Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.wenig von seinem Herrscher die Rede wäre. Die mancherlei Neider und Feinde Die Hoffnung auf gründliche Reformen von innen ist also im Reiche der Zur Beantwortung dieser immer brennender werdenden Frage sind seit Eine weitere Vermehrung der ausländischen Beamten ist gleichwohl nicht wenig von seinem Herrscher die Rede wäre. Die mancherlei Neider und Feinde Die Hoffnung auf gründliche Reformen von innen ist also im Reiche der Zur Beantwortung dieser immer brennender werdenden Frage sind seit Eine weitere Vermehrung der ausländischen Beamten ist gleichwohl nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226946"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_83" prev="#ID_82"> wenig von seinem Herrscher die Rede wäre. Die mancherlei Neider und Feinde<lb/> Lif haben diesen Punkt als eine willkommne Handhabe benutzt, aus den Kaiser<lb/> einzuwirken, der dem Alten ohnehin die im Kriege gegen das viel kleinere<lb/> Japan erlittne schwere Niederlage noch keineswegs verziehen hat. Deshalb<lb/> darf man sich nicht darüber wundern, daß Li ziemlich kaltgestellt ist. Die<lb/> Rolle eines Neuerers und Wegweisers zu höhern Zielen ist am Hofe eines<lb/> orientalischen Selbstherrschers immer sehr undankbar, und ganz besonders an<lb/> einem so eingefleischt sremdenfeindlichen Hose, wie dem chinesischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_84"> Die Hoffnung auf gründliche Reformen von innen ist also im Reiche der<lb/> Mitte sehr schwach. Wenn nun der Chinese sein Haus nicht selbst in Ordnung<lb/> bringen kann, so wird es wohl das Ausland für ihn thun müssen. Denn<lb/> daß das Abendland den ungefügen Stehimwcg noch länger sich selber über¬<lb/> lassen und Handel und Wandel des vierten Teiles der gesamten Menschheit<lb/> mit den ander» drei Vierteln durch ihn noch länger behindern lassen wird, ist<lb/> wohl als ausgeschlossen zu betrachten. Es entsteht also die Frage: was soll<lb/> aus dem reichen Besitz des kranken Mannes in Ostasien werden, den dieser so<lb/> wenig gut zu gebrauchen verstanden hat?</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> Zur Beantwortung dieser immer brennender werdenden Frage sind seit<lb/> dem Kriege mit Japan in ostasiatischen Zeitungen Vorschläge mancherlei Art<lb/> aufgetaucht, die gewöhnlich auf eine Enterbung des kranken Mannes noch bei<lb/> dessen Lebzeiten hinauslaufen, in der Weise, daß ihm die Verwaltung seines<lb/> Reiches allmählich entwunden und von Ausländern besorgt werden soll. Un¬<lb/> ausführbar ist ein solcher Gedanke umso weniger, als man hierfür schon seit<lb/> Jahrzehnten in dem chinesischen Seezolldienst ein Vorbild hat. Diesem von<lb/> dem Engländer Sir Robert Hart vortrefflich geleiteten Dienst gehören Aus-<lb/> länder aller der Nationen an, die mit China Handel treiben, wobei bisher der<lb/> Umfang des dortigen Handels einer Nation den Maßstab für die Anzahl ihrer<lb/> Vertreter abgegeben hat. Der Generaldirektor Hart steht unter dem Tsungli<lb/> Z)amen, dem Pekinger Auswärtigen Amt, und ist diesem sür den ganzen Dienst<lb/> verantwortlich. Vor dem Kriege mit Japan gingen die Mandarinen zeitweilig<lb/> mit dem Gedanken um, den Zolldienst allmählich selbst zu übernehmen. Nun,<lb/> sie sollten nur einmal den Versuch mit einem einzelnen Hasen machen! Dessen<lb/> Zolleinnahmcn würden dann bald genug erstaunlich zurückgehen. Jetzt hat<lb/> man sich doch in Peking dazu bequemt, das nen errichtete kaiserliche Postamt<lb/> gleichfalls Sir Robert Hart zu übergeben. Man begreift dort also, daß wohl<lb/> noch nicht so bald ohne die fremden Beamten auszukommen sein wird, weil<lb/> die Mandarinen zu sehr betrügen würden, wenn sie an deren Stelle waren.