Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Verfahren für nur informatorisch erklärte "ut die entscheidende Beweisaufnahme vor Auch diese zweite Lösung wäre ein großer Fortschritt gegen den jetzigen Zunächst freilich wird es sich um das Schicksal der Kvmmissionsvorlage handeln. Verkehrte Unterstützungsgrundsätze. Ein eigentümlicher Vorgang, der Maßgebliches und Unmaßgebliches Verfahren für nur informatorisch erklärte »ut die entscheidende Beweisaufnahme vor Auch diese zweite Lösung wäre ein großer Fortschritt gegen den jetzigen Zunächst freilich wird es sich um das Schicksal der Kvmmissionsvorlage handeln. Verkehrte Unterstützungsgrundsätze. Ein eigentümlicher Vorgang, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0623" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227525"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2274" prev="#ID_2273"> Verfahren für nur informatorisch erklärte »ut die entscheidende Beweisaufnahme vor<lb/> die Sprnchgerichte verlegte. Mit dieser Unmittelbarkeit wäre das gegeben, was<lb/> man in der Regel mündliches Verfahren nennt: daß der zur Entscheidung berufne<lb/> Richter und Geschworne den Angeklagten und die Zeugen selbst sieht und hört.<lb/> Alles weitere könnte bleiben oder wäre Verordnungssache. So steht es ja nicht,<lb/> daß die preußischem Militärgerichte weniger gewissenhaft, und daß ungerechte Ur¬<lb/> teile bei ihnen häufiger wären; das preußische Verfahren in seiner jetzigen Gestalt<lb/> ist nur umständlich und schablonenhaft. Wie würden die Auditeure und die untcr-<lb/> suchuugsühreuden Offiziere aufatmen, wenn sie es beispielsweise nicht mehr nötig<lb/> hätten, die übereinstimmende Aussage vou fünf Augenzeugen jedesmal mit denselben<lb/> Worten neu zu protokolliren! Wie schnell und doch erschöpfend könnten sich in<lb/> den meisten Fällen Untersuchung und Entscheidung an einander anschließen, wenn<lb/> vor deu Spruchgerichteu der Bericht des Auditeurs mir als Einleitung diente, und<lb/> darauf sofort die Vernehmung des Angeklagten und der Zeugen folgte! Gerade<lb/> beim Militär hat die Strafe sehr häufig exemplarische» Charakter: je schneller sie<lb/> ans die That folgt, umso mehr wirkt sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2275"> Auch diese zweite Lösung wäre ein großer Fortschritt gegen den jetzigen<lb/> Zustand und käme dem größten Teil des dentschen Heeres zu gute. Sie läßt sich<lb/> ohne irgend welche Mehrkosten erreichen. Die Übertragung des bayrischen Militär-<lb/> gerichtswescns auf ganz Deutschland wäre ja im Vergleich dazu ganze Arbeit, aber<lb/> wenn sie ähnlich viel kostet wie die von Preußen vorgeschlagne Reform, so wird<lb/> die, juristisch betrachtet, halbe Reform vou jedem vorgezogen werden, der die ganze<lb/> Frage nicht durch ein Vergrößerungsglas, sondern in ihren natürlichen Größenver¬<lb/> hältnissen betrachtet. Außer dem Gerichtswesen soll ja an dem, was sich Bayern<lb/> vorbehalten hat, nichts geändert werden. Wie groß ist das Ganze, wie gering der<lb/> Bruchteil! Und dafür solle» jährlich Hunderttausende geopfert werden, als fest¬<lb/> gelegte Ausgaben, während eine kleine Etatsüberschreitnng beim Flottenbau als eine<lb/> Erschütterung der ganzen Reichsordnung ausposaunt wird! yuMÄIii prnclsntia!</p><lb/> <p xml:id="ID_2276"> Zunächst freilich wird es sich um das Schicksal der Kvmmissionsvorlage handeln.<lb/> Nur für den Fall, daß die Reform in dieser Gestalt scheiterte, würde eine der beiden<lb/> hier besprochnen Lösungen in Frage kommen können. Möchte es doch dahin kommen!<lb/> Es ist ja ganz selbstverständlich, daß der militärische Strafprozeß nicht dauernd<lb/> auf Grundlagen aufgebaut bleiben kann, die sich als unzweckmäßig erwiese» haben<lb/> und im bürgerlichen Strafprozeß durch bessere ersetzt worden sind. Eine Reform<lb/> ist also unabweislich, aber uuter den möglichen Wege» dazu wäre der vorzuziehen<lb/> gewesen, der vou den bewährten Bestandteilen am meisten rettete, der bundes¬<lb/> freundlichste war und am wenigsten Mehrkosten verursachte. Statt dessen haben<lb/> sich Parteipolitik und Gesctzmacherei zusammengethan; das Ergebnis ist darnach<lb/> ausgefallen. Gewisse Parlamentsströmnngen tragen jn die Hauptschuld daran, aber<lb/> es wird, mag es auch diesmal noch gnädig ablaufen, immer wieder so oder ähnlich<lb/> kommen, so lange als das, was man Staatsratsarbeit nennen könnte, zu einer poli¬<lb/> tischen Frage anfgebanscht werden kann. Das wieder wird nicht eher aufhören,<lb/> c>is bis das Argument, in dergleichen Dingen stünde dem Parlament wohl An¬<lb/> nehmen oder Ablehnen zu, aber kein Amendiren. nicht mehr bloß eine theoretische<lb/> Wahrheit sein wird, sondern eine solche, die ihre gewiß zahlreichen Anhänger zu<lb/><note type="byline"> L. n.</note> Politischen Zusammenhalten treibt. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Verkehrte Unterstützungsgrundsätze.</head> <p xml:id="ID_2277" next="#ID_2278"> Ein eigentümlicher Vorgang, der<lb/> ernste Bedenken errege» muß, hat sich bei der parlamentarischen Behandlung des<lb/> Gesetzentwurfs abgespielt, den die preußische Regierung am 3. Februar dem Land-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0623]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Verfahren für nur informatorisch erklärte »ut die entscheidende Beweisaufnahme vor
die Sprnchgerichte verlegte. Mit dieser Unmittelbarkeit wäre das gegeben, was
man in der Regel mündliches Verfahren nennt: daß der zur Entscheidung berufne
Richter und Geschworne den Angeklagten und die Zeugen selbst sieht und hört.
Alles weitere könnte bleiben oder wäre Verordnungssache. So steht es ja nicht,
daß die preußischem Militärgerichte weniger gewissenhaft, und daß ungerechte Ur¬
teile bei ihnen häufiger wären; das preußische Verfahren in seiner jetzigen Gestalt
ist nur umständlich und schablonenhaft. Wie würden die Auditeure und die untcr-
suchuugsühreuden Offiziere aufatmen, wenn sie es beispielsweise nicht mehr nötig
hätten, die übereinstimmende Aussage vou fünf Augenzeugen jedesmal mit denselben
Worten neu zu protokolliren! Wie schnell und doch erschöpfend könnten sich in
den meisten Fällen Untersuchung und Entscheidung an einander anschließen, wenn
vor deu Spruchgerichteu der Bericht des Auditeurs mir als Einleitung diente, und
darauf sofort die Vernehmung des Angeklagten und der Zeugen folgte! Gerade
beim Militär hat die Strafe sehr häufig exemplarische» Charakter: je schneller sie
ans die That folgt, umso mehr wirkt sie.
Auch diese zweite Lösung wäre ein großer Fortschritt gegen den jetzigen
Zustand und käme dem größten Teil des dentschen Heeres zu gute. Sie läßt sich
ohne irgend welche Mehrkosten erreichen. Die Übertragung des bayrischen Militär-
gerichtswescns auf ganz Deutschland wäre ja im Vergleich dazu ganze Arbeit, aber
wenn sie ähnlich viel kostet wie die von Preußen vorgeschlagne Reform, so wird
die, juristisch betrachtet, halbe Reform vou jedem vorgezogen werden, der die ganze
Frage nicht durch ein Vergrößerungsglas, sondern in ihren natürlichen Größenver¬
hältnissen betrachtet. Außer dem Gerichtswesen soll ja an dem, was sich Bayern
vorbehalten hat, nichts geändert werden. Wie groß ist das Ganze, wie gering der
Bruchteil! Und dafür solle» jährlich Hunderttausende geopfert werden, als fest¬
gelegte Ausgaben, während eine kleine Etatsüberschreitnng beim Flottenbau als eine
Erschütterung der ganzen Reichsordnung ausposaunt wird! yuMÄIii prnclsntia!
Zunächst freilich wird es sich um das Schicksal der Kvmmissionsvorlage handeln.
Nur für den Fall, daß die Reform in dieser Gestalt scheiterte, würde eine der beiden
hier besprochnen Lösungen in Frage kommen können. Möchte es doch dahin kommen!
Es ist ja ganz selbstverständlich, daß der militärische Strafprozeß nicht dauernd
auf Grundlagen aufgebaut bleiben kann, die sich als unzweckmäßig erwiese» haben
und im bürgerlichen Strafprozeß durch bessere ersetzt worden sind. Eine Reform
ist also unabweislich, aber uuter den möglichen Wege» dazu wäre der vorzuziehen
gewesen, der vou den bewährten Bestandteilen am meisten rettete, der bundes¬
freundlichste war und am wenigsten Mehrkosten verursachte. Statt dessen haben
sich Parteipolitik und Gesctzmacherei zusammengethan; das Ergebnis ist darnach
ausgefallen. Gewisse Parlamentsströmnngen tragen jn die Hauptschuld daran, aber
es wird, mag es auch diesmal noch gnädig ablaufen, immer wieder so oder ähnlich
kommen, so lange als das, was man Staatsratsarbeit nennen könnte, zu einer poli¬
tischen Frage anfgebanscht werden kann. Das wieder wird nicht eher aufhören,
c>is bis das Argument, in dergleichen Dingen stünde dem Parlament wohl An¬
nehmen oder Ablehnen zu, aber kein Amendiren. nicht mehr bloß eine theoretische
Wahrheit sein wird, sondern eine solche, die ihre gewiß zahlreichen Anhänger zu
L. n. Politischen Zusammenhalten treibt.
Verkehrte Unterstützungsgrundsätze. Ein eigentümlicher Vorgang, der
ernste Bedenken errege» muß, hat sich bei der parlamentarischen Behandlung des
Gesetzentwurfs abgespielt, den die preußische Regierung am 3. Februar dem Land-
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