Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Huxley gegen Rousseau und Henry George zuwerfen. Ob er aber nicht wenigstens an den Staat, der ihn zum Eintritt Ganz besonders glaubt sich Huxley über Georges Behauptung lustig Grenzboten I 1M8 3
Huxley gegen Rousseau und Henry George zuwerfen. Ob er aber nicht wenigstens an den Staat, der ihn zum Eintritt Ganz besonders glaubt sich Huxley über Georges Behauptung lustig Grenzboten I 1M8 3
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226927"/> <fw type="header" place="top"> Huxley gegen Rousseau und Henry George</fw><lb/> <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> zuwerfen. Ob er aber nicht wenigstens an den Staat, der ihn zum Eintritt<lb/> gezwungen hat, Ansprüche hat, das mögen die Juristen entscheiden. Von<lb/> einem Wurf Hunde pflegt der Besitzer nur einen aufzuziehen, die übrigen, falls<lb/> sich kein Käufer dafür findet, zu ersäufen. Wenn nun ein Mann statt dessen<lb/> die Hündchen von ihrer Mutter großsäugen und dann verhungern ließe, so<lb/> hätte er freilich kein Huuderecht verletzt — Hunde haben ganz gewiß keine<lb/> Rechte —>, aber jedermann würde den Menschen einen unanständigen Kerl<lb/> nennen; es giebt eben auch Pflichten, denen keine Rechte gegenüberstehen.<lb/> Henry George sah, daß es in seinem Vaterlande Land im Überfluß gebe, und<lb/> dabei ein paar Millionen Menschen, die bei schlecht bezahlter Arbeit oder ohne<lb/> alle Arbeit die bitterste Not litten, er überlegte, daß es nicht lauter Dumm¬<lb/> heit und Faulheit sein könne, was diese Not erzeugte, denn er wußte, daß,<lb/> so lange Land frei gewesen war, fast alle Einwandrer sich dem Landbau ge¬<lb/> widmet und dabei ihr gutes Auskommen gefunden hatten, er schrieb daher die<lb/> Not dem Umstände zu, daß der Staat durch große Landverscheukuugen und<lb/> durch große Landverküufe an Kapitalisten den freien Boden verschleudert habe,<lb/> und dagegen wandte er sich mit seinen Ncformideen, Er mag diesen Ideen<lb/> eine sehr ungeschickte Begründung und einen sehr unvollkommnen Ausdruck ge¬<lb/> geben haben, und das Radikalmittel der Linglg ox, das er vorschlägt, ver¬<lb/> werfen wir ausdrücklich, aber die Berechtigung seiner Ideen haben seitdem<lb/> die Regierungen mehr als eines Staates durch Heimstnttengesetze, innere und<lb/> äußere Kolonisation und Einwandrerverbote anerkannt; die Regierungen sind<lb/> sich offenbar ihrer Verpflichtung bewußt, für die noch Ungebornen entweder<lb/> Land oder als Ersatz dafür Arbeitsgelegenheit bereit zu halten, und Henry<lb/> George, deu Huxley als einen Wirrkopf hinstellt, hat nicht vergebens gelebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_42" next="#ID_43"> Ganz besonders glaubt sich Huxley über Georges Behauptung lustig<lb/> machen zu dürfen, daß alles Kapital durch Arbeit geschaffen werde, daß der<lb/> Arbeitslohn ans der Arbeit und nicht aus dem Kapital fließe, daß die Arbeit<lb/> allein den Waren Wert verleihe, und daß sie allein wirkliches Eigentumsrecht<lb/> begründe: alles Wahrheiten, die die Welt schon Jahrtausende vor George ge¬<lb/> wußt hat. Huxley aber schreibt dagegen seinen Essay: Kapital die Mutter<lb/> der Arbeit. Er beginnt mit dem ersten Atemzuge des Kindes, von dem er<lb/> nachweist, daß er eine Arbeitsleistung sei, die nur durch das von der Mutter<lb/> angesammelte Lebenskapital ermöglicht werde. Huxley, oder, da er nicht mehr<lb/> ^de, sein deutscher Herausgeber, soll doch einmal deutsche Arbeiter examiniren,<lb/> die den Vorwärts regelmäßig lesen: die werden ihm alle sagen können,<lb/> daß alles organische Leben auf Erden den durch die Sonnenwärme in Be¬<lb/> rgung gesetzten Stoffen, namentlich Kohlenstoff. Sauerstoff, Wasserstoff und<lb/> Stickstoff verdankt werde, und kein einziger wird leugnen, daß es ohne dieses<lb/> Natnrkapital weder einen Menschen noch eine menschliche Arbeitsleistung geben<lb/> ^une; ja da die Leutchen meistens Gläubige des naturalistischen Evangeliums</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1M8 3</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
Huxley gegen Rousseau und Henry George
zuwerfen. Ob er aber nicht wenigstens an den Staat, der ihn zum Eintritt
gezwungen hat, Ansprüche hat, das mögen die Juristen entscheiden. Von
einem Wurf Hunde pflegt der Besitzer nur einen aufzuziehen, die übrigen, falls
sich kein Käufer dafür findet, zu ersäufen. Wenn nun ein Mann statt dessen
die Hündchen von ihrer Mutter großsäugen und dann verhungern ließe, so
hätte er freilich kein Huuderecht verletzt — Hunde haben ganz gewiß keine
Rechte —>, aber jedermann würde den Menschen einen unanständigen Kerl
nennen; es giebt eben auch Pflichten, denen keine Rechte gegenüberstehen.
Henry George sah, daß es in seinem Vaterlande Land im Überfluß gebe, und
dabei ein paar Millionen Menschen, die bei schlecht bezahlter Arbeit oder ohne
alle Arbeit die bitterste Not litten, er überlegte, daß es nicht lauter Dumm¬
heit und Faulheit sein könne, was diese Not erzeugte, denn er wußte, daß,
so lange Land frei gewesen war, fast alle Einwandrer sich dem Landbau ge¬
widmet und dabei ihr gutes Auskommen gefunden hatten, er schrieb daher die
Not dem Umstände zu, daß der Staat durch große Landverscheukuugen und
durch große Landverküufe an Kapitalisten den freien Boden verschleudert habe,
und dagegen wandte er sich mit seinen Ncformideen, Er mag diesen Ideen
eine sehr ungeschickte Begründung und einen sehr unvollkommnen Ausdruck ge¬
geben haben, und das Radikalmittel der Linglg ox, das er vorschlägt, ver¬
werfen wir ausdrücklich, aber die Berechtigung seiner Ideen haben seitdem
die Regierungen mehr als eines Staates durch Heimstnttengesetze, innere und
äußere Kolonisation und Einwandrerverbote anerkannt; die Regierungen sind
sich offenbar ihrer Verpflichtung bewußt, für die noch Ungebornen entweder
Land oder als Ersatz dafür Arbeitsgelegenheit bereit zu halten, und Henry
George, deu Huxley als einen Wirrkopf hinstellt, hat nicht vergebens gelebt.
Ganz besonders glaubt sich Huxley über Georges Behauptung lustig
machen zu dürfen, daß alles Kapital durch Arbeit geschaffen werde, daß der
Arbeitslohn ans der Arbeit und nicht aus dem Kapital fließe, daß die Arbeit
allein den Waren Wert verleihe, und daß sie allein wirkliches Eigentumsrecht
begründe: alles Wahrheiten, die die Welt schon Jahrtausende vor George ge¬
wußt hat. Huxley aber schreibt dagegen seinen Essay: Kapital die Mutter
der Arbeit. Er beginnt mit dem ersten Atemzuge des Kindes, von dem er
nachweist, daß er eine Arbeitsleistung sei, die nur durch das von der Mutter
angesammelte Lebenskapital ermöglicht werde. Huxley, oder, da er nicht mehr
^de, sein deutscher Herausgeber, soll doch einmal deutsche Arbeiter examiniren,
die den Vorwärts regelmäßig lesen: die werden ihm alle sagen können,
daß alles organische Leben auf Erden den durch die Sonnenwärme in Be¬
rgung gesetzten Stoffen, namentlich Kohlenstoff. Sauerstoff, Wasserstoff und
Stickstoff verdankt werde, und kein einziger wird leugnen, daß es ohne dieses
Natnrkapital weder einen Menschen noch eine menschliche Arbeitsleistung geben
^une; ja da die Leutchen meistens Gläubige des naturalistischen Evangeliums
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