Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Der rechte Mann oft zeigt es sich auch hier, daß die nächstinteressirten ihr eigenstes Interesse zu¬ Jedenfalls waren die ganze Verhandlung und im besondern die Reden des Zum Schlüsse seien noch zwei Fragen erlaubt, von denen freilich Herr Die zweite Frage ist diplomatischer Art. Herr von Vülow hat wieder von Grenzboten I 1898 49
Der rechte Mann oft zeigt es sich auch hier, daß die nächstinteressirten ihr eigenstes Interesse zu¬ Jedenfalls waren die ganze Verhandlung und im besondern die Reden des Zum Schlüsse seien noch zwei Fragen erlaubt, von denen freilich Herr Die zweite Frage ist diplomatischer Art. Herr von Vülow hat wieder von Grenzboten I 1898 49
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227291"/> <fw type="header" place="top"> Der rechte Mann</fw><lb/> <p xml:id="ID_1351" prev="#ID_1350"> oft zeigt es sich auch hier, daß die nächstinteressirten ihr eigenstes Interesse zu¬<lb/> weilen am allerwenigsten verstehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1352"> Jedenfalls waren die ganze Verhandlung und im besondern die Reden des<lb/> Staatssekretärs eine vortreffliche Einleitung zur Beratung der Flottenvorlage,<lb/> denn wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1353"> Zum Schlüsse seien noch zwei Fragen erlaubt, von denen freilich Herr<lb/> von Vülow nur die zweite wirklich beantworten könnte, denn die erste richtet<lb/> sich vor allem an die deutschen Kapitalisten: Wie kommt es doch, daß sich<lb/> deutsches Kapital für jede noch so fragwürdige fremde Anleihe, für Griechen<lb/> und Argentinier so leicht findet, und daß es auch jetzt offenbar ohne jede<lb/> Schwierigkeit gelingen wird, das nötige Kapital für deutsche Eisenbahnen,<lb/> Hafenanlagen und Kohlenbergwerke im fernen China zu beschaffen, daß es da¬<lb/> gegen in unsre afrikanischen Kolonien, die es vor allem bedürfen, so spärlich<lb/> und schwerfällig fließt? Die unentbehrliche Eisenbahn von Swakopmund nach<lb/> Windhuk muß aus Neichsmitteln erbaut werden, und die nicht minder nötige ost-<lb/> afrikanische Linie ist in der Küstenzone stecken geblieben, während die Engländer<lb/> von Mombas aus ihre Eisenbahn schon mehrere hundert Kilometer weit ins<lb/> Innere nach dem Viktoriasee zu geführt haben und sich gelegentlich das Vergnügen<lb/> machen, deutsche Marineoffiziere auf ihr eine Strecke spazieren zu fahren, damit<lb/> diese recht deutlich sehen, was englische Thatkraft vermag und deutsche Lässigkeit<lb/> versäumt. Es scheint doch, als ob unsre kapitalkräftigen Kreise noch immer am<lb/> liebsten nur dort etwas wagen wollen, wo eine gute Verzinsung in kurzer Zeit sicher<lb/> ist, also nichts zu wagen ist, dort aber nicht, wo eine solche erst nach längerer<lb/> Zeit zu erwarten steht. Herr von Bülow würde das vielleicht als Kalknlatoren-<lb/> standpunkt bezeichnen, man könnte auch von Krämerart reden, und jedenfalls<lb/> ist es ein Rest alter Ängstlichkeit aus der alten schlechten Zeit, es ist nicht<lb/> kaufmännisch in dem guten Sinne wie die Engländer jetzt Verfahren, wie unsre<lb/> Hanseaten vor alters verfahren sind, und wie Herr von Bülow in China ver¬<lb/> fahren will. Hoffentlich ändert sich jetzt auch das, nachdem die Caprivische<lb/> Mattherzigkeit in der Kolonialpolitik überwunden ist und einem frischen Zuge<lb/> Platz gemacht hat, der Vertrauen einflößt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1354" next="#ID_1355"> Die zweite Frage ist diplomatischer Art. Herr von Vülow hat wieder von<lb/> »unsrer Uninteressirtheit in orientalischen Dingen und in der Mittelmeerfrage" ge¬<lb/> redet. Entspricht das mehr der Tradition oder den Thatsachen? Vor zwanzig<lb/> Jahren mag es noch richtig gewesen sein, ist es das noch heute? Unsre großen<lb/> Dampferlinien durchkreuzen das ganze Mittelmeer, unsre Flagge ist in Neapel und<lb/> Genua zu Hause, seit 1868 bestehen blühende deutsche Ackerbaukolonien der württem¬<lb/> bergischen Templer im südlichen Palästina, die zukunftsreichen anatolischen Bahnen<lb/> sind mit deutschem Gelde gebaut und stehen unter deutscher Verwaltung, unsre<lb/> Offiziere haben die türkische Armee so trefflich organistrt und geschult, daß sie<lb/> die griechische Zuchtlosigkeit mit leichter Mühe niederwarf, und was mehr</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1898 49</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Der rechte Mann
oft zeigt es sich auch hier, daß die nächstinteressirten ihr eigenstes Interesse zu¬
weilen am allerwenigsten verstehen.
