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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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weiß jeder, der die stürmische Entwicklung der deutschen und außerdeutschen
Kunst während des letzten Jahrzehnts verfolgt hat.

Als Gurlitt kaum seiner ersten Erfolge froh geworden war, nahm plötzlich
eine neue, aber schon auswärts bewährte Kraft, die sich auf reiche Mittel
stützte, den Wettbewerb mit ihm auf. Eduard Schulte, der Inhaber der be¬
kannten Kunsthandlungen in Düsseldorf und Köln, erwarb nach dem Tode
Lepkes dessen Geschäft und suchte den Grundsatz, den er in den beiden rhei¬
nischen Städten erprobt hatte, auch in Berlin zur Geltung zu bringen, nämlich
durch Einrichtung von Jahresabonnements zu geringem Preise ein Stamm¬
publikum von ständigen Besuchern heranzuziehen, dessen dauerndes Interesse
er durch einen möglichst häufigen Wechsel des Inhalts der Ausstellungen zu
fesseln suchte. Es gelang ihm aber erst, als er im Erdgeschoß des gräflich
Redernschen Palais am westlichen Ende der Linden, dicht vor dem Branden¬
burger Thor, würdige Ausstellungsräume gefunden hatte, die er noch durch
den Anbau eines Oberlichtsaales vergrößerte. Mit dem Publikum kamen auch
die Künstler, und bald wurde ihr Andrang ans Berlin und von auswärts so
stark, daß sich Schulte, um auch nur den dringendsten Anforderungen zu ge¬
nügen, genötigt sah, statt wie früher allmonatlich fortan aller drei Wochen mit
dem Inhalt seiner Ausstellung, meist von Grund aus, zu wechseln. Dem
Publikum, besonders den Abonnenten, war natürlich diese häufige Befriedigung
ihrer Schaulust sehr willkommen, und die Fruchtbarkeit der Künstler steigerte
sich so unheimlich, daß die Schaulust vollauf befriedigt wurde. Der Besuch
des Schultischen Salons, der noch dazu durch seine Lage in der besten Stadt¬
gegend begünstigt wurde, war zuletzt Modesache geworden, und es wurde für
die Künstler von Jahr zu Jahr schwieriger, einmal während der Wintermonate
dort mit einer oder gar mit ein paar neuen Arbeiten anzukommen. Inzwischen
verödeten die Ausstellungsräume des Vereins Berliner Künstler im Architekten¬
hause immer mehr, und es darf nicht verschwiegen werden, daß selbst viele
Vereinsmitglieder es vorzogen, ihre neuesten Arbeiten bei Schulte anstatt
im Architektenhause zu zeigen. Alle Bemühungen der Ausstellungskommission,
hier Wandel zu schaffen, blieben fruchtlos, und da ohnehin der Umzug des
Vereins vom Architektenhause nach dem im Bau begriffnen eignen Heim in
der Bellevuestraße bevorsteht, entschloß man sich, in diesem Winter bald nach
Weihnachten die Ausstellung ganz zu schließen. Im neuen Hause will man
dann in würdigen, gut ausgestatteten und vor allem auch gut beleuchteten
Ausstellungsräumen den Kampf mit den Kunsthändlern, hoffentlich mit besserm
Erfolge als bisher, wieder aufnehmen.

Der Künstlerverein hatte es aber seit einiger Zeit nicht mehr mit Schulte
und Gurlitt allein zu thun. Auch die Inhaber der alten Kunsthandlung von
Auster und Nuthardt, die Gebrüder Meder, haben vor mehreren Jahren einige
Räume im obern Stockwerk ihres Geschäfts für Allsstellungszwecke eingerichtet,


weiß jeder, der die stürmische Entwicklung der deutschen und außerdeutschen
Kunst während des letzten Jahrzehnts verfolgt hat.

Als Gurlitt kaum seiner ersten Erfolge froh geworden war, nahm plötzlich
eine neue, aber schon auswärts bewährte Kraft, die sich auf reiche Mittel
stützte, den Wettbewerb mit ihm auf. Eduard Schulte, der Inhaber der be¬
kannten Kunsthandlungen in Düsseldorf und Köln, erwarb nach dem Tode
Lepkes dessen Geschäft und suchte den Grundsatz, den er in den beiden rhei¬
nischen Städten erprobt hatte, auch in Berlin zur Geltung zu bringen, nämlich
durch Einrichtung von Jahresabonnements zu geringem Preise ein Stamm¬
publikum von ständigen Besuchern heranzuziehen, dessen dauerndes Interesse
er durch einen möglichst häufigen Wechsel des Inhalts der Ausstellungen zu
fesseln suchte. Es gelang ihm aber erst, als er im Erdgeschoß des gräflich
Redernschen Palais am westlichen Ende der Linden, dicht vor dem Branden¬
burger Thor, würdige Ausstellungsräume gefunden hatte, die er noch durch
den Anbau eines Oberlichtsaales vergrößerte. Mit dem Publikum kamen auch
die Künstler, und bald wurde ihr Andrang ans Berlin und von auswärts so
stark, daß sich Schulte, um auch nur den dringendsten Anforderungen zu ge¬
nügen, genötigt sah, statt wie früher allmonatlich fortan aller drei Wochen mit
dem Inhalt seiner Ausstellung, meist von Grund aus, zu wechseln. Dem
Publikum, besonders den Abonnenten, war natürlich diese häufige Befriedigung
ihrer Schaulust sehr willkommen, und die Fruchtbarkeit der Künstler steigerte
sich so unheimlich, daß die Schaulust vollauf befriedigt wurde. Der Besuch
des Schultischen Salons, der noch dazu durch seine Lage in der besten Stadt¬
gegend begünstigt wurde, war zuletzt Modesache geworden, und es wurde für
die Künstler von Jahr zu Jahr schwieriger, einmal während der Wintermonate
dort mit einer oder gar mit ein paar neuen Arbeiten anzukommen. Inzwischen
verödeten die Ausstellungsräume des Vereins Berliner Künstler im Architekten¬
hause immer mehr, und es darf nicht verschwiegen werden, daß selbst viele
Vereinsmitglieder es vorzogen, ihre neuesten Arbeiten bei Schulte anstatt
im Architektenhause zu zeigen. Alle Bemühungen der Ausstellungskommission,
hier Wandel zu schaffen, blieben fruchtlos, und da ohnehin der Umzug des
Vereins vom Architektenhause nach dem im Bau begriffnen eignen Heim in
der Bellevuestraße bevorsteht, entschloß man sich, in diesem Winter bald nach
Weihnachten die Ausstellung ganz zu schließen. Im neuen Hause will man
dann in würdigen, gut ausgestatteten und vor allem auch gut beleuchteten
Ausstellungsräumen den Kampf mit den Kunsthändlern, hoffentlich mit besserm
Erfolge als bisher, wieder aufnehmen.

Der Künstlerverein hatte es aber seit einiger Zeit nicht mehr mit Schulte
und Gurlitt allein zu thun. Auch die Inhaber der alten Kunsthandlung von
Auster und Nuthardt, die Gebrüder Meder, haben vor mehreren Jahren einige
Räume im obern Stockwerk ihres Geschäfts für Allsstellungszwecke eingerichtet,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/492>, abgerufen am 08.01.2025.