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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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U)le soll der Kampf um die Ostmark geführt werden?

Nachteil, daß oft genug blühende gewerbliche Unternehmungen wieder eingehen
oder in fremde (z. B. in polnische) Hände geraten, weil die studirten Herren
Söhne des ursprünglichen Inhabers nicht in der Lage sind, das Geschäft
weiter zu führen, und weil sich doch nicht immer in den Familien ein "Dummer"
vorfindet, der dazu noch zu brauchen ist.

Die Forderung müßte also dahin gehn, daß auch für die Bildungs¬
bedürfnisse des höhern und mittlern Bürgerstandes ausreichender als bisher
gesorgt würde, sowohl für sein Bedürfnis nach einer allgemeinen modernen
Bildung (durch Errichtung von Realschulen), wie anch für sein Bedürfnis nach
Fachbildung (durch Gründung von technischen und Fachschulen.)

Als Krönung dieses ganzen Gebäudes denke ich mir und wünsche ich für
die Provinz Posen eine Hochschule.

Als die Rheinlands mit Preußen vereinigt wurden, als Elsaß-Lothringen
für Deutschland wieder errungen war -- da erkannte man sofort die Not¬
wendigkeit, die Bevölkerung der neuen Gebietsteile vor allem auch für die Be¬
teiligung an der geistigen Entwicklung des großen Ganzen zu gewinnen. Auch
in unsrer Provinz muß es ein deutsches Kulturzentrum geben, eine Hochburg
deutscher Kunst und Wissenschaft, durch die es auch dem gebildeten Slawentum
fortwährend zum Bewußtsein gebracht wird, daß unsre Macht nicht bloß aus
den Kanonen und Bajonetten beruht, sondern daß sie die Frucht einer mehr
als tausendjährigen Geistesarbeit ist.

In welcher Stadt soll diese Hochschule errichtet werden?

Nirgends anders als in Posen selbst.*) Ich weiß, daß man gegen die
Wahl dieses Ortes diese und jene Gründe ins Feld führen kann. Für mich
ist jedoch folgende Erwägung ausschlaggebend.

Die Stadt Posen ist in Bezug auf die Nationalitätenfrage weitaus der
wichtigste Punkt im ganzen Osten. Dieser Punkt muß unter allen Umständen
wiedergewonnen werden -- ich sage "wiedergewonnen," denn er ist schon halb
verloren. Nun wohl! Wir haben viele Millionen für strategische Eisenbahnen
ausgegeben -- so opfere man denn auch einmal einige Millionen für eine
aus nationalstrategischen Rücksichten gegründete Hochschule. An dem Tage,
wo wir sagen können: Posen ist eine deutsche Stadt, an dem Tage haben wir
einen Sieg gewonnen, der an Bedeutung kaum hinter dem von Königgrütz
zurücksteht.

5. Eine hochwichtige Frage für unsre Provinz sind endlich die Handels¬
und Verkehrsbeziehungen zu unserm östlichen Nachbar. Zwar besteht zur Zeit
ein Handelsvertrag mit Nußland; daß wir ihn aber in sechs Jahren noch
haben werden, wer möchte darauf schwören? Tritt aber zwischen beiden Reichen



Ich halt" eS nicht für überflüssig zu bemerken, dnß ich zu den städtischen Behörden
Posens in gar keiner amtlichen Beziehung stehe. Ich bin Königlicher Beamter und nehme an
diesen Dingen kein persönliches, sondern nur ein sachliches Interesse.
U)le soll der Kampf um die Ostmark geführt werden?

Nachteil, daß oft genug blühende gewerbliche Unternehmungen wieder eingehen
oder in fremde (z. B. in polnische) Hände geraten, weil die studirten Herren
Söhne des ursprünglichen Inhabers nicht in der Lage sind, das Geschäft
weiter zu führen, und weil sich doch nicht immer in den Familien ein „Dummer"
vorfindet, der dazu noch zu brauchen ist.

Die Forderung müßte also dahin gehn, daß auch für die Bildungs¬
bedürfnisse des höhern und mittlern Bürgerstandes ausreichender als bisher
gesorgt würde, sowohl für sein Bedürfnis nach einer allgemeinen modernen
Bildung (durch Errichtung von Realschulen), wie anch für sein Bedürfnis nach
Fachbildung (durch Gründung von technischen und Fachschulen.)

Als Krönung dieses ganzen Gebäudes denke ich mir und wünsche ich für
die Provinz Posen eine Hochschule.

Als die Rheinlands mit Preußen vereinigt wurden, als Elsaß-Lothringen
für Deutschland wieder errungen war — da erkannte man sofort die Not¬
wendigkeit, die Bevölkerung der neuen Gebietsteile vor allem auch für die Be¬
teiligung an der geistigen Entwicklung des großen Ganzen zu gewinnen. Auch
in unsrer Provinz muß es ein deutsches Kulturzentrum geben, eine Hochburg
deutscher Kunst und Wissenschaft, durch die es auch dem gebildeten Slawentum
fortwährend zum Bewußtsein gebracht wird, daß unsre Macht nicht bloß aus
den Kanonen und Bajonetten beruht, sondern daß sie die Frucht einer mehr
als tausendjährigen Geistesarbeit ist.

