Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.(An sozialpolitischer Rückblick in die deutsche Geschichte gefühls durch Revolutionen oder Staatsstreiche. 5. Allgemeine Abnahme der Die plutokratisch-proletarische Spaltung ist nach Röscher das Grundübel Das einzige wirkliche Vorbeugungs- und Heilmittel der sozialen Not wird Als wirksamstes Mittel, die Kleinen im Konkurrenzkampf mit den Großen Prüft man die dargelegten Anschauungen an der Hand der deutschen (An sozialpolitischer Rückblick in die deutsche Geschichte gefühls durch Revolutionen oder Staatsstreiche. 5. Allgemeine Abnahme der Die plutokratisch-proletarische Spaltung ist nach Röscher das Grundübel Das einzige wirkliche Vorbeugungs- und Heilmittel der sozialen Not wird Als wirksamstes Mittel, die Kleinen im Konkurrenzkampf mit den Großen Prüft man die dargelegten Anschauungen an der Hand der deutschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227421"/> <fw type="header" place="top"> (An sozialpolitischer Rückblick in die deutsche Geschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_1901" prev="#ID_1900"> gefühls durch Revolutionen oder Staatsstreiche. 5. Allgemeine Abnahme der<lb/> Religiosität und Sittlichkeit im Volke, d. i. also die Abnahme des Pflicht¬<lb/> gefühls, zumal im Vergleich zu der Betonung der eignen Rechte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1902"> Die plutokratisch-proletarische Spaltung ist nach Röscher das Grundübel<lb/> und die Hauptgefahr für alle Hochsiehenden Kulturen; diese Spaltung läßt die<lb/> Volker altern und sterben. Bei Abwehr dieser Gefahr kommt es nicht darauf<lb/> an, unnütz gewordne, träge und parasitische Existenzen auf den mittlern Stufen<lb/> der Gesellschaft zu erhalten, sondern das Aussteigen frischer Kräfte von unten<lb/> uach oben zu befördern, und darauf, daß die Obenstehenden sich durch stets<lb/> erneute Kraftanstrengungen festhalten. Das sxsiÄtö luissri, «z-ipso thun-hö<lb/> schafft die ewige Bewegung,</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1903"> Das einzige wirkliche Vorbeugungs- und Heilmittel der sozialen Not wird<lb/> in der allgemein verbreiteten wahren Bildung bei Hohen wie Niedern erkannt:<lb/> der wahren Bildung, nicht nur der Einsicht, sondern zugleich, was noch viel<lb/> wichtiger und schwieriger ist, des Charakters. „Die reichen Mammonsknechte<lb/> sind ebenso schlimm wie die armen Kommunisten und vielleicht noch weniger<lb/> zu entschuldigen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1904"> Als wirksamstes Mittel, die Kleinen im Konkurrenzkampf mit den Großen<lb/> zu stärken, gilt auch bei Röscher die Assoziation. Er empfiehlt Arbeiter- und<lb/> Unternehmerverbände, möchte aber die staatliche Anerkennung dieser Verbände<lb/> als juristische Personen auch an die von Schönberg vorgeschlagne Bedingung<lb/> geknüpft sehen, daß sie sür die Vertragstreue ihrer Mitglieder haften und sich<lb/> in Streitigkeiten dem unparteiischen Einigungsamte unterwerfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1905" next="#ID_1906"> Prüft man die dargelegten Anschauungen an der Hand der deutschen<lb/> Geschichte, so scheinen sie doch den Gegenstand nicht umfassend genug zu be¬<lb/> trachten. Soziale Kämpfe hat es in Deutschland nicht nur in den großen<lb/> Zersetzungsperivden, in denen sich eine neue Zeit gebären wollte, gegeben,<lb/> sondern noch viel häufiger; ja es ist selten eine größere Periode frei von<lb/> sozialen Kämpfen gewesen. Wir denken hierbei nicht an das Aufkommen des<lb/> sogenannte» dritten Standes. Der Kampf zwischen Adel und Bürgertum ist<lb/> ein Kampf um politische Macht zwischen Landbesitz und Geldmacht, es ist ein<lb/> Kampf, bei dem sich Besitzende auf beiden Seiten gegenüberstehen. Nur in¬<lb/> sofern als sich Interessengruppen, sogenannte Klassen entgegentreten, kann man<lb/> hier von sozialen Kämpfen reden. Alle wirtschaftlichen Kämpfe, die als soziale<lb/> Kämpfe im eigentlichen Sinne zu bezeichnen sind, sind Kämpfe zwischen Besitzenden<lb/> und Besitzlosen, und da für gewöhnlich die Besitzlosen ebenso und noch mehr als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
(An sozialpolitischer Rückblick in die deutsche Geschichte
gefühls durch Revolutionen oder Staatsstreiche. 5. Allgemeine Abnahme der
Religiosität und Sittlichkeit im Volke, d. i. also die Abnahme des Pflicht¬
gefühls, zumal im Vergleich zu der Betonung der eignen Rechte.
