Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
U?le soll der/Kampf um die Dstmark geführt werde"?

wickelten Gedanken in direktem Widerspruch steht: nicht auf die Städte in
erster Linie ist es abgesehen, sondern man verfolgt seit einer Reihe von
Jahren den Plan, das platte Land durch deutsche Ansiedler zu germcmisiren.*)

Gegen die Art und Weise, wie dabei zu Werke gegangen wird, nämlich
durch Ankauf und Parzelliruug größerer Güter, läßt sich selbst vom staats¬
rechtlichen Standpunkte kaum etwas einwenden. Es ist wahr, die Maßregel
ist gegen das politische Polentum gerichtet; aber solange dieses Polentum seiue
Zugehörigkeit zu Preußen nur mit dem Vorbehalt anerkennt, durch irgend welche
Fügungen der Weltgeschichte früher oder später ans diesem Verband auszu¬
scheiden, kann man es der preußischen Regierung nicht verdenken, daß sie sich
für ihre Machtstellung hier im Osten eine andre, zuverlässigere Stütze sucht.

Noch weniger aber läßt sich vom privatrechtlichen Standpunkt aus gegen
dies Verfahren der preußischen Negierung etwas vorbringen. Die Klagen der
Polen in dieser Beziehung sind einfach lächerlich. Es wird doch keiner von
ihnen gezwungen, sein Gut an die Ansiedlungskommission zu verkaufen!

Aber eine andre Frage ist es nun freilich, ob der beabsichtigte Zweck, die
Germanisirung des Landes, durch das Mittel erreicht werden wird. Es giebt
bei uns im Osten teutschgesinnte Männer genug, die dies bezweifeln, und der
Verfasser bekennt, daß anch er sich mehr und mehr von diesem Zweifel er¬
griffen fühlt, so wenig er im übrigen geneigt ist, die Bedeutung des Ansied-
lungswerks nach der sozialpolitischen Seite hin irgendwie zu unterschätzen.
Aber was will es für die nationalen Verhältnisse bedeuten, wenn z. B. im
Kreise Gnesen, wo eine größere Anzahl Güter zu Ansiedlnngszwecken erworben
worden sind, infolgedessen zur Zeit (wenn es hochtönend) vielleicht 1500 deutsche
Einwandrer neue Heimstätten gefunden haben mögen? Da der Kreis bisher
von ungefähr 14000 Deutschen und 28000 Polen bewohnt war, so kamen
früher auf je 1000 Einwohner 330 Deutsche. In Zukunft werden es 350
sein. Das wird gerade ausreichen, um auf ein paar Jahre das Minus der
Geburten auf deutscher Seite auszugleichen.

Mehr aber als dieses Bedenken spricht gegen das jetzt übliche Ansiedlnngs-
system noch etwas andres, worauf schon wiederholt in den öffentlichen Blättern
hingewiesen worden ist, nämlich der Umstand, daß diese Thätigkeit der An¬
siedlungskommission eine Stärkung des Polentums gerade in den Städten,
und vor allem in der Hauptstadt der Provinz, zur Folge gehabt zu haben
scheint.

Dies ist nun freilich ein so gewichtiger Einwand gegen das Ansiedlungs-
werk, daß er nur nach sorgfältiger Prüfung der Verhältnisse erhoben werden
sollte. Wie dem nun auch sei -- jedenfalls liegen äußere Anzeichen genug



Diese Zeilen wurden geschrieben, ehe der inzwischen scheinbar eingetretne Umschwung
in der Regierungspolitik bekannt geworden war.
U?le soll der/Kampf um die Dstmark geführt werde»?

wickelten Gedanken in direktem Widerspruch steht: nicht auf die Städte in
erster Linie ist es abgesehen, sondern man verfolgt seit einer Reihe von
Jahren den Plan, das platte Land durch deutsche Ansiedler zu germcmisiren.*)

Gegen die Art und Weise, wie dabei zu Werke gegangen wird, nämlich
durch Ankauf und Parzelliruug größerer Güter, läßt sich selbst vom staats¬
rechtlichen Standpunkte kaum etwas einwenden. Es ist wahr, die Maßregel
ist gegen das politische Polentum gerichtet; aber solange dieses Polentum seiue
Zugehörigkeit zu Preußen nur mit dem Vorbehalt anerkennt, durch irgend welche
Fügungen der Weltgeschichte früher oder später ans diesem Verband auszu¬
scheiden, kann man es der preußischen Regierung nicht verdenken, daß sie sich
für ihre Machtstellung hier im Osten eine andre, zuverlässigere Stütze sucht.

Noch weniger aber läßt sich vom privatrechtlichen Standpunkt aus gegen
dies Verfahren der preußischen Negierung etwas vorbringen. Die Klagen der
Polen in dieser Beziehung sind einfach lächerlich. Es wird doch keiner von
ihnen gezwungen, sein Gut an die Ansiedlungskommission zu verkaufen!

Aber eine andre Frage ist es nun freilich, ob der beabsichtigte Zweck, die
Germanisirung des Landes, durch das Mittel erreicht werden wird. Es giebt
bei uns im Osten teutschgesinnte Männer genug, die dies bezweifeln, und der
Verfasser bekennt, daß anch er sich mehr und mehr von diesem Zweifel er¬
griffen fühlt, so wenig er im übrigen geneigt ist, die Bedeutung des Ansied-
lungswerks nach der sozialpolitischen Seite hin irgendwie zu unterschätzen.
Aber was will es für die nationalen Verhältnisse bedeuten, wenn z. B. im
Kreise Gnesen, wo eine größere Anzahl Güter zu Ansiedlnngszwecken erworben
worden sind, infolgedessen zur Zeit (wenn es hochtönend) vielleicht 1500 deutsche
Einwandrer neue Heimstätten gefunden haben mögen? Da der Kreis bisher
von ungefähr 14000 Deutschen und 28000 Polen bewohnt war, so kamen
früher auf je 1000 Einwohner 330 Deutsche. In Zukunft werden es 350
sein. Das wird gerade ausreichen, um auf ein paar Jahre das Minus der
Geburten auf deutscher Seite auszugleichen.

Mehr aber als dieses Bedenken spricht gegen das jetzt übliche Ansiedlnngs-
system noch etwas andres, worauf schon wiederholt in den öffentlichen Blättern
hingewiesen worden ist, nämlich der Umstand, daß diese Thätigkeit der An¬
siedlungskommission eine Stärkung des Polentums gerade in den Städten,
und vor allem in der Hauptstadt der Provinz, zur Folge gehabt zu haben
scheint.

Dies ist nun freilich ein so gewichtiger Einwand gegen das Ansiedlungs-
werk, daß er nur nach sorgfältiger Prüfung der Verhältnisse erhoben werden
sollte. Wie dem nun auch sei — jedenfalls liegen äußere Anzeichen genug



Diese Zeilen wurden geschrieben, ehe der inzwischen scheinbar eingetretne Umschwung
in der Regierungspolitik bekannt geworden war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227260"/>
          <fw type="header" place="top"> U?le soll der/Kampf um die Dstmark geführt werde»?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1214" prev="#ID_1213"> wickelten Gedanken in direktem Widerspruch steht: nicht auf die Städte in<lb/>
erster Linie ist es abgesehen, sondern man verfolgt seit einer Reihe von<lb/>
Jahren den Plan, das platte Land durch deutsche Ansiedler zu germcmisiren.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1215"> Gegen die Art und Weise, wie dabei zu Werke gegangen wird, nämlich<lb/>
durch Ankauf und Parzelliruug größerer Güter, läßt sich selbst vom staats¬<lb/>
rechtlichen Standpunkte kaum etwas einwenden. Es ist wahr, die Maßregel<lb/>
ist gegen das politische Polentum gerichtet; aber solange dieses Polentum seiue<lb/>
Zugehörigkeit zu Preußen nur mit dem Vorbehalt anerkennt, durch irgend welche<lb/>
Fügungen der Weltgeschichte früher oder später ans diesem Verband auszu¬<lb/>
scheiden, kann man es der preußischen Regierung nicht verdenken, daß sie sich<lb/>
für ihre Machtstellung hier im Osten eine andre, zuverlässigere Stütze sucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1216"> Noch weniger aber läßt sich vom privatrechtlichen Standpunkt aus gegen<lb/>
dies Verfahren der preußischen Negierung etwas vorbringen. Die Klagen der<lb/>
Polen in dieser Beziehung sind einfach lächerlich. Es wird doch keiner von<lb/>
ihnen gezwungen, sein Gut an die Ansiedlungskommission zu verkaufen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1217"> Aber eine andre Frage ist es nun freilich, ob der beabsichtigte Zweck, die<lb/>
Germanisirung des Landes, durch das Mittel erreicht werden wird. Es giebt<lb/>
bei uns im Osten teutschgesinnte Männer genug, die dies bezweifeln, und der<lb/>
Verfasser bekennt, daß anch er sich mehr und mehr von diesem Zweifel er¬<lb/>
griffen fühlt, so wenig er im übrigen geneigt ist, die Bedeutung des Ansied-<lb/>
lungswerks nach der sozialpolitischen Seite hin irgendwie zu unterschätzen.<lb/>
Aber was will es für die nationalen Verhältnisse bedeuten, wenn z. B. im<lb/>
Kreise Gnesen, wo eine größere Anzahl Güter zu Ansiedlnngszwecken erworben<lb/>
worden sind, infolgedessen zur Zeit (wenn es hochtönend) vielleicht 1500 deutsche<lb/>
Einwandrer neue Heimstätten gefunden haben mögen? Da der Kreis bisher<lb/>
von ungefähr 14000 Deutschen und 28000 Polen bewohnt war, so kamen<lb/>
früher auf je 1000 Einwohner 330 Deutsche. In Zukunft werden es 350<lb/>
sein. Das wird gerade ausreichen, um auf ein paar Jahre das Minus der<lb/>
Geburten auf deutscher Seite auszugleichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1218"> Mehr aber als dieses Bedenken spricht gegen das jetzt übliche Ansiedlnngs-<lb/>
system noch etwas andres, worauf schon wiederholt in den öffentlichen Blättern<lb/>
hingewiesen worden ist, nämlich der Umstand, daß diese Thätigkeit der An¬<lb/>
siedlungskommission eine Stärkung des Polentums gerade in den Städten,<lb/>
und vor allem in der Hauptstadt der Provinz, zur Folge gehabt zu haben<lb/>
scheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1219" next="#ID_1220"> Dies ist nun freilich ein so gewichtiger Einwand gegen das Ansiedlungs-<lb/>
werk, daß er nur nach sorgfältiger Prüfung der Verhältnisse erhoben werden<lb/>
sollte.  Wie dem nun auch sei &#x2014; jedenfalls liegen äußere Anzeichen genug</p><lb/>
          <note xml:id="FID_32" place="foot"> Diese Zeilen wurden geschrieben, ehe der inzwischen scheinbar eingetretne Umschwung<lb/>
in der Regierungspolitik bekannt geworden war.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0358] U?le soll der/Kampf um die Dstmark geführt werde»? wickelten Gedanken in direktem Widerspruch steht: nicht auf die Städte in erster Linie ist es abgesehen, sondern man verfolgt seit einer Reihe von Jahren den Plan, das platte Land durch deutsche Ansiedler zu germcmisiren.*) Gegen die Art und Weise, wie dabei zu Werke gegangen wird, nämlich durch Ankauf und Parzelliruug größerer Güter, läßt sich selbst vom staats¬ rechtlichen Standpunkte kaum etwas einwenden. Es ist wahr, die Maßregel ist gegen das politische Polentum gerichtet; aber solange dieses Polentum seiue Zugehörigkeit zu Preußen nur mit dem Vorbehalt anerkennt, durch irgend welche Fügungen der Weltgeschichte früher oder später ans diesem Verband auszu¬ scheiden, kann man es der preußischen Regierung nicht verdenken, daß sie sich für ihre Machtstellung hier im Osten eine andre, zuverlässigere Stütze sucht. Noch weniger aber läßt sich vom privatrechtlichen Standpunkt aus gegen dies Verfahren der preußischen Negierung etwas vorbringen. Die Klagen der Polen in dieser Beziehung sind einfach lächerlich. Es wird doch keiner von ihnen gezwungen, sein Gut an die Ansiedlungskommission zu verkaufen! Aber eine andre Frage ist es nun freilich, ob der beabsichtigte Zweck, die Germanisirung des Landes, durch das Mittel erreicht werden wird. Es giebt bei uns im Osten teutschgesinnte Männer genug, die dies bezweifeln, und der Verfasser bekennt, daß anch er sich mehr und mehr von diesem Zweifel er¬ griffen fühlt, so wenig er im übrigen geneigt ist, die Bedeutung des Ansied- lungswerks nach der sozialpolitischen Seite hin irgendwie zu unterschätzen. Aber was will es für die nationalen Verhältnisse bedeuten, wenn z. B. im Kreise Gnesen, wo eine größere Anzahl Güter zu Ansiedlnngszwecken erworben worden sind, infolgedessen zur Zeit (wenn es hochtönend) vielleicht 1500 deutsche Einwandrer neue Heimstätten gefunden haben mögen? Da der Kreis bisher von ungefähr 14000 Deutschen und 28000 Polen bewohnt war, so kamen früher auf je 1000 Einwohner 330 Deutsche. In Zukunft werden es 350 sein. Das wird gerade ausreichen, um auf ein paar Jahre das Minus der Geburten auf deutscher Seite auszugleichen. Mehr aber als dieses Bedenken spricht gegen das jetzt übliche Ansiedlnngs- system noch etwas andres, worauf schon wiederholt in den öffentlichen Blättern hingewiesen worden ist, nämlich der Umstand, daß diese Thätigkeit der An¬ siedlungskommission eine Stärkung des Polentums gerade in den Städten, und vor allem in der Hauptstadt der Provinz, zur Folge gehabt zu haben scheint. Dies ist nun freilich ein so gewichtiger Einwand gegen das Ansiedlungs- werk, daß er nur nach sorgfältiger Prüfung der Verhältnisse erhoben werden sollte. Wie dem nun auch sei — jedenfalls liegen äußere Anzeichen genug Diese Zeilen wurden geschrieben, ehe der inzwischen scheinbar eingetretne Umschwung in der Regierungspolitik bekannt geworden war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/358
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/358>, abgerufen am 08.01.2025.