In welcher Stadt soll diese Hochschule errichtet werden?

Nirgends anders als in Posen selbst.*) Ich weiß, daß man gegen die
Wahl dieses Ortes diese und jene Gründe ins Feld führen kann. Für mich
ist jedoch folgende Erwägung ausschlaggebend.

Die Stadt Posen ist in Bezug auf die Nationalitätenfrage weitaus der
wichtigste Punkt im ganzen Osten. Dieser Punkt muß unter allen Umständen
wiedergewonnen werden — ich sage „wiedergewonnen," denn er ist schon halb
verloren. Nun wohl! Wir haben viele Millionen für strategische Eisenbahnen
ausgegeben — so opfere man denn auch einmal einige Millionen für eine
aus nationalstrategischen Rücksichten gegründete Hochschule. An dem Tage,
wo wir sagen können: Posen ist eine deutsche Stadt, an dem Tage haben wir
einen Sieg gewonnen, der an Bedeutung kaum hinter dem von Königgrütz
zurücksteht.

5. Eine hochwichtige Frage für unsre Provinz sind endlich die Handels¬
und Verkehrsbeziehungen zu unserm östlichen Nachbar. Zwar besteht zur Zeit
ein Handelsvertrag mit Nußland; daß wir ihn aber in sechs Jahren noch
haben werden, wer möchte darauf schwören? Tritt aber zwischen beiden Reichen



Ich halt» eS nicht für überflüssig zu bemerken, dnß ich zu den städtischen Behörden
Posens in gar keiner amtlichen Beziehung stehe. Ich bin Königlicher Beamter und nehme an
diesen Dingen kein persönliches, sondern nur ein sachliches Interesse.
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[0434] U)le soll der Kampf um die Ostmark geführt werden? Nachteil, daß oft genug blühende gewerbliche Unternehmungen wieder eingehen oder in fremde (z. B. in polnische) Hände geraten, weil die studirten Herren Söhne des ursprünglichen Inhabers nicht in der Lage sind, das Geschäft weiter zu führen, und weil sich doch nicht immer in den Familien ein „Dummer" vorfindet, der dazu noch zu brauchen ist. Die Forderung müßte also dahin gehn, daß auch für die Bildungs¬ bedürfnisse des höhern und mittlern Bürgerstandes ausreichender als bisher gesorgt würde, sowohl für sein Bedürfnis nach einer allgemeinen modernen Bildung (durch Errichtung von Realschulen), wie anch für sein Bedürfnis nach Fachbildung (durch Gründung von technischen und Fachschulen.) Als Krönung dieses ganzen Gebäudes denke ich mir und wünsche ich für die Provinz Posen eine Hochschule. Als die Rheinlands mit Preußen vereinigt wurden, als Elsaß-Lothringen für Deutschland wieder errungen war — da erkannte man sofort die Not¬ wendigkeit, die Bevölkerung der neuen Gebietsteile vor allem auch für die Be¬ teiligung an der geistigen Entwicklung des großen Ganzen zu gewinnen. Auch in unsrer Provinz muß es ein deutsches Kulturzentrum geben, eine Hochburg deutscher Kunst und Wissenschaft, durch die es auch dem gebildeten Slawentum fortwährend zum Bewußtsein gebracht wird, daß unsre Macht nicht bloß aus den Kanonen und Bajonetten beruht, sondern daß sie die Frucht einer mehr als tausendjährigen Geistesarbeit ist. In welcher Stadt soll diese Hochschule errichtet werden? Nirgends anders als in Posen selbst.*) Ich weiß, daß man gegen die Wahl dieses Ortes diese und jene Gründe ins Feld führen kann. Für mich ist jedoch folgende Erwägung ausschlaggebend. Die Stadt Posen ist in Bezug auf die Nationalitätenfrage weitaus der wichtigste Punkt im ganzen Osten. Dieser Punkt muß unter allen Umständen wiedergewonnen werden — ich sage „wiedergewonnen," denn er ist schon halb verloren. Nun wohl! Wir haben viele Millionen für strategische Eisenbahnen ausgegeben — so opfere man denn auch einmal einige Millionen für eine aus nationalstrategischen Rücksichten gegründete Hochschule. An dem Tage, wo wir sagen können: Posen ist eine deutsche Stadt, an dem Tage haben wir einen Sieg gewonnen, der an Bedeutung kaum hinter dem von Königgrütz zurücksteht. 5. Eine hochwichtige Frage für unsre Provinz sind endlich die Handels¬ und Verkehrsbeziehungen zu unserm östlichen Nachbar. Zwar besteht zur Zeit ein Handelsvertrag mit Nußland; daß wir ihn aber in sechs Jahren noch haben werden, wer möchte darauf schwören? Tritt aber zwischen beiden Reichen Ich halt» eS nicht für überflüssig zu bemerken, dnß ich zu den städtischen Behörden Posens in gar keiner amtlichen Beziehung stehe. Ich bin Königlicher Beamter und nehme an diesen Dingen kein persönliches, sondern nur ein sachliches Interesse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/434>, abgerufen am 08.01.2025.