Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Litteratur immer häufiger pedantisch: ^eiüllous und Lsrdsros, KirKs, Xenwur geschrieben Von der Inkonsequenz will ich gar nicht reden. Selbst wenn es gelänge, Ich will nur fragen: wird der Gelehrte, der jetzt krampfhaft, um recht gelehrt Rudolf Rleinxaul Litteratur Der Achtstundentag. Wenn eine praktische Frage durch die Erfahrung Grenzboten I 1898 43
Litteratur immer häufiger pedantisch: ^eiüllous und Lsrdsros, KirKs, Xenwur geschrieben Von der Inkonsequenz will ich gar nicht reden. Selbst wenn es gelänge, Ich will nur fragen: wird der Gelehrte, der jetzt krampfhaft, um recht gelehrt Rudolf Rleinxaul Litteratur Der Achtstundentag. Wenn eine praktische Frage durch die Erfahrung Grenzboten I 1898 43
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Litteratur
immer häufiger pedantisch: ^eiüllous und Lsrdsros, KirKs, Xenwur geschrieben
und damit die Wissenschaft dem Volke abermals entfremdet, die Sprache künstlich
zurückgeschraubt und zunächst für jeden gebildeten Mann ein Stein des Anstoßes
geschaffen.
Von der Inkonsequenz will ich gar nicht reden. Selbst wenn es gelänge,
alle altgriechischen Namen wiederherzustellen: es bleiben immer noch tausend Eigen¬
namen übrig, die auch dem Originale nicht entsprechen, die willkürlich überliefert
worden sind und in der Sprache leben. Warum seht man denn nicht anch Khsayü,rss>
für Xerxes, Darajavusch für Darius oder Dareios, wie deun Nietzsche:
Zarathustra statt Zoroaster schreibt? Wie kann mau es aushalten, Rom zu
sagen und nicht Raum, Theben und nicht I'uebas, Venedig und nicht Vcmstm,
Mailand und nicht UsÄiolÄiium oder wenigstens Nita>no? Warum korrigirt man
nicht schnell in der Geschichte der Mark Brandenburg, wo fahrlässig Albrecht
Achilles steht: Albrecht Achilleus? Von dem Accent, der ebenfalls wieder
griechisch gemacht werden müßte, sodaß es nicht Diogenes, sondern: Diogenes, nicht
Achilleus, sondern: Achilleus lautete, will ich ganz schweigen.
Ich will nur fragen: wird der Gelehrte, der jetzt krampfhaft, um recht gelehrt
zu erscheinen, Kentaur, Kerberos und Kirke drucken läßt, anch in Gesellschaft
und in der Hoffnung, verstanden zu werden, von der Achilleusferse reden und
zu einer Dame sagen: sie sei eine wahre Kirke? — Thut er es nicht, so giebt er
stillschweigend damit zu, daß diese Formen nicht im Volke leben, daß sie nicht
deutsch sind. Der Deutsche sagt eben Achilles, Cerberus und Circe. Der
Deutsche hat diese Begriffe in seiner Sprache, der Gelehrte wagt sie nur nicht zu
gebrauchen, weil er glaubt, daß sie seinem Volke nicht gehörten. Seiner Meinung
nach gehören sie den alten Griechen, und er darf daran nichts ändern. Der be¬
scheidne Mann! Er vergißt den Rat, den Cäsar selbst gab, als er co Nationo
Istinv lo^uencli schrieb: H^dö ssmxsr in inomorig, ataus in xoetors, ut ta.nMa,in
8eopulllw, sie tuAias iiumäituin a,t<zus Insolenz vorbum.
Rudolf Rleinxaul
Litteratur
Der Achtstundentag. Wenn eine praktische Frage durch die Erfahrung
ausgemacht werden kann, so ist nach dem Buche von John Rae: Der Acht¬
stunden-Arbeitstag (autorifirte Übersetzung von Julian Borchcirdt, Weimar,
Emil Felder, 1898) die Frage nach den Wirkungen der Abkürzung der Arbeits¬
zeit in der Industrie ausgemacht. Der Verfasser benutzt nur ausnahmsweise Werke
von frühern Bearbeitern und stützt sich größtenteils auf die Aussagen von Fabri¬
kanten, Fabrikdirektoren und Beamten, die, soweit es sich um englische handelt,
mit deutlicher Nennung der Firmen wörtlich angeführt werden. Im Laufe der
Untersuchung, sagt er im Vorwort, „habe ich es persönlich unmöglich gefunden,
nicht von Tag zu Tag ein entschiednerer Anhänger des Achtstundentages zu werden.
Die kürzere Arbeitszeit hat jedes Volk, das sie einführte, gesünder, reicher und
Grenzboten I 1898 43
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