<lb/> Ein jämmerlicheres Armutszeugnis hat sich ein großes Reich kaum jemals<lb/> ausgestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_86" next="#ID_87"> Eine weitere Vermehrung der ausländischen Beamten ist gleichwohl nicht<lb/> wahrscheinlich, Die altchincsische Partei wird sicher alles aufbieten, dein ent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
wenig von seinem Herrscher die Rede wäre. Die mancherlei Neider und Feinde
Lif haben diesen Punkt als eine willkommne Handhabe benutzt, aus den Kaiser
einzuwirken, der dem Alten ohnehin die im Kriege gegen das viel kleinere
Japan erlittne schwere Niederlage noch keineswegs verziehen hat. Deshalb
darf man sich nicht darüber wundern, daß Li ziemlich kaltgestellt ist. Die
Rolle eines Neuerers und Wegweisers zu höhern Zielen ist am Hofe eines
orientalischen Selbstherrschers immer sehr undankbar, und ganz besonders an
einem so eingefleischt sremdenfeindlichen Hose, wie dem chinesischen.
Die Hoffnung auf gründliche Reformen von innen ist also im Reiche der
Mitte sehr schwach. Wenn nun der Chinese sein Haus nicht selbst in Ordnung
bringen kann, so wird es wohl das Ausland für ihn thun müssen. Denn
daß das Abendland den ungefügen Stehimwcg noch länger sich selber über¬
lassen und Handel und Wandel des vierten Teiles der gesamten Menschheit
mit den ander» drei Vierteln durch ihn noch länger behindern lassen wird, ist
wohl als ausgeschlossen zu betrachten. Es entsteht also die Frage: was soll
aus dem reichen Besitz des kranken Mannes in Ostasien werden, den dieser so
wenig gut zu gebrauchen verstanden hat?
Zur Beantwortung dieser immer brennender werdenden Frage sind seit
dem Kriege mit Japan in ostasiatischen Zeitungen Vorschläge mancherlei Art
aufgetaucht, die gewöhnlich auf eine Enterbung des kranken Mannes noch bei
dessen Lebzeiten hinauslaufen, in der Weise, daß ihm die Verwaltung seines
Reiches allmählich entwunden und von Ausländern besorgt werden soll. Un¬
ausführbar ist ein solcher Gedanke umso weniger, als man hierfür schon seit
Jahrzehnten in dem chinesischen Seezolldienst ein Vorbild hat. Diesem von
dem Engländer Sir Robert Hart vortrefflich geleiteten Dienst gehören Aus-
länder aller der Nationen an, die mit China Handel treiben, wobei bisher der
Umfang des dortigen Handels einer Nation den Maßstab für die Anzahl ihrer
Vertreter abgegeben hat. Der Generaldirektor Hart steht unter dem Tsungli
Z)amen, dem Pekinger Auswärtigen Amt, und ist diesem sür den ganzen Dienst
verantwortlich. Vor dem Kriege mit Japan gingen die Mandarinen zeitweilig
mit dem Gedanken um, den Zolldienst allmählich selbst zu übernehmen. Nun,
sie sollten nur einmal den Versuch mit einem einzelnen Hasen machen! Dessen
Zolleinnahmcn würden dann bald genug erstaunlich zurückgehen. Jetzt hat
man sich doch in Peking dazu bequemt, das nen errichtete kaiserliche Postamt
gleichfalls Sir Robert Hart zu übergeben. Man begreift dort also, daß wohl
noch nicht so bald ohne die fremden Beamten auszukommen sein wird, weil
die Mandarinen zu sehr betrügen würden, wenn sie an deren Stelle waren.
Ein jämmerlicheres Armutszeugnis hat sich ein großes Reich kaum jemals
ausgestellt.
Eine weitere Vermehrung der ausländischen Beamten ist gleichwohl nicht
wahrscheinlich, Die altchincsische Partei wird sicher alles aufbieten, dein ent-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |