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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform des Postpaketportos

und Eilgut auf weitere Entfernungen eine wahre Wohlthat, nicht nur für den
Produzenten, sondern auch für den Konsumenten, ganz besonders aber auch
für die Landbewohner. In kleinen Städten und in Dörfern kann der Kauf¬
mann nicht alles auf Lager halten, was zu den Bedürfnissen des Menschen
gehört. Er muß sich auf das beschränken, was häufiger verlangt wird; und
die durchschnittlich von den Kunden gewünschte Qualität ist für ihn maßgebend.
Der Konsument, der Zeitungen liest, weiß aber, daß es anderweit noch viele
andre Dinge giebt, die er brauchen könnte; und deren schnelle Beschaffung
wird ihm durch das billige Paketporto ermöglicht, sei es nun direkt vom Gro߬
händler, vom Fabrikanten oder durch Zwischenhändler. Ein Gutsbesitzer wird
seinen Gesellschaftsanzug, seinen Hut, seine Stiefel und Kravatten, die Toilette
und den Schmuck seiner Frau und Tochter, Tanzschuhe und Galoschen, Hand¬
schuhe und feine Seifen, feines Schreibpapier und guten Tabak sicherlich nicht
gern beim Dorfschneider oder Dorfkaufmann bestellen oder einkaufen, da er bei
diesen schwerlich Waren von einer auch nur leidlichen Qualität, erhalten würde.
Eine jedesmalige Reise nach der nächsten größern Stadt oder nach der Haupt¬
stadt wäre bei den jetzigen Fahrpreisen aber eine unverhältnismäßige Ver¬
teuerung dieser Gebrauchsgegenstände. Was ist da natürlicher, als daß er
sie sich brieflich -- mit Angabe der Maße und Qualitäten -- bei den ihm
wohlbekannten Handwerkern oder Kaufleuten in der Stadt bestellt, wo er
sie am besten zu finden glaubt? Das bald darauf eintreffende Postpaket ist
ihm also eine wirkliche Wohlthat. Dasselbe wird aber auch beim einfachen
Bauern oder Dorfhandwerker der Fall sein, denn die außerordentlichen Be¬
dürfnisse, die sich nur aus der Ferne gut befriedigen lassen, sind zahlreich:
mögen es nun kleine Geschenke aller Art, Galanteriewaren, Genußmittel, Werk¬
zeuge oder sonst was sein.

Neunundneunzig Prozent der Bevölkerung werden immer an einem mög¬
lichst billigen Porto interessirt sein. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß
ein reicher Konkurrent in der Ferne durch Verteuerung des Portos wesentlich
beeinträchtigt würde. Wohl aber litte unter ihr auch der kleine Kaufmann
mit. Nur wenige reiche Leute und Großindustrielle, deren Fabrikate sich
nicht zur Versendung in Form von Postpaketen eignen, dürften dem Paketporto
gleichgiltig gegenüber stehen oder gar seine Erhöhung wünschen, für die heute
jedoch schwerlich eine parlamentarische Mehrheit zu finden wäre.

Erfreulicherweise sieht man das neuerdings eines in den leitenden konser¬
vativen Kreisen ein und giebt dort die Volkstümlichkeit des Paketportos zu.
Mit Unrecht aber wendet man sich gegen eine Beseitigung seiner Mängel und
Widersprüche. Es ist doch eine ganz unbegründete Furcht, wenn man glaubt,
weitere Paketportoverbilligungen müßten notwendig immer große und dauernde
Einnahmeausfälle schaffen.

Mit dem 5-Kiloporto, wiederholen wir, ist man gewiß zufrieden. Aber
für erheblich leichtere Sendungen von ^/z oder 1 Kilogramm, deren Wert das


Zur Reform des Postpaketportos

und Eilgut auf weitere Entfernungen eine wahre Wohlthat, nicht nur für den
Produzenten, sondern auch für den Konsumenten, ganz besonders aber auch
für die Landbewohner. In kleinen Städten und in Dörfern kann der Kauf¬
mann nicht alles auf Lager halten, was zu den Bedürfnissen des Menschen
gehört. Er muß sich auf das beschränken, was häufiger verlangt wird; und
die durchschnittlich von den Kunden gewünschte Qualität ist für ihn maßgebend.
Der Konsument, der Zeitungen liest, weiß aber, daß es anderweit noch viele
andre Dinge giebt, die er brauchen könnte; und deren schnelle Beschaffung
wird ihm durch das billige Paketporto ermöglicht, sei es nun direkt vom Gro߬
händler, vom Fabrikanten oder durch Zwischenhändler. Ein Gutsbesitzer wird
seinen Gesellschaftsanzug, seinen Hut, seine Stiefel und Kravatten, die Toilette
und den Schmuck seiner Frau und Tochter, Tanzschuhe und Galoschen, Hand¬
schuhe und feine Seifen, feines Schreibpapier und guten Tabak sicherlich nicht
gern beim Dorfschneider oder Dorfkaufmann bestellen oder einkaufen, da er bei
diesen schwerlich Waren von einer auch nur leidlichen Qualität, erhalten würde.
Eine jedesmalige Reise nach der nächsten größern Stadt oder nach der Haupt¬
stadt wäre bei den jetzigen Fahrpreisen aber eine unverhältnismäßige Ver¬
teuerung dieser Gebrauchsgegenstände. Was ist da natürlicher, als daß er
sie sich brieflich — mit Angabe der Maße und Qualitäten — bei den ihm
wohlbekannten Handwerkern oder Kaufleuten in der Stadt bestellt, wo er
sie am besten zu finden glaubt? Das bald darauf eintreffende Postpaket ist
ihm also eine wirkliche Wohlthat. Dasselbe wird aber auch beim einfachen
Bauern oder Dorfhandwerker der Fall sein, denn die außerordentlichen Be¬
dürfnisse, die sich nur aus der Ferne gut befriedigen lassen, sind zahlreich:
mögen es nun kleine Geschenke aller Art, Galanteriewaren, Genußmittel, Werk¬
zeuge oder sonst was sein.

Neunundneunzig Prozent der Bevölkerung werden immer an einem mög¬
lichst billigen Porto interessirt sein. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß
ein reicher Konkurrent in der Ferne durch Verteuerung des Portos wesentlich
beeinträchtigt würde. Wohl aber litte unter ihr auch der kleine Kaufmann
mit. Nur wenige reiche Leute und Großindustrielle, deren Fabrikate sich
nicht zur Versendung in Form von Postpaketen eignen, dürften dem Paketporto
gleichgiltig gegenüber stehen oder gar seine Erhöhung wünschen, für die heute
jedoch schwerlich eine parlamentarische Mehrheit zu finden wäre.

Erfreulicherweise sieht man das neuerdings eines in den leitenden konser¬
vativen Kreisen ein und giebt dort die Volkstümlichkeit des Paketportos zu.
Mit Unrecht aber wendet man sich gegen eine Beseitigung seiner Mängel und
Widersprüche. Es ist doch eine ganz unbegründete Furcht, wenn man glaubt,
weitere Paketportoverbilligungen müßten notwendig immer große und dauernde
Einnahmeausfälle schaffen.

Mit dem 5-Kiloporto, wiederholen wir, ist man gewiß zufrieden. Aber
für erheblich leichtere Sendungen von ^/z oder 1 Kilogramm, deren Wert das


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[0262] Zur Reform des Postpaketportos und Eilgut auf weitere Entfernungen eine wahre Wohlthat, nicht nur für den Produzenten, sondern auch für den Konsumenten, ganz besonders aber auch für die Landbewohner. In kleinen Städten und in Dörfern kann der Kauf¬ mann nicht alles auf Lager halten, was zu den Bedürfnissen des Menschen gehört. Er muß sich auf das beschränken, was häufiger verlangt wird; und die durchschnittlich von den Kunden gewünschte Qualität ist für ihn maßgebend. Der Konsument, der Zeitungen liest, weiß aber, daß es anderweit noch viele andre Dinge giebt, die er brauchen könnte; und deren schnelle Beschaffung wird ihm durch das billige Paketporto ermöglicht, sei es nun direkt vom Gro߬ händler, vom Fabrikanten oder durch Zwischenhändler. Ein Gutsbesitzer wird seinen Gesellschaftsanzug, seinen Hut, seine Stiefel und Kravatten, die Toilette und den Schmuck seiner Frau und Tochter, Tanzschuhe und Galoschen, Hand¬ schuhe und feine Seifen, feines Schreibpapier und guten Tabak sicherlich nicht gern beim Dorfschneider oder Dorfkaufmann bestellen oder einkaufen, da er bei diesen schwerlich Waren von einer auch nur leidlichen Qualität, erhalten würde. Eine jedesmalige Reise nach der nächsten größern Stadt oder nach der Haupt¬ stadt wäre bei den jetzigen Fahrpreisen aber eine unverhältnismäßige Ver¬ teuerung dieser Gebrauchsgegenstände. Was ist da natürlicher, als daß er sie sich brieflich — mit Angabe der Maße und Qualitäten — bei den ihm wohlbekannten Handwerkern oder Kaufleuten in der Stadt bestellt, wo er sie am besten zu finden glaubt? Das bald darauf eintreffende Postpaket ist ihm also eine wirkliche Wohlthat. Dasselbe wird aber auch beim einfachen Bauern oder Dorfhandwerker der Fall sein, denn die außerordentlichen Be¬ dürfnisse, die sich nur aus der Ferne gut befriedigen lassen, sind zahlreich: mögen es nun kleine Geschenke aller Art, Galanteriewaren, Genußmittel, Werk¬ zeuge oder sonst was sein. Neunundneunzig Prozent der Bevölkerung werden immer an einem mög¬ lichst billigen Porto interessirt sein. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß ein reicher Konkurrent in der Ferne durch Verteuerung des Portos wesentlich beeinträchtigt würde. Wohl aber litte unter ihr auch der kleine Kaufmann mit. Nur wenige reiche Leute und Großindustrielle, deren Fabrikate sich nicht zur Versendung in Form von Postpaketen eignen, dürften dem Paketporto gleichgiltig gegenüber stehen oder gar seine Erhöhung wünschen, für die heute jedoch schwerlich eine parlamentarische Mehrheit zu finden wäre. Erfreulicherweise sieht man das neuerdings eines in den leitenden konser¬ vativen Kreisen ein und giebt dort die Volkstümlichkeit des Paketportos zu. Mit Unrecht aber wendet man sich gegen eine Beseitigung seiner Mängel und Widersprüche. Es ist doch eine ganz unbegründete Furcht, wenn man glaubt, weitere Paketportoverbilligungen müßten notwendig immer große und dauernde Einnahmeausfälle schaffen. Mit dem 5-Kiloporto, wiederholen wir, ist man gewiß zufrieden. Aber für erheblich leichtere Sendungen von ^/z oder 1 Kilogramm, deren Wert das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/262>, abgerufen am 09.01.2025.