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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform des Postpaketportos

Da müßt ich ja ein Esel sein,
Ein Kerl als wie ein Rinde!

Wird wohl in diesem Falle auch der Landwirt, mit dem Fürsten Bismarck,
für sich denken: "wenn ich nicht die Versendung per Post den teuern andern
Versendungsweisen vorzöge, die außerdem zum Teil viel langsamer sind und
keine Bestellung ins Haus einschließen."

Auf kürzere Strecken, wo sie bequemer und billiger sind, da wird man
sie allerdings wählen; sonst aber nicht. Also der Pakettarif ist durchaus nicht
zu billig, sondern die Eisenbahntarife sind auf weite Entfernungen unverständig
und sinnlos teuer. Nur deshalb wendet sich alles der Post zu. Wir aber
werden uns hüten, dem Landwirt im obigem Falle "Mißbrauch" vorzuwerfen.
Das wäre zum mindesten nicht lÄr, denn er handelt doch vollständig gesetzlich.
Ein Kaufmann thut im gleichen Falle aber nur dasselbe. Sinnlos ist es nur,
der Post durch die Zerlegung in viele Einzelpakete, die als solche im Tarif
bevorzugt werden, mehr Mühe zu machen. Eine fähige, kluge Verkehrsanstalt
muß aber jedem Verkehr gewachsen sein und darf ihn sich nicht dnrch so terre
Verscheuchungstarife vom Leibe halten, wie es bei den schwerern Postpaketen in
ganz unverhältnismäßigen Grade geschieht. Gäbe es in Deutschland einen
billigen Expreß- und Eilguttarif, so würden der Post die schwerern Packereien
oder die vielen 5-Kilogrammpakete seltner zugewiesen werden. Da es diesen
Tarif aber nicht giebt, so ist man eben auf die Post angewiesen, besonders im
Fernverkehr. Andre Länder sind darin glücklicher. In Dänemark z. B. können
auch andre Dinge als Reisegepäck zum Gepäckttarif aufgegeben werden, der
sür 50 Kilogramm auf 500 Kilometer Entfernung nur 3 Kronen (3 Mark
27 l/z Pfennige) berechnet (Preußen dagegen 12 Mark 50 Pfennige).

Bei Licht betrachtet ist es doch der Gipfel aller Widersinnigkeit, wenn
die Eisenbahnen für Expreß- und Eilgut viel teurere Frachtgebühreu erhebeu
als die Post, die ihre Wagen von den Lokomotiven derselben Eisenbahnzüge
mitziehen läßt und außerdem, trotz größerer Billigkeit, noch die Bestellung ins
Haus übernimmt. Das erscheint umso bedenklicher, als gerade die Personen¬
züge im Durchschnitt ohnehin schon zu 75 Prozent leer fahren und ihre Gepäck¬
wagen sogar zu 97,5 Prozent unausgenutzt bleiben. Wie unendlich viel Platz
für Pakete und Eilgutsendungen in tragbaren Stücken ist also in jedem Zuge
noch vorhanden! Wie leicht lassen sich noch zahlreiche Abteilungen für Pakete
und Gepäck in ihm einrichten! Wie verschwenderisch und unwirtschaftlich ist es
doch, einen Zug, bei dem die bewegte tote Wagenlast immer etwa das fünfund-
dreißigfache Gewicht der mitgeführten Menschen und Gepäckstücke betrügt, auch
in dieser Hinsicht so unausgenutzt zu lassen! Volke Ausnutzung ist ja nie zu
erzielen; aber die Güterwagen werden doch durchschnittlich mit 43 Prozent netto
ausgenutzt. Natürlich spielt der billigere Tarif hier eine große Rolle.

Das 5-Kilvportv der Post ist gegenüber den Eisenbahntarifen für Expreß-


Grenzbotcn I 1898 ^
Zur Reform des Postpaketportos

Da müßt ich ja ein Esel sein,
Ein Kerl als wie ein Rinde!

Wird wohl in diesem Falle auch der Landwirt, mit dem Fürsten Bismarck,
für sich denken: „wenn ich nicht die Versendung per Post den teuern andern
Versendungsweisen vorzöge, die außerdem zum Teil viel langsamer sind und
keine Bestellung ins Haus einschließen."

Auf kürzere Strecken, wo sie bequemer und billiger sind, da wird man
sie allerdings wählen; sonst aber nicht. Also der Pakettarif ist durchaus nicht
zu billig, sondern die Eisenbahntarife sind auf weite Entfernungen unverständig
und sinnlos teuer. Nur deshalb wendet sich alles der Post zu. Wir aber
werden uns hüten, dem Landwirt im obigem Falle „Mißbrauch" vorzuwerfen.
Das wäre zum mindesten nicht lÄr, denn er handelt doch vollständig gesetzlich.
Ein Kaufmann thut im gleichen Falle aber nur dasselbe. Sinnlos ist es nur,
der Post durch die Zerlegung in viele Einzelpakete, die als solche im Tarif
bevorzugt werden, mehr Mühe zu machen. Eine fähige, kluge Verkehrsanstalt
muß aber jedem Verkehr gewachsen sein und darf ihn sich nicht dnrch so terre
Verscheuchungstarife vom Leibe halten, wie es bei den schwerern Postpaketen in
ganz unverhältnismäßigen Grade geschieht. Gäbe es in Deutschland einen
billigen Expreß- und Eilguttarif, so würden der Post die schwerern Packereien
oder die vielen 5-Kilogrammpakete seltner zugewiesen werden. Da es diesen
Tarif aber nicht giebt, so ist man eben auf die Post angewiesen, besonders im
Fernverkehr. Andre Länder sind darin glücklicher. In Dänemark z. B. können
auch andre Dinge als Reisegepäck zum Gepäckttarif aufgegeben werden, der
sür 50 Kilogramm auf 500 Kilometer Entfernung nur 3 Kronen (3 Mark
27 l/z Pfennige) berechnet (Preußen dagegen 12 Mark 50 Pfennige).

