Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Das deutsche Dorfwirtshaus sind die Unbequemlichkeiten, die sie damit den stillern Naturfreunden be¬ Legt einmal die Scheu vor der Berührung mit der "Masse" ab und geht Es fällt mir dabei ein, wie ich an einem Frühlingssonntag voll Sonnen¬ Das deutsche Dorfwirtshaus sind die Unbequemlichkeiten, die sie damit den stillern Naturfreunden be¬ Legt einmal die Scheu vor der Berührung mit der „Masse" ab und geht Es fällt mir dabei ein, wie ich an einem Frühlingssonntag voll Sonnen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226942"/> <fw type="header" place="top"> Das deutsche Dorfwirtshaus</fw><lb/> <p xml:id="ID_72" prev="#ID_71"> sind die Unbequemlichkeiten, die sie damit den stillern Naturfreunden be¬<lb/> reiten, klein im Vergleich mit denen, die sie selbst ihre sauern Wochen hin¬<lb/> durch zu ertragen haben. Laßt sie diese Last städtischer Eingeschlossenheit ab¬<lb/> schütteln und freut euch, daß sie nicht die bequemern Erholungen in städtischen<lb/> Kneipen und Singspielhallen vorziehen! Begreift, daß das ländliche Wirts¬<lb/> haus bei unserm Stand der Bevölkerungsanhäufung als billige und unschäd¬<lb/> liche Erholungsstätte eine Wohlthat geworden ist!</p><lb/> <p xml:id="ID_73"> Legt einmal die Scheu vor der Berührung mit der „Masse" ab und geht<lb/> an den Psingsttagen ins Freie, wo sich euch die aus allen Städten heraus¬<lb/> flutende Bevölkerung zeigt, die sich frühlingsmäßig heiter, wie sonst nie. aus-<lb/> staffirt hat und sich alle Mühe giebt, heiter zu sein, weil sie Heiterkeit zu<lb/> finden hofft. Ich freue mich über die Männer mit abgearbeiteten Mienen,<lb/> die heute einmal wirklich Feiertag machen. Sie fühlen sich aller Pflicht ledig.<lb/> Der grüne Zweig am Hute versinnlicht den seelischen Mitbesitz an Gottes<lb/> freiem Walde, den sich kein Deutscher abstreiten läßt. Einige deuten ihre<lb/> Unternehmungslust durch eine mit „Kornjack" gefüllte Neiseflasche an. die sie<lb/> über ihren feierlichen Bratenrock gehängt haben. Andre bemerken am Eingang<lb/> eines Aussichtsturms, dessen Besteigung zehn Pfennige kostet: Nee, das Geld<lb/> legen wir in Bier an und für dich Otte (zärtlich) in Kaffee. Ich freue mich<lb/> für die würdigen Gattinnen, die in ihren Sonntagskleidern entweder furchtbar<lb/> schwitzen oder entsprechende Angst ausstehen, daß sie vom Regen durchnäßt<lb/> werden möchten. Gar nicht zu reden von der Angst um das Familienporte¬<lb/> monnaie, das sie in der Hand des festlich heitern Gatten heute nicht ganz sicher<lb/> aufgehoben glauben. Ich freue mich am allermeisten über die kleinen Mädchen,<lb/> die in weißen Kleidern, weißen Strümpfen, hellen Schuhen und bunten Sonnen-<lb/> schirmchen wie Schmetterlinge umherflattern, sich wechselseitig begrüßen und be¬<lb/> gucken. Das reine Glück, das durchaus keine Lust hat, sich von dem schon<lb/> grollenden Pfingstgewitter trüben zu lassen! Draußen sind die ländlichen Er¬<lb/> holungsstätten, mit Maien und Blumen geschmückt, bereit. Tausende zu tränken<lb/> und zu speisen. Nachmittags erschallt Musik im Garten, und abends folgt<lb/> der unvermeidliche Tanz. Wenn ich daran denke, wie in Frankfurt am dritten<lb/> Pfingsttag Hoch und Niedrig in den Wald zieht, um den „Wäldchestag" im<lb/> frischen Grün zu feiern, oder in München, wo am Pfingstmontag alles, was<lb/> von der niedern Bevölkerung fahren oder gehen kann, die Waldwirtschaften<lb/> von Grvßhesfellohe und Pnllach aufsucht, so freue ich mich dieser Erholungen,<lb/> als ob ich sie selbst mitmachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_74" next="#ID_75"> Es fällt mir dabei ein, wie ich an einem Frühlingssonntag voll Sonnen¬<lb/> schein und Regenschauern vor plötzlicher Durchnässung im Thorgang eines<lb/> Wirtshauses bei London Schutz suchte. Die Wirtschaft schien verschlossen. Nach<lb/> mir kamen aber andre Männer herein, die das „Scham" wußten, das solche<lb/> Thüren öffnet. Sie klopften und riefen 1rg.v<z11<zr, worauf, da dem Gesetz</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Das deutsche Dorfwirtshaus
sind die Unbequemlichkeiten, die sie damit den stillern Naturfreunden be¬
reiten, klein im Vergleich mit denen, die sie selbst ihre sauern Wochen hin¬
durch zu ertragen haben. Laßt sie diese Last städtischer Eingeschlossenheit ab¬
schütteln und freut euch, daß sie nicht die bequemern Erholungen in städtischen
Kneipen und Singspielhallen vorziehen! Begreift, daß das ländliche Wirts¬
haus bei unserm Stand der Bevölkerungsanhäufung als billige und unschäd¬
liche Erholungsstätte eine Wohlthat geworden ist!
