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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Das Mirtshausleben in Italien

Bleibt man für längere Zeit in einer Stadt, so thut man auch gut,
wenn man sich ein oder mehrere möblirte Zimmer mietet. Hierbei ist natürlich
Vorsicht geboten, man wird sich die Vermieter anzusehen und während der
Wintermonate namentlich auf das Vorhandensein von Sonnenschein und
Teppichen zu achten haben. Die Preisschwankungen sind hier noch größer,
als in den g.1bsrg'tu; man wird auf ein Zimmer monatlich dreißig bis achtzig
Lire zu rechnen haben.

In Süditalien ist es Sitte, daß man sich, selbst wenn man nur einen
oder zwei Tage zu verweilen gedenkt, sofort Pensionspreis ausbedinge. Im
altberühmten, jetzt sehr vernachlässigten Künstlerheim, albsi-M act fois zu Pom¬
peji beträgt die Pension viereinhalb Lire,*) ein besonders niedriger Satz, in der
Lunci zu Amalfi sieben bis acht Lire, in Salerno gleichfalls acht Lire, und
in dem durch Scheffels Dichtung und zahlreiche deutsche Künstler geheiligten
Pagano zu Capri sechs Lire, für Künstler nur fünf Lire oder auch -- gar
nichts! Man erzählt, daß der alte Pagano auf dem Sterbebette seinen Söhnen
das Versprechen abgenommen habe, das Haus auch zukünftig stets in der
gleichen einfachen, streng zuverlässigem Weise zu führen, durch die er zu Ruhm
und Ansehen gelangt sei; und die Söhne haben trotz der Verführung, die bei
dem unausgesetzt wachsenden Verkehr häufig genug an sie herantrat, ihr Ver¬
sprechen treu gehalten. In der belebtesten Reisezeit ist es allerdings im Pagano
oft dermaßen überfüllt, daß die Behaglichkeit schwindet, und der Besuch abzu¬
raten ist. Aber im übrigen bleibt dieser ehrwürdige Gasthof noch immer ein
Aufenthaltsort, zu dem man stets mit Wonne zurückkehrt. Die meisten Schlaf¬
zimmer befinden sich in kleinen Häuschen mit flachen Dächern und Balkonen,
die sich um einen durch prächtige Palmen ausgezeichneten Garten gruppiren
und zum Teil durch Brücken mit einander verbunden sind; ihre Einrichtung
ist so, wie ich sie oben skizzirt habe, einfach und sauber. Gespeist wird in
einem großen Saale des Hauptgebäudes, der von deutschen Künstlern unter
Leitung von Heinz Hoffmeister im Jahre 1885 mit Fresken ausgeschmückt ist.
Für den Pensionspreis von sechs Lire erhielten wir hier in der Neujahrszeit
außer Zimmer, Licht und Bedienung des Morgens Kaffee, Semmeln, Butter
und zwei Eier; des Mittags zwölf Uhr eine Loki^lors, bestehend in einem
Fleischgericht, einer Eierspeise, südländischen Früchten, einer Tasse Kaffee und
einem Liter vorzüglichen Rotweins; und des Abends sechs Uhr die Hauptmahl¬
zeit: Suppe, Fisch oder dergleichen, Gemüse mit Beilage, Braten, süße Speise,
Käse, Früchte (Apfelsinen, Feigen, Nüsse, Maronen), eine Tasse Kaffee und
wieder einen Liter Rotwein. Die Zubereitung der Speisen war nicht ersten
Ranges, aber doch recht gut. Da allein eine Flasche des Weines in Deutsch¬
land etwa drei Mark kosten würde, so erhält man nach unsern Begriffen
lediglich an Wein mehr geliefert, als der Preis für die gesamte Unterkunft
und Beköstigung ausmacht. Damit aber nicht genug! Kann man, wie es
wohl meistens der Fall sein wird, an der 0c>1l32ion6 wegen eines Ausflugs
nicht teil nehmen, so giebt der Wirt auf vorherige Verabredung eine reichliche
Zehrung auf den Weg, ohne hierfür etwas besondres zu berechnen. So er-



*) In der Hauptreisezeit, zu Ostern, findet selbstverständlich fast überall eine Erhöhung
der Preise statt. Andrerseits fährt, wer imstande ist, die sommerliche Hitze zu vertragen, etwas
billiger; er wird außerdem finden, daß in der heißen Jahreszeit die Landschaft ihren höchsten
Glanz entfaltet.
Das Mirtshausleben in Italien

Bleibt man für längere Zeit in einer Stadt, so thut man auch gut,
wenn man sich ein oder mehrere möblirte Zimmer mietet. Hierbei ist natürlich
Vorsicht geboten, man wird sich die Vermieter anzusehen und während der
Wintermonate namentlich auf das Vorhandensein von Sonnenschein und
Teppichen zu achten haben. Die Preisschwankungen sind hier noch größer,
als in den g.1bsrg'tu; man wird auf ein Zimmer monatlich dreißig bis achtzig
Lire zu rechnen haben.

In Süditalien ist es Sitte, daß man sich, selbst wenn man nur einen
oder zwei Tage zu verweilen gedenkt, sofort Pensionspreis ausbedinge. Im
altberühmten, jetzt sehr vernachlässigten Künstlerheim, albsi-M act fois zu Pom¬
peji beträgt die Pension viereinhalb Lire,*) ein besonders niedriger Satz, in der
Lunci zu Amalfi sieben bis acht Lire, in Salerno gleichfalls acht Lire, und
in dem durch Scheffels Dichtung und zahlreiche deutsche Künstler geheiligten
Pagano zu Capri sechs Lire, für Künstler nur fünf Lire oder auch — gar
nichts! Man erzählt, daß der alte Pagano auf dem Sterbebette seinen Söhnen
das Versprechen abgenommen habe, das Haus auch zukünftig stets in der
gleichen einfachen, streng zuverlässigem Weise zu führen, durch die er zu Ruhm
und Ansehen gelangt sei; und die Söhne haben trotz der Verführung, die bei
dem unausgesetzt wachsenden Verkehr häufig genug an sie herantrat, ihr Ver¬
sprechen treu gehalten. In der belebtesten Reisezeit ist es allerdings im Pagano
oft dermaßen überfüllt, daß die Behaglichkeit schwindet, und der Besuch abzu¬
raten ist. Aber im übrigen bleibt dieser ehrwürdige Gasthof noch immer ein
Aufenthaltsort, zu dem man stets mit Wonne zurückkehrt. Die meisten Schlaf¬
zimmer befinden sich in kleinen Häuschen mit flachen Dächern und Balkonen,
die sich um einen durch prächtige Palmen ausgezeichneten Garten gruppiren
und zum Teil durch Brücken mit einander verbunden sind; ihre Einrichtung
ist so, wie ich sie oben skizzirt habe, einfach und sauber. Gespeist wird in
einem großen Saale des Hauptgebäudes, der von deutschen Künstlern unter
Leitung von Heinz Hoffmeister im Jahre 1885 mit Fresken ausgeschmückt ist.
Für den Pensionspreis von sechs Lire erhielten wir hier in der Neujahrszeit
außer Zimmer, Licht und Bedienung des Morgens Kaffee, Semmeln, Butter
und zwei Eier; des Mittags zwölf Uhr eine Loki^lors, bestehend in einem
Fleischgericht, einer Eierspeise, südländischen Früchten, einer Tasse Kaffee und
einem Liter vorzüglichen Rotweins; und des Abends sechs Uhr die Hauptmahl¬
zeit: Suppe, Fisch oder dergleichen, Gemüse mit Beilage, Braten, süße Speise,
Käse, Früchte (Apfelsinen, Feigen, Nüsse, Maronen), eine Tasse Kaffee und
wieder einen Liter Rotwein. Die Zubereitung der Speisen war nicht ersten
Ranges, aber doch recht gut. Da allein eine Flasche des Weines in Deutsch¬
land etwa drei Mark kosten würde, so erhält man nach unsern Begriffen
lediglich an Wein mehr geliefert, als der Preis für die gesamte Unterkunft
und Beköstigung ausmacht. Damit aber nicht genug! Kann man, wie es
wohl meistens der Fall sein wird, an der 0c>1l32ion6 wegen eines Ausflugs
nicht teil nehmen, so giebt der Wirt auf vorherige Verabredung eine reichliche
Zehrung auf den Weg, ohne hierfür etwas besondres zu berechnen. So er-



