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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Was wird aus Lhina werden?

Wird sich auch schwerlich jemals ändern lassen, denn sie liegt zu tief in dem
Wesen des Maudarinentums begründet, das gar nicht darauf eingerichtet und
darauf zugeschnitten ist, Belehrung von auszen anzunehmen. So ausgezeichnete
Diener die Chinesen stets abgegeben haben, so schlechte Herren sind sie von
jeher gewesen. Sie sind kein Herrenvolk und werden es auch niemals werden.
Anscheinend widerspricht dieser Auffassung die Thatsache, daß doch die vielen
Millionen Chinesen mehrere Jahrtausende lang von Mandarinen regiert worden
sind. Das ist ein ebenso unerhörtes wie unverdientes Glück dieser Volks¬
aussauger gewesen. Hätte das geduldige Volk einmal eine andre und bessere
Herrschaft kennen lernen, dann wäre es auch anders gekommen. Das beweisen
die furchtbaren Umwälzungen, die das Reich der Mitte von Zeit zu Zeit
durchzumachen hat, wen" dem unglückliche" Volke trotz aller Geduld die Mi߬
wirtschaft zu arg geworden ist.

Wie unvorstellbar für einen Mandarinen der Gedanke ist. ein Beamter
könne uneigennützig nud ohne Entgelt für das Gemeinwohl arbeiten, dafür
ist ein kleiner Vorfall recht bezeichnend, der sich während des Aufenthalts
Li Hung-tschaugs in England zutrug. Als der Alte "unlieb die großartigen
Werkstätten für den Schiffsbau am Clyde besichtigte, wurden ihm die Herren
vorgestellt, die für die gute Instandhaltung des Flusses sorge". Sie betrachten
diese Ämter lediglich als Ehre"poster. Li fragte "um in seiner gewöhnlichen
ungenirter Weise einen von den Herren, wie viel Geld ihm sei" Amt ein¬
brächte. "Gar keins," war die unerwartete Antwort. Verdutzt sah ihn der
alte Chinese an und fragte dann mit schlauem Augenzwinkern: "Na. woher
kommt denn die Diamantnadel an der Kravatte des Herrn?" I" diesen Worte"
spricht sich eine durch und durch chinesische Auffassung aus.

Li Hung-tschang selbst mag vielleicht dafür sein, einige Verbesserungen im
himmlischen Reiche einzuführen, wie er denn z. B. mit dem Else"bah"bau in
Tschihli begonnen hat, als er noch Vizekönig dieser Provinz war. Aber was
hundertmal wichtiger ist als Eisenbahnen oder alle sonstigen schönen Ein¬
richtungen, die Ehrlichkeit in der Verwaltung öffentlicher Gelder wird in Li
niemals einen Fürsprecher finden. Denn Nepotismus und Korruption wäre"
in seiner Provinz ebenso schlimm wie anderswo in China. Hier Hütte er alle
Hebel zu Reformen ansetzen sollen, wenn er sich den Name" eines Mannes
erwerben wollte, der sich um sein Vaterland verdient macht.

Die Weltreise Lif. von der sich manche Menschen viel versprachen, ist
ziemlich ergebnislos verlaufen. Sollten ihr noch ein Dutzend ähnliche Reisen
s°lgen. so würde es damit höchst wahrscheinlich ebenso gehen. Ist doch China
Asien ,., höchster Potenz. Asien mit allen seinen schlechtesten Selten orienta¬
lischen Hoflebens. scho" während Li Hung-tschangs geräuschvoller Fahrt
kamen ominöse Nachrichten aus Peking, die von einer Verstimmung des Sohnes
Himmels zu berichte" wußten darüber, daß bei den meiste" der z" Ehre"
veranstaltete" Festlichkeiten viel zu viel vou diesem selbst und viel zu


Was wird aus Lhina werden?

Wird sich auch schwerlich jemals ändern lassen, denn sie liegt zu tief in dem
Wesen des Maudarinentums begründet, das gar nicht darauf eingerichtet und
darauf zugeschnitten ist, Belehrung von auszen anzunehmen. So ausgezeichnete
Diener die Chinesen stets abgegeben haben, so schlechte Herren sind sie von
jeher gewesen. Sie sind kein Herrenvolk und werden es auch niemals werden.
Anscheinend widerspricht dieser Auffassung die Thatsache, daß doch die vielen
Millionen Chinesen mehrere Jahrtausende lang von Mandarinen regiert worden
sind. Das ist ein ebenso unerhörtes wie unverdientes Glück dieser Volks¬
aussauger gewesen. Hätte das geduldige Volk einmal eine andre und bessere
Herrschaft kennen lernen, dann wäre es auch anders gekommen. Das beweisen
die furchtbaren Umwälzungen, die das Reich der Mitte von Zeit zu Zeit
durchzumachen hat, wen» dem unglückliche» Volke trotz aller Geduld die Mi߬
wirtschaft zu arg geworden ist.

Wie unvorstellbar für einen Mandarinen der Gedanke ist. ein Beamter
könne uneigennützig nud ohne Entgelt für das Gemeinwohl arbeiten, dafür
ist ein kleiner Vorfall recht bezeichnend, der sich während des Aufenthalts
Li Hung-tschaugs in England zutrug. Als der Alte »unlieb die großartigen
Werkstätten für den Schiffsbau am Clyde besichtigte, wurden ihm die Herren
vorgestellt, die für die gute Instandhaltung des Flusses sorge». Sie betrachten
diese Ämter lediglich als Ehre»poster. Li fragte »um in seiner gewöhnlichen
ungenirter Weise einen von den Herren, wie viel Geld ihm sei» Amt ein¬
brächte. „Gar keins," war die unerwartete Antwort. Verdutzt sah ihn der
alte Chinese an und fragte dann mit schlauem Augenzwinkern: „Na. woher
kommt denn die Diamantnadel an der Kravatte des Herrn?" I» diesen Worte»
spricht sich eine durch und durch chinesische Auffassung aus.