Die plutokratisch-proletarische Spaltung ist nach Röscher das Grundübel
und die Hauptgefahr für alle Hochsiehenden Kulturen; diese Spaltung läßt die
Volker altern und sterben. Bei Abwehr dieser Gefahr kommt es nicht darauf
an, unnütz gewordne, träge und parasitische Existenzen auf den mittlern Stufen
der Gesellschaft zu erhalten, sondern das Aussteigen frischer Kräfte von unten
uach oben zu befördern, und darauf, daß die Obenstehenden sich durch stets
erneute Kraftanstrengungen festhalten. Das sxsiÄtö luissri, «z-ipso thun-hö
schafft die ewige Bewegung,
Das einzige wirkliche Vorbeugungs- und Heilmittel der sozialen Not wird
in der allgemein verbreiteten wahren Bildung bei Hohen wie Niedern erkannt:
der wahren Bildung, nicht nur der Einsicht, sondern zugleich, was noch viel
wichtiger und schwieriger ist, des Charakters. „Die reichen Mammonsknechte
sind ebenso schlimm wie die armen Kommunisten und vielleicht noch weniger
zu entschuldigen."
Als wirksamstes Mittel, die Kleinen im Konkurrenzkampf mit den Großen
zu stärken, gilt auch bei Röscher die Assoziation. Er empfiehlt Arbeiter- und
Unternehmerverbände, möchte aber die staatliche Anerkennung dieser Verbände
als juristische Personen auch an die von Schönberg vorgeschlagne Bedingung
geknüpft sehen, daß sie sür die Vertragstreue ihrer Mitglieder haften und sich
in Streitigkeiten dem unparteiischen Einigungsamte unterwerfen.
Prüft man die dargelegten Anschauungen an der Hand der deutschen
Geschichte, so scheinen sie doch den Gegenstand nicht umfassend genug zu be¬
trachten. Soziale Kämpfe hat es in Deutschland nicht nur in den großen
Zersetzungsperivden, in denen sich eine neue Zeit gebären wollte, gegeben,
sondern noch viel häufiger; ja es ist selten eine größere Periode frei von
sozialen Kämpfen gewesen. Wir denken hierbei nicht an das Aufkommen des
sogenannte» dritten Standes. Der Kampf zwischen Adel und Bürgertum ist
ein Kampf um politische Macht zwischen Landbesitz und Geldmacht, es ist ein
Kampf, bei dem sich Besitzende auf beiden Seiten gegenüberstehen. Nur in¬
sofern als sich Interessengruppen, sogenannte Klassen entgegentreten, kann man
hier von sozialen Kämpfen reden. Alle wirtschaftlichen Kämpfe, die als soziale
Kämpfe im eigentlichen Sinne zu bezeichnen sind, sind Kämpfe zwischen Besitzenden
und Besitzlosen, und da für gewöhnlich die Besitzlosen ebenso und noch mehr als
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |