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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin

frischen und auf besondern Studienplätzen, die von Künstlern jeglicher Art
scharenweise heimgesucht werden, entstanden sind. Vor zwanzig Jahren hatten
wir in Berlin nur zwei oder drei Ausstellungslokale, die gegen Eintrittsgeld
zugänglich waren. Neben dem des Berliner Küustlervereins, der damals das
ganze künstlerische Leben Berlins beherrschte, konnte sich aber keine der privaten
Veranstaltungen lange in der Gunst des großen Publikums behaupten. Das
Beste, was in Berlin geschaffen wurde, war ohnehin nur bei dem Kunsthändler
Leyte zu finden, dessen Verkaufsräume meist nur den Käufern und Vertrauten
des Hauses, nicht aber dem großen Publikum, das uur scheu, nicht auch kaufen
wollte, bereitwillig geöffnet wurden.

Es hat lange gedauert, ehe es anders wurde, und der Verein Berliner
Künstler war seiner Herrschaft allgemach so sicher geworden, daß er keine großen
Anstrengungen machte, seine bisweilen sehr einförmigen Ausstellungen, deren
Bestand fast ausschließlich von der Fruchtbarkeit der Vereinsmitglieder unter-
halten wurde, durch Zuziehung auswärtiger Kunstwerke etwas mannigfaltiger
zu gestalten. Ein ernsthafter Nebenbuhler erwuchs ihm erst 1881 in der
Person des Kunsthändlers Fritz Gurlitt, der sehr bald die Rolle des Hechts im
Karpfenteich zu spielen begann. Im Gegensatz zu der einseitigen Beschränkung
der Ausstellung des Vereins Berliner Künstler auf das örtliche Kunstschaffen
entfaltete er eine regsame Thätigkeit, um fremde Künstler heranzuziehen, die
sich von dem Hergebrachten abgewandt hatten und gegen den Strom schwammen.
Es waren, wie bei allen Neuerungen, Schwärmer und Schwindler darunter,
und wenn der Unternehmer auch keinen Unterschied zwischen den Unverdächtigen
und Verdächtigen machte, so erreichte er jedenfalls seinen Zweck: Aufsehen um
jeden Preis! Er hat Böcklin und Fritz von Abbe in Berlin bei den Kunst¬
sammlern, die mehr durch Reichtum als durch selbständiges Urteil glänzen, in
Mode gebracht, und die Begeisterung sür Böcklin hat bei ihnen und ihrem
großen Anhang, der den Massenbesuch der Kunstausstellungen zuwege bringt,
bis jetzt angehalten. Man hat zu Ende des vorigen Jahres, um Böcklins
siebzigsten Geburtstag zu feiern, in der Berliner Kunstakademie eine Ausstellung
seiner Werke veranstaltet, die zumeist aus Berliner Privatbesitz stammten, und
sie hat einen größern Erfolg gehabt als die Ausstellung in Basel, der Geburts¬
stadt des Künstlers.

Der Kunsthändler Gurlitt, der mit seiner etwas kriegerisch gestimmten
Art dem Berliner Ausstellungswesen einen unverkennbaren Aufschwung gegeben
hat, hat die Früchte seiner That nicht geerntet. Er ist im besten Mannesalter
an einer Nervenkrankheit gestorben; aber sein Name hat sich in dem von ihm
begründeten Geschäft, das seine Rechtsnachfolger fortführen, erhalten, und sein
Geist auch. Gurlitts Kunstsalvn ist nach wie vor die Heimstätte aller Künstler,
die sozusagen ihre Schiffe hinter sich verbrannt haben und in das unsichere,
von Nebeln verschleierte Meer der Zukunft hinanssteucrn. Was das bedeutet,


Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin

frischen und auf besondern Studienplätzen, die von Künstlern jeglicher Art
scharenweise heimgesucht werden, entstanden sind. Vor zwanzig Jahren hatten
wir in Berlin nur zwei oder drei Ausstellungslokale, die gegen Eintrittsgeld
zugänglich waren. Neben dem des Berliner Küustlervereins, der damals das
ganze künstlerische Leben Berlins beherrschte, konnte sich aber keine der privaten
Veranstaltungen lange in der Gunst des großen Publikums behaupten. Das
Beste, was in Berlin geschaffen wurde, war ohnehin nur bei dem Kunsthändler
Leyte zu finden, dessen Verkaufsräume meist nur den Käufern und Vertrauten
des Hauses, nicht aber dem großen Publikum, das uur scheu, nicht auch kaufen
wollte, bereitwillig geöffnet wurden.