Jedenfalls waren die ganze Verhandlung und im besondern die Reden des
Staatssekretärs eine vortreffliche Einleitung zur Beratung der Flottenvorlage,
denn wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen.
Zum Schlüsse seien noch zwei Fragen erlaubt, von denen freilich Herr
von Vülow nur die zweite wirklich beantworten könnte, denn die erste richtet
sich vor allem an die deutschen Kapitalisten: Wie kommt es doch, daß sich
deutsches Kapital für jede noch so fragwürdige fremde Anleihe, für Griechen
und Argentinier so leicht findet, und daß es auch jetzt offenbar ohne jede
Schwierigkeit gelingen wird, das nötige Kapital für deutsche Eisenbahnen,
Hafenanlagen und Kohlenbergwerke im fernen China zu beschaffen, daß es da¬
gegen in unsre afrikanischen Kolonien, die es vor allem bedürfen, so spärlich
und schwerfällig fließt? Die unentbehrliche Eisenbahn von Swakopmund nach
Windhuk muß aus Neichsmitteln erbaut werden, und die nicht minder nötige ost-
afrikanische Linie ist in der Küstenzone stecken geblieben, während die Engländer
von Mombas aus ihre Eisenbahn schon mehrere hundert Kilometer weit ins
Innere nach dem Viktoriasee zu geführt haben und sich gelegentlich das Vergnügen
machen, deutsche Marineoffiziere auf ihr eine Strecke spazieren zu fahren, damit
diese recht deutlich sehen, was englische Thatkraft vermag und deutsche Lässigkeit
versäumt. Es scheint doch, als ob unsre kapitalkräftigen Kreise noch immer am
liebsten nur dort etwas wagen wollen, wo eine gute Verzinsung in kurzer Zeit sicher
ist, also nichts zu wagen ist, dort aber nicht, wo eine solche erst nach längerer
Zeit zu erwarten steht. Herr von Bülow würde das vielleicht als Kalknlatoren-
standpunkt bezeichnen, man könnte auch von Krämerart reden, und jedenfalls
ist es ein Rest alter Ängstlichkeit aus der alten schlechten Zeit, es ist nicht
kaufmännisch in dem guten Sinne wie die Engländer jetzt Verfahren, wie unsre
Hanseaten vor alters verfahren sind, und wie Herr von Bülow in China ver¬
fahren will. Hoffentlich ändert sich jetzt auch das, nachdem die Caprivische
Mattherzigkeit in der Kolonialpolitik überwunden ist und einem frischen Zuge
Platz gemacht hat, der Vertrauen einflößt.
Die zweite Frage ist diplomatischer Art. Herr von Vülow hat wieder von
»unsrer Uninteressirtheit in orientalischen Dingen und in der Mittelmeerfrage" ge¬
redet. Entspricht das mehr der Tradition oder den Thatsachen? Vor zwanzig
Jahren mag es noch richtig gewesen sein, ist es das noch heute? Unsre großen
Dampferlinien durchkreuzen das ganze Mittelmeer, unsre Flagge ist in Neapel und
Genua zu Hause, seit 1868 bestehen blühende deutsche Ackerbaukolonien der württem¬
bergischen Templer im südlichen Palästina, die zukunftsreichen anatolischen Bahnen
sind mit deutschem Gelde gebaut und stehen unter deutscher Verwaltung, unsre
Offiziere haben die türkische Armee so trefflich organistrt und geschult, daß sie
die griechische Zuchtlosigkeit mit leichter Mühe niederwarf, und was mehr
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