gesicht des Januskopfes zugewandt bekommt; auch der
optischen Täuschung wegen, auf die gehofft wird: es gäbe gar kein andres
Gesicht. Beim Statthalter von Manteuffel nahmen seinerzeit manche Notable
noch einen wehleidigem Gesichtszug zu Hilfe, sodaß sein Herz zerschmolz und
nur bei den Leiden seiner „Kerls" die Diamanthürte des Soldaten bewahrte.

Fürst Hohenlohe-Langenburg ist äußerlich und innerlich vornehmer, wie
es schon sein Stammvetter und unmittelbarer Vorgänger war. Für ihn war
es daher nur eine verbindliche Wendung, als er in dem weitern Verlauf seiner
Tischrede die Mitglieder des Landesausschnsses gleichsam um Entschuldigung
bat, daß sie in dieser Tagung soviel Vorlagen zu erledigen hätten. Nur wird
es auch dafür aus dem Wald kaum wieder so herausschallen, wie es hinein¬
geschallt hat; es ist sehr leicht möglich, daß die Quittung in dem Hinweis auf
ein schweres Opfer erteilt werden wird. Und die Herren tagen doch so gern,
wie ich von früher her zu wiederholen habe. Nicht so sehr wegen der Diäten
(20 Mark täglich), obgleich auch diese willkommen sind, als deswegen, weil
während der Tagung die Quelle, aus der unser Landtag gespeist wird, die
Notabilität, noch mehr gilt als sonst. Mich, und sicher nicht mich allein, er¬
innert dieser Zeitraum immer an das, was wir unter dem Statthalter von Man¬
teuffel das ganze Jahr hatten. Ein Beamter z. B., der seine Pflicht thut, '


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[0643] Reichsländische Aeitfragen Wesen doch nicht anders als die übrigen Notabeln. Er ist nicht weniger gegen unsre Staatsauffassung eingenommen, namentlich gegen den trotz aller Irrungen immer wieder hervorbrechenden Ernst, womit wir die staatsbürger¬ liche Gleichheit wahrzumachen suchen, aus dem Nebel der Phrase in Wirklich¬ keit umsetzen. Er soll sich sehr scharf gegen die jetzt einzuführende Kapital¬ rentensteuer aussprechen; das ist glaubhaft und dem mehrfachen Millionär ja nicht zu verdenken, aber etwas Wasser in den Wein des übersprudelnden Lobes würde weder für diesen „Ernstfall," noch sonst schaden. Um noch einiges andre anzuführen: Herr Dr. von Schlumberger, ein wirklich gebildeter Mann, schriftstellert nicht bloß in französischer, sondern auch in deutscher Sprache, aber in seinem Hause herrscht französisches Wesen wie nur in irgend einem Fabrikantenheim, und er duldet es, daß seine Enkel vor dem Militär¬ dienst nach Frankreich flüchten, was sich offiziell Entlassung aus der Staats¬ angehörigkeit vor dem vollendeten siebzehnten Lebensjahre nennt. Dergleichen hindert ja nicht, Herrn Dr. Schlumbergers und andrer Thätig¬ keit zu schützen und der Schätzung Ausdruck zu geben, es sollte uns jedoch vor Überschätzung bewahren- Nirgends mehr als in Elsaß-Lothringen ist es gefährlich, aus den Leuten zu viel zu machen. Es geht immer ans unsre Kosten; je höher die Stelle, vou der es ausgeht, desto größer die Gefahr. Je aufgeknöpfter wir sind, desto zugeknöpfter werden sie; davon macht keiner eine Ausnahme. Auch dem Statthalter gegenüber wird darnach gehandelt, obgleich natürlich ein so einflußreicher Maun, ein so vornehmer Herr noch dazu, immer mir das freundliche Gesicht des Januskopfes zugewandt bekommt; auch der optischen Täuschung wegen, auf die gehofft wird: es gäbe gar kein andres Gesicht. Beim Statthalter von Manteuffel nahmen seinerzeit manche Notable noch einen wehleidigem Gesichtszug zu Hilfe, sodaß sein Herz zerschmolz und nur bei den Leiden seiner „Kerls" die Diamanthürte des Soldaten bewahrte. Fürst Hohenlohe-Langenburg ist äußerlich und innerlich vornehmer, wie es schon sein Stammvetter und unmittelbarer Vorgänger war. Für ihn war es daher nur eine verbindliche Wendung, als er in dem weitern Verlauf seiner Tischrede die Mitglieder des Landesausschnsses gleichsam um Entschuldigung bat, daß sie in dieser Tagung soviel Vorlagen zu erledigen hätten. Nur wird es auch dafür aus dem Wald kaum wieder so herausschallen, wie es hinein¬ geschallt hat; es ist sehr leicht möglich, daß die Quittung in dem Hinweis auf ein schweres Opfer erteilt werden wird. Und die Herren tagen doch so gern, wie ich von früher her zu wiederholen habe. Nicht so sehr wegen der Diäten (20 Mark täglich), obgleich auch diese willkommen sind, als deswegen, weil während der Tagung die Quelle, aus der unser Landtag gespeist wird, die Notabilität, noch mehr gilt als sonst. Mich, und sicher nicht mich allein, er¬ innert dieser Zeitraum immer an das, was wir unter dem Statthalter von Man¬ teuffel das ganze Jahr hatten. Ein Beamter z. B., der seine Pflicht thut, '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/643>, abgerufen am 09.01.2025.