*) In der Hauptreisezeit, zu Ostern, findet selbstverständlich fast überall eine Erhöhung
der Preise statt. Andrerseits fährt, wer imstande ist, die sommerliche Hitze zu vertragen, etwas
billiger; er wird außerdem finden, daß in der heißen Jahreszeit die Landschaft ihren höchsten
Glanz entfaltet.
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[0446] Das Mirtshausleben in Italien Bleibt man für längere Zeit in einer Stadt, so thut man auch gut, wenn man sich ein oder mehrere möblirte Zimmer mietet. Hierbei ist natürlich Vorsicht geboten, man wird sich die Vermieter anzusehen und während der Wintermonate namentlich auf das Vorhandensein von Sonnenschein und Teppichen zu achten haben. Die Preisschwankungen sind hier noch größer, als in den g.1bsrg'tu; man wird auf ein Zimmer monatlich dreißig bis achtzig Lire zu rechnen haben. In Süditalien ist es Sitte, daß man sich, selbst wenn man nur einen oder zwei Tage zu verweilen gedenkt, sofort Pensionspreis ausbedinge. Im altberühmten, jetzt sehr vernachlässigten Künstlerheim, albsi-M act fois zu Pom¬ peji beträgt die Pension viereinhalb Lire,*) ein besonders niedriger Satz, in der Lunci zu Amalfi sieben bis acht Lire, in Salerno gleichfalls acht Lire, und in dem durch Scheffels Dichtung und zahlreiche deutsche Künstler geheiligten Pagano zu Capri sechs Lire, für Künstler nur fünf Lire oder auch — gar nichts! Man erzählt, daß der alte Pagano auf dem Sterbebette seinen Söhnen das Versprechen abgenommen habe, das Haus auch zukünftig stets in der gleichen einfachen, streng zuverlässigem Weise zu führen, durch die er zu Ruhm und Ansehen gelangt sei; und die Söhne haben trotz der Verführung, die bei dem unausgesetzt wachsenden Verkehr häufig genug an sie herantrat, ihr Ver¬ sprechen treu gehalten. In der belebtesten Reisezeit ist es allerdings im Pagano oft dermaßen überfüllt, daß die Behaglichkeit schwindet, und der Besuch abzu¬ raten ist. Aber im übrigen bleibt dieser ehrwürdige Gasthof noch immer ein Aufenthaltsort, zu dem man stets mit Wonne zurückkehrt. Die meisten Schlaf¬ zimmer befinden sich in kleinen Häuschen mit flachen Dächern und Balkonen, die sich um einen durch prächtige Palmen ausgezeichneten Garten gruppiren und zum Teil durch Brücken mit einander verbunden sind; ihre Einrichtung ist so, wie ich sie oben skizzirt habe, einfach und sauber. Gespeist wird in einem großen Saale des Hauptgebäudes, der von deutschen Künstlern unter Leitung von Heinz Hoffmeister im Jahre 1885 mit Fresken ausgeschmückt ist. Für den Pensionspreis von sechs Lire erhielten wir hier in der Neujahrszeit außer Zimmer, Licht und Bedienung des Morgens Kaffee, Semmeln, Butter und zwei Eier; des Mittags zwölf Uhr eine Loki^lors, bestehend in einem Fleischgericht, einer Eierspeise, südländischen Früchten, einer Tasse Kaffee und einem Liter vorzüglichen Rotweins; und des Abends sechs Uhr die Hauptmahl¬ zeit: Suppe, Fisch oder dergleichen, Gemüse mit Beilage, Braten, süße Speise, Käse, Früchte (Apfelsinen, Feigen, Nüsse, Maronen), eine Tasse Kaffee und wieder einen Liter Rotwein. Die Zubereitung der Speisen war nicht ersten Ranges, aber doch recht gut. Da allein eine Flasche des Weines in Deutsch¬ land etwa drei Mark kosten würde, so erhält man nach unsern Begriffen lediglich an Wein mehr geliefert, als der Preis für die gesamte Unterkunft und Beköstigung ausmacht. Damit aber nicht genug! Kann man, wie es wohl meistens der Fall sein wird, an der 0c>1l32ion6 wegen eines Ausflugs nicht teil nehmen, so giebt der Wirt auf vorherige Verabredung eine reichliche Zehrung auf den Weg, ohne hierfür etwas besondres zu berechnen. So er- *) In der Hauptreisezeit, zu Ostern, findet selbstverständlich fast überall eine Erhöhung der Preise statt. Andrerseits fährt, wer imstande ist, die sommerliche Hitze zu vertragen, etwas billiger; er wird außerdem finden, daß in der heißen Jahreszeit die Landschaft ihren höchsten Glanz entfaltet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/446>, abgerufen am 08.01.2025.