Li Hung-tschang selbst mag vielleicht dafür sein, einige Verbesserungen im
himmlischen Reiche einzuführen, wie er denn z. B. mit dem Else»bah»bau in
Tschihli begonnen hat, als er noch Vizekönig dieser Provinz war. Aber was
hundertmal wichtiger ist als Eisenbahnen oder alle sonstigen schönen Ein¬
richtungen, die Ehrlichkeit in der Verwaltung öffentlicher Gelder wird in Li
niemals einen Fürsprecher finden. Denn Nepotismus und Korruption wäre»
in seiner Provinz ebenso schlimm wie anderswo in China. Hier Hütte er alle
Hebel zu Reformen ansetzen sollen, wenn er sich den Name» eines Mannes
erwerben wollte, der sich um sein Vaterland verdient macht.

Die Weltreise Lif. von der sich manche Menschen viel versprachen, ist
ziemlich ergebnislos verlaufen. Sollten ihr noch ein Dutzend ähnliche Reisen
s°lgen. so würde es damit höchst wahrscheinlich ebenso gehen. Ist doch China
Asien ,., höchster Potenz. Asien mit allen seinen schlechtesten Selten orienta¬
lischen Hoflebens. scho» während Li Hung-tschangs geräuschvoller Fahrt
kamen ominöse Nachrichten aus Peking, die von einer Verstimmung des Sohnes
Himmels zu berichte» wußten darüber, daß bei den meiste» der z» Ehre»
veranstaltete» Festlichkeiten viel zu viel vou diesem selbst und viel zu


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[0043] Was wird aus Lhina werden? Wird sich auch schwerlich jemals ändern lassen, denn sie liegt zu tief in dem Wesen des Maudarinentums begründet, das gar nicht darauf eingerichtet und darauf zugeschnitten ist, Belehrung von auszen anzunehmen. So ausgezeichnete Diener die Chinesen stets abgegeben haben, so schlechte Herren sind sie von jeher gewesen. Sie sind kein Herrenvolk und werden es auch niemals werden. Anscheinend widerspricht dieser Auffassung die Thatsache, daß doch die vielen Millionen Chinesen mehrere Jahrtausende lang von Mandarinen regiert worden sind. Das ist ein ebenso unerhörtes wie unverdientes Glück dieser Volks¬ aussauger gewesen. Hätte das geduldige Volk einmal eine andre und bessere Herrschaft kennen lernen, dann wäre es auch anders gekommen. Das beweisen die furchtbaren Umwälzungen, die das Reich der Mitte von Zeit zu Zeit durchzumachen hat, wen» dem unglückliche» Volke trotz aller Geduld die Mi߬ wirtschaft zu arg geworden ist. Wie unvorstellbar für einen Mandarinen der Gedanke ist. ein Beamter könne uneigennützig nud ohne Entgelt für das Gemeinwohl arbeiten, dafür ist ein kleiner Vorfall recht bezeichnend, der sich während des Aufenthalts Li Hung-tschaugs in England zutrug. Als der Alte »unlieb die großartigen Werkstätten für den Schiffsbau am Clyde besichtigte, wurden ihm die Herren vorgestellt, die für die gute Instandhaltung des Flusses sorge». Sie betrachten diese Ämter lediglich als Ehre»poster. Li fragte »um in seiner gewöhnlichen ungenirter Weise einen von den Herren, wie viel Geld ihm sei» Amt ein¬ brächte. „Gar keins," war die unerwartete Antwort. Verdutzt sah ihn der alte Chinese an und fragte dann mit schlauem Augenzwinkern: „Na. woher kommt denn die Diamantnadel an der Kravatte des Herrn?" I» diesen Worte» spricht sich eine durch und durch chinesische Auffassung aus. Li Hung-tschang selbst mag vielleicht dafür sein, einige Verbesserungen im himmlischen Reiche einzuführen, wie er denn z. B. mit dem Else»bah»bau in Tschihli begonnen hat, als er noch Vizekönig dieser Provinz war. Aber was hundertmal wichtiger ist als Eisenbahnen oder alle sonstigen schönen Ein¬ richtungen, die Ehrlichkeit in der Verwaltung öffentlicher Gelder wird in Li niemals einen Fürsprecher finden. Denn Nepotismus und Korruption wäre» in seiner Provinz ebenso schlimm wie anderswo in China. Hier Hütte er alle Hebel zu Reformen ansetzen sollen, wenn er sich den Name» eines Mannes erwerben wollte, der sich um sein Vaterland verdient macht. Die Weltreise Lif. von der sich manche Menschen viel versprachen, ist ziemlich ergebnislos verlaufen. Sollten ihr noch ein Dutzend ähnliche Reisen s°lgen. so würde es damit höchst wahrscheinlich ebenso gehen. Ist doch China Asien ,., höchster Potenz. Asien mit allen seinen schlechtesten Selten orienta¬ lischen Hoflebens. scho» während Li Hung-tschangs geräuschvoller Fahrt kamen ominöse Nachrichten aus Peking, die von einer Verstimmung des Sohnes Himmels zu berichte» wußten darüber, daß bei den meiste» der z» Ehre» veranstaltete» Festlichkeiten viel zu viel vou diesem selbst und viel zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/43>, abgerufen am 07.01.2025.