Es hat lange gedauert, ehe es anders wurde, und der Verein Berliner
Künstler war seiner Herrschaft allgemach so sicher geworden, daß er keine großen
Anstrengungen machte, seine bisweilen sehr einförmigen Ausstellungen, deren
Bestand fast ausschließlich von der Fruchtbarkeit der Vereinsmitglieder unter-
halten wurde, durch Zuziehung auswärtiger Kunstwerke etwas mannigfaltiger
zu gestalten. Ein ernsthafter Nebenbuhler erwuchs ihm erst 1881 in der
Person des Kunsthändlers Fritz Gurlitt, der sehr bald die Rolle des Hechts im
Karpfenteich zu spielen begann. Im Gegensatz zu der einseitigen Beschränkung
der Ausstellung des Vereins Berliner Künstler auf das örtliche Kunstschaffen
entfaltete er eine regsame Thätigkeit, um fremde Künstler heranzuziehen, die
sich von dem Hergebrachten abgewandt hatten und gegen den Strom schwammen.
Es waren, wie bei allen Neuerungen, Schwärmer und Schwindler darunter,
und wenn der Unternehmer auch keinen Unterschied zwischen den Unverdächtigen
und Verdächtigen machte, so erreichte er jedenfalls seinen Zweck: Aufsehen um
jeden Preis! Er hat Böcklin und Fritz von Abbe in Berlin bei den Kunst¬
sammlern, die mehr durch Reichtum als durch selbständiges Urteil glänzen, in
Mode gebracht, und die Begeisterung sür Böcklin hat bei ihnen und ihrem
großen Anhang, der den Massenbesuch der Kunstausstellungen zuwege bringt,
bis jetzt angehalten. Man hat zu Ende des vorigen Jahres, um Böcklins
siebzigsten Geburtstag zu feiern, in der Berliner Kunstakademie eine Ausstellung
seiner Werke veranstaltet, die zumeist aus Berliner Privatbesitz stammten, und
sie hat einen größern Erfolg gehabt als die Ausstellung in Basel, der Geburts¬
stadt des Künstlers.

Der Kunsthändler Gurlitt, der mit seiner etwas kriegerisch gestimmten
Art dem Berliner Ausstellungswesen einen unverkennbaren Aufschwung gegeben
hat, hat die Früchte seiner That nicht geerntet. Er ist im besten Mannesalter
an einer Nervenkrankheit gestorben; aber sein Name hat sich in dem von ihm
begründeten Geschäft, das seine Rechtsnachfolger fortführen, erhalten, und sein
Geist auch. Gurlitts Kunstsalvn ist nach wie vor die Heimstätte aller Künstler,
die sozusagen ihre Schiffe hinter sich verbrannt haben und in das unsichere,
von Nebeln verschleierte Meer der Zukunft hinanssteucrn. Was das bedeutet,


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[0491] Kunstausstellungen und Künstlervereine in Berlin frischen und auf besondern Studienplätzen, die von Künstlern jeglicher Art scharenweise heimgesucht werden, entstanden sind. Vor zwanzig Jahren hatten wir in Berlin nur zwei oder drei Ausstellungslokale, die gegen Eintrittsgeld zugänglich waren. Neben dem des Berliner Küustlervereins, der damals das ganze künstlerische Leben Berlins beherrschte, konnte sich aber keine der privaten Veranstaltungen lange in der Gunst des großen Publikums behaupten. Das Beste, was in Berlin geschaffen wurde, war ohnehin nur bei dem Kunsthändler Leyte zu finden, dessen Verkaufsräume meist nur den Käufern und Vertrauten des Hauses, nicht aber dem großen Publikum, das uur scheu, nicht auch kaufen wollte, bereitwillig geöffnet wurden. Es hat lange gedauert, ehe es anders wurde, und der Verein Berliner Künstler war seiner Herrschaft allgemach so sicher geworden, daß er keine großen Anstrengungen machte, seine bisweilen sehr einförmigen Ausstellungen, deren Bestand fast ausschließlich von der Fruchtbarkeit der Vereinsmitglieder unter- halten wurde, durch Zuziehung auswärtiger Kunstwerke etwas mannigfaltiger zu gestalten. Ein ernsthafter Nebenbuhler erwuchs ihm erst 1881 in der Person des Kunsthändlers Fritz Gurlitt, der sehr bald die Rolle des Hechts im Karpfenteich zu spielen begann. Im Gegensatz zu der einseitigen Beschränkung der Ausstellung des Vereins Berliner Künstler auf das örtliche Kunstschaffen entfaltete er eine regsame Thätigkeit, um fremde Künstler heranzuziehen, die sich von dem Hergebrachten abgewandt hatten und gegen den Strom schwammen. Es waren, wie bei allen Neuerungen, Schwärmer und Schwindler darunter, und wenn der Unternehmer auch keinen Unterschied zwischen den Unverdächtigen und Verdächtigen machte, so erreichte er jedenfalls seinen Zweck: Aufsehen um jeden Preis! Er hat Böcklin und Fritz von Abbe in Berlin bei den Kunst¬ sammlern, die mehr durch Reichtum als durch selbständiges Urteil glänzen, in Mode gebracht, und die Begeisterung sür Böcklin hat bei ihnen und ihrem großen Anhang, der den Massenbesuch der Kunstausstellungen zuwege bringt, bis jetzt angehalten. Man hat zu Ende des vorigen Jahres, um Böcklins siebzigsten Geburtstag zu feiern, in der Berliner Kunstakademie eine Ausstellung seiner Werke veranstaltet, die zumeist aus Berliner Privatbesitz stammten, und sie hat einen größern Erfolg gehabt als die Ausstellung in Basel, der Geburts¬ stadt des Künstlers. Der Kunsthändler Gurlitt, der mit seiner etwas kriegerisch gestimmten Art dem Berliner Ausstellungswesen einen unverkennbaren Aufschwung gegeben hat, hat die Früchte seiner That nicht geerntet. Er ist im besten Mannesalter an einer Nervenkrankheit gestorben; aber sein Name hat sich in dem von ihm begründeten Geschäft, das seine Rechtsnachfolger fortführen, erhalten, und sein Geist auch. Gurlitts Kunstsalvn ist nach wie vor die Heimstätte aller Künstler, die sozusagen ihre Schiffe hinter sich verbrannt haben und in das unsichere, von Nebeln verschleierte Meer der Zukunft hinanssteucrn. Was das bedeutet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/491>, abgerufen am 07.01.2025.