Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliche¬ ist wirksam gesichert, und für ernste Kontrolle ist die Thür des Gerichtssaals ge¬ Daß auch die bayrische Militärgerichtsorduung mit militärischem Geist und Das Zivilstrafgesetzbuch ist ein Gesetz, das, gering gerechnet, hundertmal Diese Lösung ist von dem Verfasser dieser Erörterungen in den Grenzboten schon Maßgebliches und Unmaßgebliche¬ ist wirksam gesichert, und für ernste Kontrolle ist die Thür des Gerichtssaals ge¬ Daß auch die bayrische Militärgerichtsorduung mit militärischem Geist und Das Zivilstrafgesetzbuch ist ein Gesetz, das, gering gerechnet, hundertmal Diese Lösung ist von dem Verfasser dieser Erörterungen in den Grenzboten schon <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0622" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227524"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliche¬</fw><lb/> <p xml:id="ID_2270" prev="#ID_2269"> ist wirksam gesichert, und für ernste Kontrolle ist die Thür des Gerichtssaals ge¬<lb/> öffnet, wahrend sie leichtfertiger und skandalsüchtiger Neugierde verschlösse» werden<lb/> kann. Nach beiden Systemen sind es vornehmlich die Auditeure, die das Be-<lb/> lastungs- und Eutlastnugsinaterial sammeln, also das Vorverfahren beherrschen, der<lb/> Spruch dagegen fällt Offizieren und Unteroffizieren, in Preußen auch den Mann¬<lb/> schaften zu, wobei natürlich für die Besetzung des einzelnen Spruchgcrichts der<lb/> militärische Rang des Angeklagten maßgebend ist, aber sonst das Geschworncnwesen<lb/> den nächsten Vergleich bietet; in Bayern kommt für die Sache sogar der Name<lb/> selbst vor. Die Bestimmung und Zuständigkeit der Gerichtspersonen und der<lb/> Gerichtsbehörden, also die Gerichtsverfassung im engern Sinn, ist nach dem<lb/> bayrischen System mannigfaltiger und mehr modern gegliedert, nach dem preußischen<lb/> jedoch nicht weniger zweckmäßig und dabei einfacher und weniger teuer.</p><lb/> <p xml:id="ID_2271"> Daß auch die bayrische Militärgerichtsorduung mit militärischem Geist und<lb/> militärischer Zucht vereinbar ist, zeigt der allgemein anerkannte Aufschwung der<lb/> beiden bayrischen Armeekorps. In Bayern ist man mit der jetzigen Ordnung zu¬<lb/> frieden, im Bereich des preußischen Systems dagegen wird eine Reform fast all¬<lb/> gemein verlangt und ist in der That dringend zu wünschen. Die beiden Stich¬<lb/> worte, worin das Reformbedürfuis in der Regel zusammengefaßt wird, sind<lb/> Öffentlichkeit und Mündlichkeit, also gerade die beiden Merkmale, wodurch sich das<lb/> bayrische System vor dem preußischen auszeichnet. Außerdem wird allgemein er¬<lb/> wartet, daß das Verfahren für alle Teile des deutschen Heeres übereinstimme und<lb/> in ein gemeinschaftliches Militärobergericht als Spitze auslaufe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2272"> Das Zivilstrafgesetzbuch ist ein Gesetz, das, gering gerechnet, hundertmal<lb/> häufiger angewandt wird als irgend eine Militärgerichtsordnung; seine Eiuzel-<lb/> bestimmungcn sind auch dem Streit um das bessere weit mehr unterworfen, es ist<lb/> aber mit vielen andern Gesetzen bei der Gründung des Reichs in ganz Süd¬<lb/> deutschland on dive eingeführt worden. Die Analogie dessen drängt sich geradezu<lb/> auf: Übertragung der bayrischen Militärgerichtsordnung auf das ganze deutsche<lb/> Heer durch Reichsgesetz, neue Redaktion durch Verordnung des Bundesrath. Dieser<lb/> Vorschlag, von Preußen ausgegangen, würde den vortrefflichsten Eindruck gemacht<lb/> und statt des Politischen Streits politische Befriedigung hervorgerufen haben. Es<lb/> ist auch anzunehmen, daß Bayern den betreffenden Teil seiner Reservatrechtc recht<lb/> gern dreingegeben hätte, weil ihm die Kostenersparnis mehr wert sein muß als<lb/> ein eignes Militärobergericht, und ihm nur daran liegen kann, das Prinzip zu<lb/> wahren. In diesem steht, wie kaum zu bestreiten ist, das Recht ans der Seite<lb/> Bayerns, denn seine rechtliche Sonderstellung erstreckt sich zwar nicht ans dauernde<lb/> Beibehaltung der Vorschriften, die den moclus xrveöäönäi und die Art oder Form<lb/> der Einrichtungen regeln, wohl aber darauf, daß seine beiden Armeekorps in jedem<lb/> Stück von der Milverwaltnng des Reichs und Preußens ausgenommen bleiben.<lb/> Bundesrechtlich kann keine Militärbehörde des Reichs oder Preußens auf Bayern<lb/> ohne seine Zustimmung ausgedehnt werden, und in allen Personenfragen ist es<lb/> völlig frei. Diese Auffassung ist, wie bestimmt verlautet, auch die des besten<lb/> Kenners, des Fürsten Bismarck.</p><lb/> <p xml:id="ID_2273" next="#ID_2274"> Diese Lösung ist von dem Verfasser dieser Erörterungen in den Grenzboten schon<lb/> einmal angeregt worden, vor der jetzigen Tagung des Reichstags, als der preußische<lb/> Entwurf noch nicht bekannt war. Es giebt jedoch noch eine zweite Lösung, die<lb/> dem zweifellos und allgemein empfundnen Refvrmbedürfnis gerecht wird, ohne<lb/> Preußen bloßzustellen und Bayern vor den Kopf zu stoßen. Das ist eine für den<lb/> Geltungsbereich der preußischen Militärstrafprozeßordnung von 1345 berechnete<lb/> Novelle, die die Öffentlichkeit nach bayrischen Muster festsetzte, das schriftliche Vor-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0622]
Maßgebliches und Unmaßgebliche¬
ist wirksam gesichert, und für ernste Kontrolle ist die Thür des Gerichtssaals ge¬
öffnet, wahrend sie leichtfertiger und skandalsüchtiger Neugierde verschlösse» werden
kann. Nach beiden Systemen sind es vornehmlich die Auditeure, die das Be-
lastungs- und Eutlastnugsinaterial sammeln, also das Vorverfahren beherrschen, der
Spruch dagegen fällt Offizieren und Unteroffizieren, in Preußen auch den Mann¬
schaften zu, wobei natürlich für die Besetzung des einzelnen Spruchgcrichts der
militärische Rang des Angeklagten maßgebend ist, aber sonst das Geschworncnwesen
den nächsten Vergleich bietet; in Bayern kommt für die Sache sogar der Name
selbst vor. Die Bestimmung und Zuständigkeit der Gerichtspersonen und der
Gerichtsbehörden, also die Gerichtsverfassung im engern Sinn, ist nach dem
bayrischen System mannigfaltiger und mehr modern gegliedert, nach dem preußischen
jedoch nicht weniger zweckmäßig und dabei einfacher und weniger teuer.
Daß auch die bayrische Militärgerichtsorduung mit militärischem Geist und
militärischer Zucht vereinbar ist, zeigt der allgemein anerkannte Aufschwung der
beiden bayrischen Armeekorps. In Bayern ist man mit der jetzigen Ordnung zu¬
frieden, im Bereich des preußischen Systems dagegen wird eine Reform fast all¬
gemein verlangt und ist in der That dringend zu wünschen. Die beiden Stich¬
worte, worin das Reformbedürfuis in der Regel zusammengefaßt wird, sind
Öffentlichkeit und Mündlichkeit, also gerade die beiden Merkmale, wodurch sich das
bayrische System vor dem preußischen auszeichnet. Außerdem wird allgemein er¬
wartet, daß das Verfahren für alle Teile des deutschen Heeres übereinstimme und
in ein gemeinschaftliches Militärobergericht als Spitze auslaufe.
Das Zivilstrafgesetzbuch ist ein Gesetz, das, gering gerechnet, hundertmal
häufiger angewandt wird als irgend eine Militärgerichtsordnung; seine Eiuzel-
bestimmungcn sind auch dem Streit um das bessere weit mehr unterworfen, es ist
aber mit vielen andern Gesetzen bei der Gründung des Reichs in ganz Süd¬
deutschland on dive eingeführt worden. Die Analogie dessen drängt sich geradezu
auf: Übertragung der bayrischen Militärgerichtsordnung auf das ganze deutsche
Heer durch Reichsgesetz, neue Redaktion durch Verordnung des Bundesrath. Dieser
Vorschlag, von Preußen ausgegangen, würde den vortrefflichsten Eindruck gemacht
und statt des Politischen Streits politische Befriedigung hervorgerufen haben. Es
ist auch anzunehmen, daß Bayern den betreffenden Teil seiner Reservatrechtc recht
gern dreingegeben hätte, weil ihm die Kostenersparnis mehr wert sein muß als
ein eignes Militärobergericht, und ihm nur daran liegen kann, das Prinzip zu
wahren. In diesem steht, wie kaum zu bestreiten ist, das Recht ans der Seite
Bayerns, denn seine rechtliche Sonderstellung erstreckt sich zwar nicht ans dauernde
Beibehaltung der Vorschriften, die den moclus xrveöäönäi und die Art oder Form
der Einrichtungen regeln, wohl aber darauf, daß seine beiden Armeekorps in jedem
Stück von der Milverwaltnng des Reichs und Preußens ausgenommen bleiben.
Bundesrechtlich kann keine Militärbehörde des Reichs oder Preußens auf Bayern
ohne seine Zustimmung ausgedehnt werden, und in allen Personenfragen ist es
völlig frei. Diese Auffassung ist, wie bestimmt verlautet, auch die des besten
Kenners, des Fürsten Bismarck.
Diese Lösung ist von dem Verfasser dieser Erörterungen in den Grenzboten schon
einmal angeregt worden, vor der jetzigen Tagung des Reichstags, als der preußische
Entwurf noch nicht bekannt war. Es giebt jedoch noch eine zweite Lösung, die
dem zweifellos und allgemein empfundnen Refvrmbedürfnis gerecht wird, ohne
Preußen bloßzustellen und Bayern vor den Kopf zu stoßen. Das ist eine für den
Geltungsbereich der preußischen Militärstrafprozeßordnung von 1345 berechnete
Novelle, die die Öffentlichkeit nach bayrischen Muster festsetzte, das schriftliche Vor-
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