Bei Licht betrachtet ist es doch der Gipfel aller Widersinnigkeit, wenn
die Eisenbahnen für Expreß- und Eilgut viel teurere Frachtgebühreu erhebeu
als die Post, die ihre Wagen von den Lokomotiven derselben Eisenbahnzüge
mitziehen läßt und außerdem, trotz größerer Billigkeit, noch die Bestellung ins
Haus übernimmt. Das erscheint umso bedenklicher, als gerade die Personen¬
züge im Durchschnitt ohnehin schon zu 75 Prozent leer fahren und ihre Gepäck¬
wagen sogar zu 97,5 Prozent unausgenutzt bleiben. Wie unendlich viel Platz
für Pakete und Eilgutsendungen in tragbaren Stücken ist also in jedem Zuge
noch vorhanden! Wie leicht lassen sich noch zahlreiche Abteilungen für Pakete
und Gepäck in ihm einrichten! Wie verschwenderisch und unwirtschaftlich ist es
doch, einen Zug, bei dem die bewegte tote Wagenlast immer etwa das fünfund-
dreißigfache Gewicht der mitgeführten Menschen und Gepäckstücke betrügt, auch
in dieser Hinsicht so unausgenutzt zu lassen! Volke Ausnutzung ist ja nie zu
erzielen; aber die Güterwagen werden doch durchschnittlich mit 43 Prozent netto
ausgenutzt. Natürlich spielt der billigere Tarif hier eine große Rolle.

Das 5-Kilvportv der Post ist gegenüber den Eisenbahntarifen für Expreß-


Grenzbotcn I 1898 ^
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[0261] Zur Reform des Postpaketportos Da müßt ich ja ein Esel sein, Ein Kerl als wie ein Rinde! Wird wohl in diesem Falle auch der Landwirt, mit dem Fürsten Bismarck, für sich denken: „wenn ich nicht die Versendung per Post den teuern andern Versendungsweisen vorzöge, die außerdem zum Teil viel langsamer sind und keine Bestellung ins Haus einschließen." Auf kürzere Strecken, wo sie bequemer und billiger sind, da wird man sie allerdings wählen; sonst aber nicht. Also der Pakettarif ist durchaus nicht zu billig, sondern die Eisenbahntarife sind auf weite Entfernungen unverständig und sinnlos teuer. Nur deshalb wendet sich alles der Post zu. Wir aber werden uns hüten, dem Landwirt im obigem Falle „Mißbrauch" vorzuwerfen. Das wäre zum mindesten nicht lÄr, denn er handelt doch vollständig gesetzlich. Ein Kaufmann thut im gleichen Falle aber nur dasselbe. Sinnlos ist es nur, der Post durch die Zerlegung in viele Einzelpakete, die als solche im Tarif bevorzugt werden, mehr Mühe zu machen. Eine fähige, kluge Verkehrsanstalt muß aber jedem Verkehr gewachsen sein und darf ihn sich nicht dnrch so terre Verscheuchungstarife vom Leibe halten, wie es bei den schwerern Postpaketen in ganz unverhältnismäßigen Grade geschieht. Gäbe es in Deutschland einen billigen Expreß- und Eilguttarif, so würden der Post die schwerern Packereien oder die vielen 5-Kilogrammpakete seltner zugewiesen werden. Da es diesen Tarif aber nicht giebt, so ist man eben auf die Post angewiesen, besonders im Fernverkehr. Andre Länder sind darin glücklicher. In Dänemark z. B. können auch andre Dinge als Reisegepäck zum Gepäckttarif aufgegeben werden, der sür 50 Kilogramm auf 500 Kilometer Entfernung nur 3 Kronen (3 Mark 27 l/z Pfennige) berechnet (Preußen dagegen 12 Mark 50 Pfennige). Bei Licht betrachtet ist es doch der Gipfel aller Widersinnigkeit, wenn die Eisenbahnen für Expreß- und Eilgut viel teurere Frachtgebühreu erhebeu als die Post, die ihre Wagen von den Lokomotiven derselben Eisenbahnzüge mitziehen läßt und außerdem, trotz größerer Billigkeit, noch die Bestellung ins Haus übernimmt. Das erscheint umso bedenklicher, als gerade die Personen¬ züge im Durchschnitt ohnehin schon zu 75 Prozent leer fahren und ihre Gepäck¬ wagen sogar zu 97,5 Prozent unausgenutzt bleiben. Wie unendlich viel Platz für Pakete und Eilgutsendungen in tragbaren Stücken ist also in jedem Zuge noch vorhanden! Wie leicht lassen sich noch zahlreiche Abteilungen für Pakete und Gepäck in ihm einrichten! Wie verschwenderisch und unwirtschaftlich ist es doch, einen Zug, bei dem die bewegte tote Wagenlast immer etwa das fünfund- dreißigfache Gewicht der mitgeführten Menschen und Gepäckstücke betrügt, auch in dieser Hinsicht so unausgenutzt zu lassen! Volke Ausnutzung ist ja nie zu erzielen; aber die Güterwagen werden doch durchschnittlich mit 43 Prozent netto ausgenutzt. Natürlich spielt der billigere Tarif hier eine große Rolle. Das 5-Kilvportv der Post ist gegenüber den Eisenbahntarifen für Expreß- Grenzbotcn I 1898 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/261>, abgerufen am 08.01.2025.