Legt einmal die Scheu vor der Berührung mit der „Masse" ab und geht
an den Psingsttagen ins Freie, wo sich euch die aus allen Städten heraus¬
flutende Bevölkerung zeigt, die sich frühlingsmäßig heiter, wie sonst nie. aus-
staffirt hat und sich alle Mühe giebt, heiter zu sein, weil sie Heiterkeit zu
finden hofft. Ich freue mich über die Männer mit abgearbeiteten Mienen,
die heute einmal wirklich Feiertag machen. Sie fühlen sich aller Pflicht ledig.
Der grüne Zweig am Hute versinnlicht den seelischen Mitbesitz an Gottes
freiem Walde, den sich kein Deutscher abstreiten läßt. Einige deuten ihre
Unternehmungslust durch eine mit „Kornjack" gefüllte Neiseflasche an. die sie
über ihren feierlichen Bratenrock gehängt haben. Andre bemerken am Eingang
eines Aussichtsturms, dessen Besteigung zehn Pfennige kostet: Nee, das Geld
legen wir in Bier an und für dich Otte (zärtlich) in Kaffee. Ich freue mich
für die würdigen Gattinnen, die in ihren Sonntagskleidern entweder furchtbar
schwitzen oder entsprechende Angst ausstehen, daß sie vom Regen durchnäßt
werden möchten. Gar nicht zu reden von der Angst um das Familienporte¬
monnaie, das sie in der Hand des festlich heitern Gatten heute nicht ganz sicher
aufgehoben glauben. Ich freue mich am allermeisten über die kleinen Mädchen,
die in weißen Kleidern, weißen Strümpfen, hellen Schuhen und bunten Sonnen-
schirmchen wie Schmetterlinge umherflattern, sich wechselseitig begrüßen und be¬
gucken. Das reine Glück, das durchaus keine Lust hat, sich von dem schon
grollenden Pfingstgewitter trüben zu lassen! Draußen sind die ländlichen Er¬
holungsstätten, mit Maien und Blumen geschmückt, bereit. Tausende zu tränken
und zu speisen. Nachmittags erschallt Musik im Garten, und abends folgt
der unvermeidliche Tanz. Wenn ich daran denke, wie in Frankfurt am dritten
Pfingsttag Hoch und Niedrig in den Wald zieht, um den „Wäldchestag" im
frischen Grün zu feiern, oder in München, wo am Pfingstmontag alles, was
von der niedern Bevölkerung fahren oder gehen kann, die Waldwirtschaften
von Grvßhesfellohe und Pnllach aufsucht, so freue ich mich dieser Erholungen,
als ob ich sie selbst mitmachte.
Es fällt mir dabei ein, wie ich an einem Frühlingssonntag voll Sonnen¬
schein und Regenschauern vor plötzlicher Durchnässung im Thorgang eines
Wirtshauses bei London Schutz suchte. Die Wirtschaft schien verschlossen. Nach
mir kamen aber andre Männer herein, die das „Scham" wußten, das solche
Thüren öffnet. Sie klopften und riefen 1rg.v<z11<zr, worauf, da dem Gesetz
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |