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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Wie soll der Kampf um die Ostmark geführt werden?

das frühere Verhältnis gegenseitiger Absperrung durch übermäßige Zölle wieder
in Kraft, dann wird, wie ich fürchte, die Entwertung des Großgrundbesitzes
"uf die Dauer zwar auch nicht verhindert, der industrielle Aufschwung der
Provinz aber sicherlich im Keime erstickt werden. Schafft man dagegen eine
blühende Industrie, so wird das Land, das noch viele Tausende von Be¬
wohnern ernähren könnte, dichter bevölkert werden, und dann kann auch der
Landwirt für seine Erzeugnisse auf bessere Absatzbedingungen rechnen.

Daß manche der hier empfohlenen Maßnahmen auch den Polen zu gute
kommen würden, kann um so weniger davon abschrecken, da es ja doch auf
deren wirtschaftlichen Ruin gar nicht abgesehen ist, sondern nur darauf, deutsches
Kapital, deutsche Intelligenz und Thatkraft in größerm Maße als bisher für
unsre Provinz zu erhalten und von auswärts herbeizuziehen.

Zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen. Es bedarf keines Be¬
weises, daß es für Deutschland wünschenswert wäre, hier an der gefährdeten
Ostgrenze eine geschlossene national-deutsche Bevölkerung zu haben. Aber sie
ist nun einmal nicht vorhanden und wird sich auf künstliche Weise weder durch
Güte noch mit Gewalt schaffen lassen. Der Gedanke, die Polen in Masse zu
germauisiren, ist uuter den heutigen Verhältnissen -- wir leben in einem Ver¬
fassungsstaat und stehen einem scharf ausgeprägten Nationalbewußtsein gegen¬
über -- nichts weiter als eine Utopie. Die Politik aber hat mit Utopien
nichts zu thun, sie erstrebt überhaupt uicht das Wünschenswerte, sondern vor
allem das Notwendige. Das Notwendige ist aber nicht, das Polentum aus¬
zurotten, sondern dafür zu sorgen, daß das deutsche Element ihm an Zahl
einigermaßen gewachsen, an Besitz und Bildung überlegen bleibt.

Auch das ist schon ein sehr hohes Ziel, bei dessen Verfolgung man gar
leicht auf Abwege geraten kann. Die Gefahr liegt -- wie mir scheint --
besonders darin, daß man zu viel auf einmal erreichen will: Hui trox eindra886,
nisi sei'Art.. Vielleicht würden die Erfolge besser sein, wenn man sich das
Ziel etwas niedriger steckte und seine Kräfte zunächst ans einige wichtige Punkte
richtete. Als solche besonders wichtigen Punkte möchte ich wieder und wieder
die Städte hervorheben. In ihnen dem deutschen Elemente zum entschiednen
Übergewicht zu verhelfen, das liegt wenigstens im Bereich der Möglichkeit.
Sind aber erst einmal die fünf oder sechs wichtigsten Städte der Provinz
überwiegend deutsch, dann ist dem politischen Polentum und seinen Sonder-
bestrebungen das Rückgrat gebrochen, und was alle materielle Fürsorge der
Regierung bisher nicht erreicht hat, nämlich die Polen wenigstens zu guten
Preußen zu machen, das bewirkt dann vielleicht die Hoffnungslosigkeit.




Wie soll der Kampf um die Ostmark geführt werden?

das frühere Verhältnis gegenseitiger Absperrung durch übermäßige Zölle wieder
in Kraft, dann wird, wie ich fürchte, die Entwertung des Großgrundbesitzes
«uf die Dauer zwar auch nicht verhindert, der industrielle Aufschwung der
Provinz aber sicherlich im Keime erstickt werden. Schafft man dagegen eine
blühende Industrie, so wird das Land, das noch viele Tausende von Be¬
wohnern ernähren könnte, dichter bevölkert werden, und dann kann auch der
Landwirt für seine Erzeugnisse auf bessere Absatzbedingungen rechnen.

Daß manche der hier empfohlenen Maßnahmen auch den Polen zu gute
kommen würden, kann um so weniger davon abschrecken, da es ja doch auf
deren wirtschaftlichen Ruin gar nicht abgesehen ist, sondern nur darauf, deutsches
Kapital, deutsche Intelligenz und Thatkraft in größerm Maße als bisher für
unsre Provinz zu erhalten und von auswärts herbeizuziehen.

Zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen. Es bedarf keines Be¬
weises, daß es für Deutschland wünschenswert wäre, hier an der gefährdeten
Ostgrenze eine geschlossene national-deutsche Bevölkerung zu haben. Aber sie
ist nun einmal nicht vorhanden und wird sich auf künstliche Weise weder durch
Güte noch mit Gewalt schaffen lassen. Der Gedanke, die Polen in Masse zu
germauisiren, ist uuter den heutigen Verhältnissen — wir leben in einem Ver¬
fassungsstaat und stehen einem scharf ausgeprägten Nationalbewußtsein gegen¬
über — nichts weiter als eine Utopie. Die Politik aber hat mit Utopien
nichts zu thun, sie erstrebt überhaupt uicht das Wünschenswerte, sondern vor
allem das Notwendige. Das Notwendige ist aber nicht, das Polentum aus¬
zurotten, sondern dafür zu sorgen, daß das deutsche Element ihm an Zahl
einigermaßen gewachsen, an Besitz und Bildung überlegen bleibt.

Auch das ist schon ein sehr hohes Ziel, bei dessen Verfolgung man gar
leicht auf Abwege geraten kann. Die Gefahr liegt — wie mir scheint —
besonders darin, daß man zu viel auf einmal erreichen will: Hui trox eindra886,
nisi sei'Art.. Vielleicht würden die Erfolge besser sein, wenn man sich das
Ziel etwas niedriger steckte und seine Kräfte zunächst ans einige wichtige Punkte
richtete. Als solche besonders wichtigen Punkte möchte ich wieder und wieder
die Städte hervorheben. In ihnen dem deutschen Elemente zum entschiednen
Übergewicht zu verhelfen, das liegt wenigstens im Bereich der Möglichkeit.
Sind aber erst einmal die fünf oder sechs wichtigsten Städte der Provinz
überwiegend deutsch, dann ist dem politischen Polentum und seinen Sonder-
bestrebungen das Rückgrat gebrochen, und was alle materielle Fürsorge der
Regierung bisher nicht erreicht hat, nämlich die Polen wenigstens zu guten
Preußen zu machen, das bewirkt dann vielleicht die Hoffnungslosigkeit.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/435>, abgerufen am 07.01.2025.