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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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bis 1895 um 3,2 vermindert gegen 1,0 im ganzen Reiche; sie ist aber trotz
dieser Verminderung immer noch um 3,5 größer als im Reiche. In der
deutschen Landwirtschaft ist die Zahl der weiblichen Dienstboten, auf 100 Er¬
werbsthätige beider Geschlechter berechnet, um 0,6 kleiner geworden, in der
Industrie um 0,8, im Handel und Verkehr dagegen um 6,3. Auf 100 im
öffentlichen Dienst und in den freien Berufsarten stehende Erwerbsthätige
beider Geschlechter kamen 1895 2,3 weibliche Dienstboten weniger als 1882,
und auf 100 Rentner 3,2 weniger. Die Personen aus der Klasse der häuslichen
Dienstleistungen usw. und die sonstigen Berufslosen fallen nicht ins Gewicht.

Wir finden in diesen Zahlen zugleich die sehr wichtige Frage uach den
hauptsächlich an dem Halten von weiblichen Dienstboten beteiligten Berufen oder
Ständen beantwortet. Die Landwirtschaft beschäftigt trotz des verhältnismäßig
starken Rückgangs ihres Anteils immer noch mehr häusliche Dienstboten als
irgend eine andre Berufsabteilnng. Es ist dabei wohl zu beachten, daß das
hauptsächlich im landwirtschaftlichen Betriebe thätige Gesinde nicht zu den häus¬
lichen Dienstboten, sondern zu den Erwerbstätigen gerechnet ist, daß aber
bei der Unsicherheit der Grenzlinie die Zahlen mit Vorsicht aufzunehmen sind.
Auch für die Industrie ist das zweifellos anzunehmen, da hier gleichfalls die
im Gewerbebetrieb des Haushaltsvorstauds hauptsächlich beschäftigten Dienst¬
boten (im weiteren Sinne) von der Statistik als Erwerbsthätige und nicht als
häusliche Dienstboten behandelt werden, obgleich sie im Haushalt des Betriebs-
iuhabers leben. Auffallend ist der Rückgang der von den Erwerbsthätigen
im Handel und Verkehr gehaltenen häuslichen Dienstboten, da hier die Zahl
der Erwerbsthätigen besonders stark zugenommen hat. Zum Teil mag auch
hier die Zählweise die Verschiebung größer machen, als sie ist, hauptsächlich
ist die Erklärung aber wohl darin zu suchen, daß der starke Zuwachs der Er-
werbsthätigm vorwiegend aus abhängigen Personen der besonders stark ver¬
mehrten Großbetriebe besteht. Der Anteil der im öffentlichen Dienst und in den
freien Bernfscirten stehenden Erwerbsthätigcn und der Rentner an der Gesamtzahl
der Dienstboten ist etwas großer geworden. Die beiden andern Berufsklassen
(häuslicher Dienst usw. und Berufslose) haben kein Interesse; die veränderten
Zahlen haben hier nur ans dem Papier Bedeutung oder sind ganz zufällig.

Es bleibt nun noch übrig, einige Mitteilungen über den Familienstand
und das Alter der weiblichen Dienstboten zu machen. Von allen 1313957
weiblichen Dienstboten waren 1895 nur rund 11000 verheiratet, also Aus¬
nahmen, die nichts für das Ganze bedeuten. Unsre weiblichen Dienstboten sind
unverheiratet, der Dienstbotenberuf ist die Domäne der ledigen Frauenzimmer,
viel mehr, als die Erwerbsthätigkeit außer der Haushaltsführung, in der 1895
von 5264393 weiblichen Personen im ganzen immerhin 1046381 verheiratet
waren. Von allen 1895 vorhandnen rund 15368000 unverheirateten weib¬
lichen Personen lebten


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bis 1895 um 3,2 vermindert gegen 1,0 im ganzen Reiche; sie ist aber trotz
dieser Verminderung immer noch um 3,5 größer als im Reiche. In der
deutschen Landwirtschaft ist die Zahl der weiblichen Dienstboten, auf 100 Er¬
werbsthätige beider Geschlechter berechnet, um 0,6 kleiner geworden, in der
Industrie um 0,8, im Handel und Verkehr dagegen um 6,3. Auf 100 im
öffentlichen Dienst und in den freien Berufsarten stehende Erwerbsthätige
beider Geschlechter kamen 1895 2,3 weibliche Dienstboten weniger als 1882,
und auf 100 Rentner 3,2 weniger. Die Personen aus der Klasse der häuslichen
Dienstleistungen usw. und die sonstigen Berufslosen fallen nicht ins Gewicht.

Wir finden in diesen Zahlen zugleich die sehr wichtige Frage uach den
hauptsächlich an dem Halten von weiblichen Dienstboten beteiligten Berufen oder
Ständen beantwortet. Die Landwirtschaft beschäftigt trotz des verhältnismäßig
starken Rückgangs ihres Anteils immer noch mehr häusliche Dienstboten als
irgend eine andre Berufsabteilnng. Es ist dabei wohl zu beachten, daß das
hauptsächlich im landwirtschaftlichen Betriebe thätige Gesinde nicht zu den häus¬
lichen Dienstboten, sondern zu den Erwerbstätigen gerechnet ist, daß aber
bei der Unsicherheit der Grenzlinie die Zahlen mit Vorsicht aufzunehmen sind.
Auch für die Industrie ist das zweifellos anzunehmen, da hier gleichfalls die
im Gewerbebetrieb des Haushaltsvorstauds hauptsächlich beschäftigten Dienst¬
boten (im weiteren Sinne) von der Statistik als Erwerbsthätige und nicht als
häusliche Dienstboten behandelt werden, obgleich sie im Haushalt des Betriebs-
iuhabers leben. Auffallend ist der Rückgang der von den Erwerbsthätigen
im Handel und Verkehr gehaltenen häuslichen Dienstboten, da hier die Zahl
der Erwerbsthätigen besonders stark zugenommen hat. Zum Teil mag auch
hier die Zählweise die Verschiebung größer machen, als sie ist, hauptsächlich
ist die Erklärung aber wohl darin zu suchen, daß der starke Zuwachs der Er-
werbsthätigm vorwiegend aus abhängigen Personen der besonders stark ver¬
mehrten Großbetriebe besteht. Der Anteil der im öffentlichen Dienst und in den
freien Bernfscirten stehenden Erwerbsthätigcn und der Rentner an der Gesamtzahl
der Dienstboten ist etwas großer geworden. Die beiden andern Berufsklassen
(häuslicher Dienst usw. und Berufslose) haben kein Interesse; die veränderten
Zahlen haben hier nur ans dem Papier Bedeutung oder sind ganz zufällig.

Es bleibt nun noch übrig, einige Mitteilungen über den Familienstand
und das Alter der weiblichen Dienstboten zu machen. Von allen 1313957
weiblichen Dienstboten waren 1895 nur rund 11000 verheiratet, also Aus¬
nahmen, die nichts für das Ganze bedeuten. Unsre weiblichen Dienstboten sind
unverheiratet, der Dienstbotenberuf ist die Domäne der ledigen Frauenzimmer,
viel mehr, als die Erwerbsthätigkeit außer der Haushaltsführung, in der 1895
von 5264393 weiblichen Personen im ganzen immerhin 1046381 verheiratet
waren. Von allen 1895 vorhandnen rund 15368000 unverheirateten weib¬
lichen Personen lebten


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[0247] Line Frauenfrage bis 1895 um 3,2 vermindert gegen 1,0 im ganzen Reiche; sie ist aber trotz dieser Verminderung immer noch um 3,5 größer als im Reiche. In der deutschen Landwirtschaft ist die Zahl der weiblichen Dienstboten, auf 100 Er¬ werbsthätige beider Geschlechter berechnet, um 0,6 kleiner geworden, in der Industrie um 0,8, im Handel und Verkehr dagegen um 6,3. Auf 100 im öffentlichen Dienst und in den freien Berufsarten stehende Erwerbsthätige beider Geschlechter kamen 1895 2,3 weibliche Dienstboten weniger als 1882, und auf 100 Rentner 3,2 weniger. Die Personen aus der Klasse der häuslichen Dienstleistungen usw. und die sonstigen Berufslosen fallen nicht ins Gewicht. Wir finden in diesen Zahlen zugleich die sehr wichtige Frage uach den hauptsächlich an dem Halten von weiblichen Dienstboten beteiligten Berufen oder Ständen beantwortet. Die Landwirtschaft beschäftigt trotz des verhältnismäßig starken Rückgangs ihres Anteils immer noch mehr häusliche Dienstboten als irgend eine andre Berufsabteilnng. Es ist dabei wohl zu beachten, daß das hauptsächlich im landwirtschaftlichen Betriebe thätige Gesinde nicht zu den häus¬ lichen Dienstboten, sondern zu den Erwerbstätigen gerechnet ist, daß aber bei der Unsicherheit der Grenzlinie die Zahlen mit Vorsicht aufzunehmen sind. Auch für die Industrie ist das zweifellos anzunehmen, da hier gleichfalls die im Gewerbebetrieb des Haushaltsvorstauds hauptsächlich beschäftigten Dienst¬ boten (im weiteren Sinne) von der Statistik als Erwerbsthätige und nicht als häusliche Dienstboten behandelt werden, obgleich sie im Haushalt des Betriebs- iuhabers leben. Auffallend ist der Rückgang der von den Erwerbsthätigen im Handel und Verkehr gehaltenen häuslichen Dienstboten, da hier die Zahl der Erwerbsthätigen besonders stark zugenommen hat. Zum Teil mag auch hier die Zählweise die Verschiebung größer machen, als sie ist, hauptsächlich ist die Erklärung aber wohl darin zu suchen, daß der starke Zuwachs der Er- werbsthätigm vorwiegend aus abhängigen Personen der besonders stark ver¬ mehrten Großbetriebe besteht. Der Anteil der im öffentlichen Dienst und in den freien Bernfscirten stehenden Erwerbsthätigcn und der Rentner an der Gesamtzahl der Dienstboten ist etwas großer geworden. Die beiden andern Berufsklassen (häuslicher Dienst usw. und Berufslose) haben kein Interesse; die veränderten Zahlen haben hier nur ans dem Papier Bedeutung oder sind ganz zufällig. Es bleibt nun noch übrig, einige Mitteilungen über den Familienstand und das Alter der weiblichen Dienstboten zu machen. Von allen 1313957 weiblichen Dienstboten waren 1895 nur rund 11000 verheiratet, also Aus¬ nahmen, die nichts für das Ganze bedeuten. Unsre weiblichen Dienstboten sind unverheiratet, der Dienstbotenberuf ist die Domäne der ledigen Frauenzimmer, viel mehr, als die Erwerbsthätigkeit außer der Haushaltsführung, in der 1895 von 5264393 weiblichen Personen im ganzen immerhin 1046381 verheiratet waren. Von allen 1895 vorhandnen rund 15368000 unverheirateten weib¬ lichen Personen lebten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/247>, abgerufen am 08.01.2025.