Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Vorbeigehen zur Scheune hinein. Sie trug die Sackdrilliche im Korb auf dem Mit seinem rechnenden Kopf wäre der Große beinahe an die Schwester ge¬ Da guck her, Großer! Es ist Zeit, daß das Kraut gehänselt wird. Schon Kraut das! Aber in Schlesien hab ich Kraut gesehn, das hatte Köpfe In Schlesien ist halt alles größer wie bei uns, spottete Madlene und schritt Wilts mein'n, Madlene, erwiderte der Große und nahm eine Prise aus der Du scheinst mir heut aufgeräumt, Madlene? Das laß ich mir gefalln. Weil er hinterdrein ging, also die Hintere Seite der Madlene, eigentlich nur Aufgeräumt? Wie dus nehmen willst. Es war aber wirklich so, sonst wäre schon die Freude am Kraut nicht zum Den Aslersberg hinan wollte der Große den Korb tragen. Denn er wußte, Da blieb der Große stehen, holte seine Sandauer hervor und klopfte mit zwei Vorbeigehen zur Scheune hinein. Sie trug die Sackdrilliche im Korb auf dem Mit seinem rechnenden Kopf wäre der Große beinahe an die Schwester ge¬ Da guck her, Großer! Es ist Zeit, daß das Kraut gehänselt wird. Schon Kraut das! Aber in Schlesien hab ich Kraut gesehn, das hatte Köpfe In Schlesien ist halt alles größer wie bei uns, spottete Madlene und schritt Wilts mein'n, Madlene, erwiderte der Große und nahm eine Prise aus der Du scheinst mir heut aufgeräumt, Madlene? Das laß ich mir gefalln. Weil er hinterdrein ging, also die Hintere Seite der Madlene, eigentlich nur Aufgeräumt? Wie dus nehmen willst. Es war aber wirklich so, sonst wäre schon die Freude am Kraut nicht zum Den Aslersberg hinan wollte der Große den Korb tragen. Denn er wußte, Da blieb der Große stehen, holte seine Sandauer hervor und klopfte mit zwei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227236"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1115" prev="#ID_1114"> Vorbeigehen zur Scheune hinein. Sie trug die Sackdrilliche im Korb auf dem<lb/> Rücken. Der Große lies; ihr etliche Schritte Vorsprung und drehte bei jedem Tritt<lb/> des linken Fußes mit der Zwinge seines Stockes ein Loch in den Weg, so statiös<lb/> führte er ihn. Es war auch keine Kleinigkeit, was ihm im Kopf herumging. Was<lb/> da die Madlene im Korb trug, war sein Werk. Das Garn dazu war bezahlt.<lb/> Denn was die Madleue spann, war zu gut zum Sackdrillich; das war feines Garn<lb/> zu Leinwand ins Haus. Das Drillichgaru war bezahlt: vou dem heutigen Drillich¬<lb/> erlös — so rechnete der Große — müssen doch nach Abzug des Marktgeldes zu<lb/> Einkäufe» fürs Haus mindestens noch zehn Thaler übrig bleiben. Von hente<lb/> abend an werden also 260 Thaler im Birro hinter dem Vexirschloß in Sicherheit<lb/> liegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1116"> Mit seinem rechnenden Kopf wäre der Große beinahe an die Schwester ge¬<lb/> rannt, die plötzlich stehen geblieben war. Sie waren noch nicht weit über das letzte<lb/> Haus des Dörfleins hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1117"> Da guck her, Großer! Es ist Zeit, daß das Kraut gehänselt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1118"> Schon Kraut das! Aber in Schlesien hab ich Kraut gesehn, das hatte Köpfe<lb/> wie eine Ofenblase.</p><lb/> <p xml:id="ID_1119"> In Schlesien ist halt alles größer wie bei uns, spottete Madlene und schritt<lb/> wieder rüstig vorwärts.</p><lb/> <p xml:id="ID_1120"> Wilts mein'n, Madlene, erwiderte der Große und nahm eine Prise aus der<lb/> Sandauer. — Denn der Jahrmarkt zählte beim Großen zu den Festtagen. Mithin<lb/> war zum Sichelmarkt die Rindendose mit dem Lederzipfel in den Tischkasten gestellt<lb/> und die Sandauer hervorgeholt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1121"> Du scheinst mir heut aufgeräumt, Madlene? Das laß ich mir gefalln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> Weil er hinterdrein ging, also die Hintere Seite der Madlene, eigentlich nur<lb/> der Tragkorb mit den Sackdrillichen, für ihn in Sicht war, stieg ihm der Mut,<lb/> daß er beim Herzgehege der Schwester in solcher Weise leise anklopfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123"> Aufgeräumt? Wie dus nehmen willst.</p><lb/> <p xml:id="ID_1124"> Es war aber wirklich so, sonst wäre schon die Freude am Kraut nicht zum<lb/> Vorschein gekommen. Es War auch an dem Schritt zu merken, den sie führte, am<lb/> Klang der Stimme, am ganzen Wesen. Es war, als beginne der Strahl vom<lb/> Rollbrett her in der Madlenensecle aufzugehen, als schwinge sie sich wieder auf<lb/> zum himmlischen Heim im Morgenrot des Glücks. Und es war doch nichts ge¬<lb/> schehen, gar nichts, was ihr einen Anstoß zur Erhebung hätte geben können. So<lb/> giebt es Tage im Leben. Man spürt das schlechte Wetter in deu Gliedern, ehe<lb/> es kommt. Das Tier wird uns zum Wetterpropheten. Warum sollte so eine<lb/> natürliche Madlenensecle nicht vorher spüren, was ihr der Sichelmarkt entgegen¬<lb/> trägt? Und wenn es zutrifft, Madlene, so muß dir der Sichelmarkt Freude<lb/> bringen, so mußt du emporgehoben werden aus Zweifel und Qual, hinauf über<lb/> das Morgenrot.</p><lb/> <p xml:id="ID_1125"> Den Aslersberg hinan wollte der Große den Korb tragen. Denn er wußte,<lb/> was seine Sackdrilliche wogen, und gedachte bei der Madlene noch ein wenig mehr<lb/> aufzuräumen. Aber Madlene gab ihm ans seinen Antrag zurück: In Schlesiugc<lb/> trügst du den Korb gewiß nit; daheim sollst du 'u auch nit tragn. Hab schon<lb/> schwerer zu trage» gehabt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1126"> Da blieb der Große stehen, holte seine Sandauer hervor und klopfte mit zwei<lb/> Fingern drauf, als hätte alles seine Richtigkeit, und nahm eine derbe Prise. Mit<lb/> „klipp, klappklapp" konnte er da draußen uuter Gottes freiem Himmel uicht ant¬<lb/> worten; da mußte die Sandauer, vielmehr die Nase herhalten. Er hatte zu thun,<lb/> um die Madlene einzuholen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
Vorbeigehen zur Scheune hinein. Sie trug die Sackdrilliche im Korb auf dem
Rücken. Der Große lies; ihr etliche Schritte Vorsprung und drehte bei jedem Tritt
des linken Fußes mit der Zwinge seines Stockes ein Loch in den Weg, so statiös
führte er ihn. Es war auch keine Kleinigkeit, was ihm im Kopf herumging. Was
da die Madlene im Korb trug, war sein Werk. Das Garn dazu war bezahlt.
Denn was die Madleue spann, war zu gut zum Sackdrillich; das war feines Garn
zu Leinwand ins Haus. Das Drillichgaru war bezahlt: vou dem heutigen Drillich¬
erlös — so rechnete der Große — müssen doch nach Abzug des Marktgeldes zu
Einkäufe» fürs Haus mindestens noch zehn Thaler übrig bleiben. Von hente
abend an werden also 260 Thaler im Birro hinter dem Vexirschloß in Sicherheit
liegen.
Mit seinem rechnenden Kopf wäre der Große beinahe an die Schwester ge¬
rannt, die plötzlich stehen geblieben war. Sie waren noch nicht weit über das letzte
Haus des Dörfleins hinaus.
Da guck her, Großer! Es ist Zeit, daß das Kraut gehänselt wird.
Schon Kraut das! Aber in Schlesien hab ich Kraut gesehn, das hatte Köpfe
wie eine Ofenblase.
In Schlesien ist halt alles größer wie bei uns, spottete Madlene und schritt
wieder rüstig vorwärts.
Wilts mein'n, Madlene, erwiderte der Große und nahm eine Prise aus der
Sandauer. — Denn der Jahrmarkt zählte beim Großen zu den Festtagen. Mithin
war zum Sichelmarkt die Rindendose mit dem Lederzipfel in den Tischkasten gestellt
und die Sandauer hervorgeholt worden.
Du scheinst mir heut aufgeräumt, Madlene? Das laß ich mir gefalln.
Weil er hinterdrein ging, also die Hintere Seite der Madlene, eigentlich nur
der Tragkorb mit den Sackdrillichen, für ihn in Sicht war, stieg ihm der Mut,
daß er beim Herzgehege der Schwester in solcher Weise leise anklopfte.
Aufgeräumt? Wie dus nehmen willst.
Es war aber wirklich so, sonst wäre schon die Freude am Kraut nicht zum
Vorschein gekommen. Es War auch an dem Schritt zu merken, den sie führte, am
Klang der Stimme, am ganzen Wesen. Es war, als beginne der Strahl vom
Rollbrett her in der Madlenensecle aufzugehen, als schwinge sie sich wieder auf
zum himmlischen Heim im Morgenrot des Glücks. Und es war doch nichts ge¬
schehen, gar nichts, was ihr einen Anstoß zur Erhebung hätte geben können. So
giebt es Tage im Leben. Man spürt das schlechte Wetter in deu Gliedern, ehe
es kommt. Das Tier wird uns zum Wetterpropheten. Warum sollte so eine
natürliche Madlenensecle nicht vorher spüren, was ihr der Sichelmarkt entgegen¬
trägt? Und wenn es zutrifft, Madlene, so muß dir der Sichelmarkt Freude
bringen, so mußt du emporgehoben werden aus Zweifel und Qual, hinauf über
das Morgenrot.
Den Aslersberg hinan wollte der Große den Korb tragen. Denn er wußte,
was seine Sackdrilliche wogen, und gedachte bei der Madlene noch ein wenig mehr
aufzuräumen. Aber Madlene gab ihm ans seinen Antrag zurück: In Schlesiugc
trügst du den Korb gewiß nit; daheim sollst du 'u auch nit tragn. Hab schon
schwerer zu trage» gehabt.
Da blieb der Große stehen, holte seine Sandauer hervor und klopfte mit zwei
Fingern drauf, als hätte alles seine Richtigkeit, und nahm eine derbe Prise. Mit
„klipp, klappklapp" konnte er da draußen uuter Gottes freiem Himmel uicht ant¬
worten; da mußte die Sandauer, vielmehr die Nase herhalten. Er hatte zu thun,
um die Madlene einzuholen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |